# taz.de -- Uwe Tellkamp kommt doch nicht: Lesebühnen bleiben leer
> Nachdem sein Verlag sich von ihm distanziert hat, sagte der umstrittene
> Autor Uwe Tellkamp nun auch seine Lesereise in Norddeutschland ab.
IMG Bild: Bleibt dem Norden erspart – oder verwehrt, je nach Auffassung: Diskussion mit Uwe Tellkamp
Hamburg taz | Der Autor fühle sich „momentan nicht in der Lage, Lesungen
vor Publikum durchzuführen“, so teilte es der Verlag mit: Eigentlich hätte
der Schriftsteller Uwe Tellkamp kommende Woche im Norden auftreten sollen,
dreimal in Schleswig-Holstein und dazu noch in Hamburg.
Alles abgesagt – und das unter ausdrücklichem Hinweis auf jene
Diskussionsveranstaltung neulich, ein ganzes Stück die Elbe hinauf, in
Dresden, der dann ja dieses mittlere Literaturbetriebsbeben gefolgt war: Am
Donnerstag der Vorwoche hatte Tellkamp im Dresdner Kulturpalast auf einer
Bühne gesessen, zusammen mit dem ebenfalls von dort stammenden Literaten
Durs Grünbein. Thema des Abends war kein Geringes als der Zustand der
Meinungsfreiheit.
## Angebliche „Gesinnungsdiktatur“
Als in diesem Sinne gelungen muss man sich Tellkamps Performance
vorstellen: Der 49-Jährige referierte allerlei Zusammengetragenes, mal über
Flüchtlinge, dann wieder über Migranten, aber auch über das angebliche
Ins-Kraut-Schießen der politischen Korrektheit an und für sich. Was
insofern eine Vorgeschichte hat, als Tellkamp auch zu den ersten
Unterzeichnern der „Charta 2017“ zählte, die, initiiert von einer örtlichen
Buchhändlerin, ein Signal setzen wollte gegen eine angebliche linke
„Gesinnungsdiktatur“ im Land.
Dass hierzulande dies und jenes nicht mehr gesagt werden dürfe, beklagte da
also einer, auf einer Bühne sitzend vor mehreren Hundert Menschen, die
applaudierten. Nun führte Tellkamp da halt auch allerlei Unwahres im Munde,
etwa die Behauptung, es kämen „nachweislich“ 95 Prozent der Flüchtlinge
(oder waren es Migranten?) ins Land, „um in die Sozialsysteme
einzuwandern“.
Wogegen nicht nur Grünbein Einwände äußerte: Auch der Suhrkamp-Verlag, der
die Werke beider Autoren herausbringt, distanzierte sich von Tellkamp, was
manche als Beleg für die erwähnte Gesinnungsdiktatur ansahen, andere eher
als eine Art demokratisches Hochamt.
Dahingestellt, wie viel Kalkül mit im Spiel war bei der ganzen Chose
(ausgerechnet kurz vor der Leipziger Buchmesse): Leidtragende, könnte man
sagen, sind nun die, die Tellkamp einfach nur als Autor mögen – und ihm
gern zugehört hätten, in Lübeck, Kiel, Schleswig oder Hamburg.
17 Mar 2018
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DIR Alexander Diehl
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