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       # taz.de -- Kommentar Straßburger Türkei-Urteil: Eine skandalös späte Einsicht
       
       > Der europäische Gerichtshof ließ die Opfer der Repression zu lange im
       > Stich. Die EU-Kommission muss jetzt deutlich Position beziehen.
       
   IMG Bild: Protest gegen die Schließung der Zeitung Zaman: Jetzt kritisierte der europäische Menschenrechtsgerichtshof die Verhaftung von Sahin Alpay, einem ihrer Journalisten
       
       Lange hat es gedauert, jetzt hat der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg
       endlich reagiert. Zwei Journalisten, Şahin Alpay und Mehmet Altan, sitzen
       zu Unrecht in Untersuchungshaft. Ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit wurde
       verletzt. [1][Das Urteil selbst ist keine Überraschung], hatte doch bereits
       das türkische Verfassungsgericht zuvor genauso entscheiden.
       
       Skandalös ist vielmehr, dass die europäischen Richter mehr als eineinhalb
       Jahre gewartet haben, bevor sie auf den Ausnahmezustand und die
       Repressionswelle in der Türkei, die nach dem gescheiterten Putsch im Sommer
       2016 begann, reagiert haben. Hunderte Beschwerden türkischer Journalisten,
       Lehrer, Akademiker und anderer verhafteter oder gefeuerter Mitarbeiter des
       öffentlichen Dienstes in der Türkei stapeln sich seit Monaten in Straßburg.
       
       Obwohl die Richter wissen mussten, dass die türkische Justiz im
       Ausnahmezustand im besten Fall eine Fassade des Rechts wahrt, verwiesen sie
       auf den innertürkischen Rechtsweg und ließen die Opfer der Repression im
       Stich.
       
       Es ist zu hoffen, dass das Urteil von Dienstag den Beginn eines Umdenkens
       markiert. Gegen die Suspendierung der Menschenrechte im Land des
       EU-Beitrittskandidaten muss die EU-Kommission endlich genauso deutlich wie
       der europäische Menschenrechtsgerichtshof Position beziehen. Die
       Menschenrechtskommission der UNO hat gestern die türkische Regierung scharf
       kritisiert und die Aufhebung des Ausnahmezustandes gefordert.
       
       Genau dies muss die Spitze der EU auch tun, wenn Junker und Tusk sich in
       wenigen Tagen mit Erdoğan in Bulgarien treffen. Sämtliche europäische
       Institutionen einschließlich der Nato, in denen die Türkei ein
       gleichberechtigtes Mitglied sein will, sollten endlich gemeinsam und
       deutlich die Aufhebung des Ausnahmezustandes zur Voraussetzung für eine
       weitere Zusammenarbeit machen. Damit würden in der Türkei zwar noch nicht
       wieder demokratische Zustände herrschen, aber Mindeststandards von
       Rechtssicherheit wären gewahrt.
       
       20 Mar 2018
       
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