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       # taz.de -- Schutz der Schweinswale: Weg von Fischers Netzen
       
       > Neue Warngeräte sollen Schweinswale in Nord- und Ostsee vor dem Tod in
       > Fischernetzen bewahren. Umweltschützer befürchten Vertreibung der Wale
       > aus Schutzgebieten.
       
   IMG Bild: Schweinswal im Netz – hier vor der Küste Mexikos
       
       HAMBURG taz | Mit einem neuen Gerät wollen Wissenschaftler die Schweinswale
       in Nord- und Ostsee vor dem Tod in Fischernetzen retten. Das Warngerät
       „PAL“ (Porpoise Alert, deutsch: Schweinswal-Alarmgerät) solle nun in einem
       Praxistest in der Nordsee und im Nordatlantik eingesetzt werden, teilt die
       Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Hamburg mit.
       Dadurch soll Deutschlands einzige Walart besser vor den Netzen der Fischer
       geschützt werden.
       
       In ersten Tests in der Ostsee 2014 und 2016 habe der Apparat den Beifang
       von Schweinswalen um 70 Prozent reduziert, wie die BLE erklärte. Nun
       startet die Weiterentwicklung des Konzepts mit weiteren Tests in der
       Nordsee sowie im Nordatlantik um Island.
       
       Das könnte ein Fortschritt sein, räumt Heike Vesper, Leiterin Meeresschutz
       bei der Umweltstiftung WWF in Hamburg, ein. Allerdings zieht sie die
       Aussagekraft der Pilotprojekte in Zweifel. Im vorigen Jahr hätten Fischer
       zwei tote Schweinswale aus ihren Netzen gepult und im Hafen abgeliefert,
       2016 seien es zehn gewesen. Wie hoch die Dunkelziffer sei und damit die
       tatsächliche Reduzierung, sei vollkommen unklar.
       
       Wissenschaftliche Berechnungen gehen von etwa 120 Schweinswalen aus, die
       Jahr für Jahr allein in der Ostsee in Stellnetzen jämmerlich ertrinken.
       Nach Angaben der Bundesregierung von 2016 sind an den deutschen Küsten von
       Nord- und Ostsee seit 2004 jedoch mehr als 3.000 tote Schweinswale
       angeschwemmt worden. Schätzungsweise 60 Prozent davon, das ließen
       pathologische Untersuchungen vermuten, seien als Beifang in den Stellnetzen
       der Fischerei erstickt oder ertrunken. „Das ist eine ziemlich große Spanne
       bei den Zahlen“, so Vesper.
       
       Umweltschützer fordern deshalb seit Langem, zumindest in den
       Meeresschutzgebieten ein wirksames Fischereimanagement einzuführen, um die
       Fischbestände zu schonen und Beifänge von Meeressäugern wie Walen,
       Seehunden und Kegelrobben sowie von Seevögeln zu vermeiden. Denn lediglich
       in 0,3 Prozent der deutschen Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee „darf
       keinerlei Fischerei stattfinden“, so die Auskunft der Bundesregierung.
       
       Der Deutsche Fischerei-Verband in Hamburg hält das für eine unzulässige
       Einschränkung „bisher ausgeübter Rechte von Fischereibetrieben“. Auch
       würden die Beifangzahlen „systematisch überschätzt“, sagt Verbandssprecher
       Claus Ubl: „Die Fischereiaktivitäten sind als nicht bestandsgefährdend für
       Schweinswale einzustufen.“ Wenn die neuartigen PAL-Geräte indes
       funktionieren würden und Schweinswale von den Netzen fernhielten, „wäre das
       natürlich sinnvoll“, so Ubl.
       
       Denn frühere Versuche mit sogenannten Pingern waren von zweifelhaftem
       Erfolg. Diese an Stellnetzen befristeten Geräte sollten mit regelmäßigen
       Alarmtönen Meeressäuger vor den großen Fangnetzen warnen.
       
       Etliche Meeresschützer indes kritisierten, sie seien zu laut und würden die
       lärmempfindlichen Schweinswale aus den Schutzgebieten vertreiben –
       einerseits. Anderseits mehrten sich nach kurzer Zeit die Indizien dafür,
       dass die intelligenten Kleinwale spitz kriegten, dass wo Pinger lärmen,
       leichte Beute im Netz zappelt – in dem sie sich dann oft selbst verheddern.
       „Wo es pling macht, gibt es Fisch – nicht der Weisheit letzter Schluss“,
       sagt Heike Vesper.
       
       Nun sollen die PAL-Geräte nicht einfach laute Töne von sich geben, sondern
       die natürlichen Warnrufe von Schweinswalen vor Gefahren imitieren. Wenn
       dadurch der Beifang von Meeressäugern deutlich reduziert werden könnte,
       hielte auch Vesper das „für einen Fortschritt“. Grundsätzlich indes müsste
       die Fischerei in Schutzgebieten eingeschränkt und nicht Schweinswale
       vergrämt werden, findet Vesper: „PAL darf nicht dazu dienen, Schweinswale
       aus ihren Schutzgebieten zu vertreiben.“
       
       23 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven-Michael Veit
       
       ## TAGS
       
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