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       # taz.de -- Anne Helm über Anschläge in Neukölln: „Wir brauchen Ermittlungserfolge“
       
       > Im Kampf gegen den rechten Terror in Neukölln muss die Polizei Vertrauen
       > zurückgewinnen, sagt die Linkspartei-Abgeordnete Anne Helm.
       
   IMG Bild: Protest gegen Rechts: „Wir sind viele und wir werden mehr“, sagt Anne Helm
       
       taz: Frau Helm, seit Jahren gibt es immer wieder rechte Anschläge in
       Neukölln. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Sebastian T., einen
       vorbestraften Rechtsextremen aus Rudow. Das überrascht Sie nicht, oder? 
       
       Anne Helm: Nein. Der Name ist in den Kreisen von Betroffenen und aktiven
       Beobachtern auch schon vor den Hausdurchsuchungen öfters gefallen.
       
       Sie sind in Neukölln aufgewachsen, in Britz zur Schule gegangen. Kennen Sie
       Sebastian T. persönlich? 
       
       Ich bin ihm auf Demos begegnet, da standen wir uns gegenüber. Ich kenne
       auch Leute aus seinem Umfeld, mit denen kam es zu Wortgefechten auf der
       Straße. Aber persönlich kennen wäre zu viel gesagt. Wir wissen voneinander.
       
       Sind Sie in Neukölln selbst schon Opfer von Übergriffen geworden? 
       
       Ich wurde auf der Internetseite des Nationalen Widerstands Berlin auf
       Listen geführt. In dieser Gruppe ist auch T. aktiv. Nun wohne ich
       persönlich aber nicht in Britz. Zu der Personengruppe, die von dort
       vertrieben werden soll, gehöre ich nicht. Was in Britz abgeht, das ist ein
       Kampf um eine sogenannte National befreite Zone.
       
       Selbst das Bezirksparlament Neukölln verurteilt die Anschlagsserie
       inzwischen als „Terror“. Warum hat es so lange gedauert, bis gegen
       Verdächtige vorgegangen wurde? 
       
       Wir haben beim Landeskriminalamt nachgefragt. Es hieß, es sei sehr
       schwierig, Beweise oder Indizien zu finden, die über Verdächtigungen
       hinausgehen. Aber natürlich ist es fatal, wenn die Täter mit Gewalt
       versuchen, antifaschistisches Engagement zu verhindern, alle darüber reden,
       und sie trotzdem ungehindert weitermachen können. Das hat zu viel Frust bei
       den Betroffenen geführt.
       
       Die vermuten, dass es in der rechten Szene Neuköllns V-Leute gibt und
       deshalb so schleppend ermittelt wurde. Was sagen Sie zu diesem Verdacht? 
       
       Ich verlasse mich da ein Stück weit auf Innensenator Andreas Geisel, der
       das ausschließt. Auf der anderen Seite: Wenn es so wäre, würde ich darüber
       nicht informiert. Dass Menschen diese Befürchtung haben, ist nach den
       Erfahrungen des NSU verständlich. Ich kann nicht meine Hand dafür ins Feuer
       legen, dass es keine V-Leute gibt in diesem Bereich. Ich halte es für
       unglaublich wichtig, dass die Ermittlungsbehörden Vertrauen zurückgewinnen.
       
       Wie zum Beispiel? 
       
       Das allerwichtigste sind Ermittlungserfolge. Dass man zeigt: Rechter Terror
       ist nicht erfolgreich. Die Polizei hat sich aber auch in der Art und Weise,
       wie sie die Opfer beraten hat, keinen Gefallen getan. Betroffene fühlten
       sich unverstanden und hatten den Eindruck, dass die Behörden eher gegen sie
       arbeiten statt für sie. Da müssen wir nachbessern.
       
       Was sonst hilft den Betroffenen? 
       
       Solidarität. Das Festival Offenes Neukölln, das Anfang Juni stattfindet,
       ist von einem breiten Bündnis getragen. Es ist ein Zeichen: Wir sind viele
       und wir werden mehr. Sie können und sie werden uns nicht alle kriegen. Das
       ist auch wichtig, damit in der Öffentlichkeit nicht wieder ein Bild
       entsteht, wie es das lange gab: In Neukölln kloppen sich Rechte und Linke,
       und die Mehrheitsgesellschaft geht das nichts an. Auch jetzt passiert es
       noch, dass Betroffene und Täter auf eine Stufe gestellt werden.
       
       Wer macht das? 
       
       Zum Beispiel die CDU in der Bezirksverordnetenversammlung. Sie
       diskreditiert die Zusammenarbeit des Bezirksamts mit dem Festival Offenes
       Neukölln, weil es ein sehr breites Bündnis ist, wo sich auch die
       Interventionistische Linke beteiligt. Das halte ich für Schützenhilfe aus
       dem Parlament.
       
       Was glauben Sie: Bedeuten die Ermittlungen jetzt einen Durchbruch,
       möglicherweise sogar das Ende des Terrors? 
       
       Ich habe da durchaus Hoffnungen. Klar, es wurde Widerspruch eingelegt, das
       Verfahren ist abzuwarten. Aber ich bin überrascht, wie offen mit dem
       Ermittlungsstand umgegangen wird. Die Behörden scheinen sich relativ sicher
       zu sein. Ich glaube auch, dass Ermittlungserfolge gegen Einzelne der
       Struktur in Neukölln auf jeden Fall einen Dämpfer verpassen können.
       
       13 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Lang-Lendorff
       
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