# taz.de -- EU-Parlament kritisiert Vetternwirtschaft: Personalpolitik mit Nachspiel
> „Machtübernahme“ nennen Abgeordnete die umstrittene Beförderung des
> Juristen Martin Selmayr. Deren Rechtmäßigkeit soll nun untersucht werden.
IMG Bild: Im Machtzentrum: Selmayr zwischen Kommissionschef Juncker und Brexit-Beauftragtem Barnier
Die umstrittene Beförderung des deutschen Juristen Martin Selmayr durch
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wird ein Nachspiel haben. Der
mächtige Haushaltskontrollausschuß des Europaparlaments soll untersuchen,
ob bei der Ernennung Selmayrs zum Generalsekretär der Kommission alles mit
rechten Dingen zugegangen ist. Auch die EU-Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly
will dem Fall nachgehen.
Bei einer Aussprache in Straßburg hatten die Europaabgeordneten am
Montagabend massive Vorwürfe gegen Juncker erhoben. Von „Vetternwirtschaft“
und „Machtübernahme“ war die Rede. Sogar CDU-Mitglieder wie der
Europaabgeordnete Werner Langen kritisierten Selmayrs handstreichartige
Nominierung. Der Vorgang erinnere ihn an die „Geheimbürokratie des 19.
Jahrhunderts“, sagte Langen.
Die EU-Kommission war von Juncker erst in letzter Minute eingeweiht worden;
selbst Oettinger will nichts gewußt haben. Auch der Personalausschuss der
EU-Kommission sei nicht informiert worden, kritisierte die französische
Sozialistin Pervenche Beres. Mehrere Abgeordnete forderten die
EU-Kommission auf, die Ernennung Selmayrs rückgängig zu machen, um den
Schaden zu begrenzen.
„Die Kommission muss sich entscheiden – was ist wichtiger: die Karriere von
Martin Selmayr oder ihre eigene Glaubwürdigkeit“, sagte die niederländische
Liberale Sophia in't Veld. Die Affäre werde den Vertrauensverlust in die EU
fördern. Ähnlich äußerte sich der Grüne Sven Giegold. „Europa macht sich
mit der Blitzbeförderung von Selmayr gegenüber Populisten angreifbar“,
sagte er.
## EU-Gegner stürzen sich auf den Fall
Tatsächlich nutzen EU-Gegner aller Couleur den Vorfall bereits für ihre
Argumentation. Der Fall Selmayr sei das „perfekte Beispiel“ für die
undemokratische Struktur der EU-Kommission, sagte der britische EU-Gegner
Nigel Farage. Selmayr sei im Eilverfahren auf einen 20.000 Euro-Job
katapultiert worden, und das ohne Transparenz.
Auch Ungarn und Polen nutzen die Affäre für ihre Attacken gegen Brüssel. So
sprach ein ungarischer Regierungssprecher von „Doppelstandards“. Die
EU-Kommission halte sich selbst nicht an Regeln, wolle anderen aber
Vorschriften machen. Gegen beide Länder laufen EU-Verfahren wegen Verstößen
gegen Demokratie und Rechtsstaat.
Kommissionspräsident Juncker dürfte es nun schwerer fallen, seine Argumente
in Warschau und Budapest anzubringen. Vor allem aber hat er nun ein Problem
mit dem Europaparlament. 2014 hatten die EU-Abgeordneten den konservativen
Luxemburger noch mehrheitlich gewählt. Nun ist das Vertrauen futsch;
Junckers letztes Jahr in Brüssel steht unter keinem guten Stern.
13 Mar 2018
## AUTOREN
DIR Eric Bonse
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