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       # taz.de -- Experte über Reformen in Angola: „Er hat sich getraut“
       
       > Angolas neuer Präsident João Lourenço räumt mit dem korrupten Machtsystem
       > seines Vorgängers auf, lobt der Angola-Kenner Daniel Ribant.
       
   IMG Bild: Wo sind die Ölmilliarden? Angolas Zentralbank, dahinter Hochhäuser ohne Ende
       
       taz: Herr Ribant, in Bezug auf die Politik des neuen Präsidenten von
       Angola, João Lourenço, sprechen Sie von einem „angolanischen Frühling“. Was
       bewegt Sie zu dieser Einschätzung? 
       
       Daniel Ribant: Ich beziehe mich auf den Ruck, den der neue Präsident seinem
       Land gegeben hat. Er ergreift spektakuläre Maßnahmen ohne Vorankündigung,
       er hat eine ganze Reihe mächtiger Personen aus den Führungsorganen des
       Landes entfernt. Lourenço handelt wie ein General, der mit einem
       vorgefertigten Plan ein Schlachtfeld betritt und methodisch einen Gegner
       nach dem anderen ausschaltet.
       
       Er begann mit dem Vorsitzenden der staatlichen Diamantengesellschaft
       Endiama. Dann kam die Familie seines Vorgängers Eduardo dos Santos an die
       Reihe: die Tochter Isabel, Chefin der staatlichen Ölfirma Sonangol, sowie
       ihr Bruder José Filomeno, Vorsitzender des staatlichen Ölfonds. Alle
       fragten sich: Traut er sich das wirklich? Nun, er hat sich getraut, und die
       Reihenfolge – zuerst die als noch mächtiger geltende Isabel und danach
       Filomeno, obwohl dem wohl mehr vorzuwerfen ist, wie aus den Paradise Papers
       hervorgeht – lässt auf einen überlegten Plan schließen.
       
       Was steht denn in den Paradise Papers über Filomeno? 
       
       Sie enthüllen tiefe Differenzen in der Führung des Ölfonds, intransparente
       Anlagen und unfassbar gigantische Gehälter für seine Verwalter.
       
       Der Journalist und Regierungskritiker Rafael Marques hat behauptet, das
       seien alles kosmetische Veränderungen, die nur die sichtbare Spitze des
       Eisbergs betreffen. 
       
       Ich finde nicht, dass das stimmt. Das Dos-Santos-Machtsystem in seinem Kern
       anzugreifen ist mehr als nur Symbolpolitik. Lourenço hat zugleich wichtige
       Initiativen gegen Korruption und Geldwäsche ergriffen. Es wird nun eine
       Steueramnestie für Kapitalflüchtige vorbereitet, die ihre illegal
       abgeflossenen Gelder ins Land zurückholen. Die Zentralbank bereitet neue
       Kapitaltransferkontrollen vor, die Banken müssen jetzt die Identitäten der
       angegebenen Empfänger von Überweisungen im Ausland verifizieren, und es
       gibt Strafmaßnahmen. Ganz klar besteht der Wille, die Probleme des Landes
       anzupacken und die Wirtschaft zu sanieren.
       
       Betrifft die Steueramnestie auch die Milliarden, die Expräsdient dos Santos
       und seine Angehörigen in Steuerparadiesen angelegt haben? 
       
       Ich würde dazu sagen: Das Tempo, mit dem diese Baustelle angegangen wird,
       ist ein Zeichen der Entschlossenheit.
       
       Um welche Summen geht es eigentlich? 
       
       Das ist sehr schwer zu sagen. Diese Geldflüsse finden über Scheinfirmen
       statt, man kann dann nicht feststellen, welches Geld aus Angola kommt. Es
       gibt kein Register von Auslandsguthaben der Angolaner. Ich gehe von
       mehreren Dutzend Milliarden US-Dollar aus, aber das ist reine Spekulation.
       
       Haben diese Reformen etwas mit der Wirtschaftskrise Angolas zu tun? 
       
       Natürlich. Seit einigen Jahren leidet Angola unter dem starken Rückgang der
       Ölpreise. Im Wahljahr 2017 musste die Zentralbank erstmals ihre
       Devisenreserven anzapfen, um überlebensnotwendige Importe zu finanzieren.
       Die Reserven sind auf nur noch 14 Milliarden US-Dollar geschrumpft, das ist
       sehr wenig. Wegen des Wahlkampfes schreckte die Regierung vergangenes Jahr
       vor unpopulären Maßnahmen zurück, beispielsweise eine Abwertung der
       Landeswährung Kwanza, die zu den drei am meisten überbewerteten Währungen
       der Welt zählt. Unzureichende Staatseinnahmen, hohe Inflation,
       Überbewertung der Landeswährung – alle Wirtschaftsdaten sind ein Desaster.
       2018 ist also ein entscheidendes Jahr. Der Spielraum des Präsidenten ist
       sehr eng.
       
       Manche sagen: Lourenço greift am liebsten auf Altkader der historischen
       Regierungspartei und ehemaligen Befreiungsbewegung MPLA zurück. Wo ist die
       Erneuerung, die junge Generation? 
       
       Ich denke, Lourenço weiß, was er sich erlauben kann und was nicht, gerade
       was die Kader der MPLA angeht. Er hat mehrere zuletzt in Ungnade gefallene
       Personen zurückgeholt, beispielsweise Expremier Lopo do Nascimento als
       neuen Sonangol-Chef. Er muss ein Gleichgewicht zwischen seinem aus meiner
       Sicht ehrlichen Reformwillen und dem Machterhalt innerhalb der Partei
       finden. In der MPLA gibt es noch viele Anhänger des alten
       Dos-Santos-Regimes, sie unterstützen nicht alle den neuen Präsidenten.
       
       1 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR François Misser
       
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