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       # taz.de -- Deutsche Rüstungsexporte an die Türkei: Versprechen gebrochen
       
       > Ex-Außenminister Gabriel versicherte, man werde keine Rüstungsgüter für
       > die Türkei genehmigen. Offensichtlich war das gelogen.
       
   IMG Bild: Ein deutscher Panzer vom Typ Leopard 2A4 auf dem Weg nach Afrin. Einer der türksichen Soldaten macht den faschistsichen Wolfsgruß
       
       Berlin taz | In den letzten Wochen seiner Amtszeit versicherte
       Ex-Außenminister Sigmar Gabriel immer wieder, dass die deutsche
       Bundesregierung [1][keine Rüstungsexporte an die Türkei genehmigen] würde –
       solange die türkische Militäroperation im kurdischen Afrin im Nordwesten
       Syriens andauert. Offensichtlich passiert das nun doch: Im Zeitraum vom 20.
       Januar bis zum 27. Februar genehmigte Deutschland Rüstungsexporte im Wert
       von knapp 4,4 Millionen Euro an die Türkei.
       
       Das geht aus der Antwort von Matthias Machnig, Staatssekretär des
       Wirtschaftsministeriums, auf eine schriftliche Frage des
       Grünen-Bundestagsabgeordneten Omid Nouripour hervor. Welche Art von
       Rüstungsgütern exportiert werden sollen, darüber ist in der Antwort nichts
       zu erfahren.
       
       Nouripour, zugleich Grünen-Sprecher für Außenpolitik, sagte der taz, er
       glaube, „dass diese Information extra zurückgehalten wurde, um Sigmar
       Gabriel auf seinen letzten Metern als Außenminister zu schützen“. Es sei
       offenkundig dass „die Bundesregierung die Öffentlichkeit bewusst belogen“
       habe. Die Arbeitszeit der neuen Regierung beginne so „mit einer
       gravierenden Lüge“.
       
       Immer wieder wurde über deutsch-türkische „Deals“ im Zusammenhang mit der
       Freilassung von deutschen Staatsbürgern aus türkischer Haft spekuliert,
       [2][so auch im Fall des Journalisten Deniz Yücel]. „Ein Zusammenhang drängt
       sich auf“, sagte Nouripour dazu. Es sei jetzt an der Bundesregierung, alles
       auf den Tisch zu legen. „Ansonsten gibt es wenig Grund, ihrem Wort in
       dieser Angelegenheit noch zu glauben“, so Nouripour.
       
       ## Rüstungsexporte trotz „Beachtung der Menschenrechte“
       
       In seiner Antwort vom 13. März, die der taz vorliegt, schreibt Matthias
       Machnig (SPD), dass die Bundesregierung nach dem 20. Januar 2018, dem
       Beginn der türkischen Militäroperation, „unter dem Eindruck des türkischen
       Militäreinsatzes in Nordsyrien nur in Einzelfällen Genehmigungen für
       Ausfuhren erteilt“ habe. Die Genehmigungen stünden im Zusammenhang mit
       internationalen Rüstungskooperationen oder dienten der
       Nato-Bündnisverteidigung, so Machnig. Die Antwort endet mit dem Satz: „Der
       Beachtung der Menschenrechte wird bei Rüstungsexportentscheidungen ein
       besonderes Gewicht beigemessen.“
       
       Angesichts der aktuellen Situation um Afrin verdient der letzte Satz
       Machnigs besondere Aufmerksamkeit. Denn die genehmigten deutschen
       Rüstungsexporte werden zu einem brisanten Zeitpunkt bekannt: Nach eigenen
       Angaben begannen die türkischen Streitkräfte bereits damit, [3][die Stadt
       Afrin zu belagern], in der bisher auch Kriegsflüchtlinge aus anderen Teilen
       Syriens Schutz gefunden hatten. Befürchtet wird nun ein langwieriger und
       blutiger Häuserkampf, dem viele Zivilsten zum Opfer fallen könnten.
       
       Ibrahim Kalın, Sprecher des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip
       Erdoğan, erklärte am Donnerstagmorgen im türkischen Staatsfernsehen TRT,
       dass bereits 70 Prozent des Gebietes von Afrin „gesichert“ sei. Er erwarte,
       dass „auch das Zentrum von Afrin in sehr kurzer Zeit von Terroristen
       gesäubert sein wird.“ Während die Türkei die kurdische PYD und ihre
       Verteidigungseinheiten YPG in Afrin als „Terrororganisation“ einstuft,
       verbündeten sich die USA mit den Kurden im Kampf gegen den sogenannten
       Islamischen Staat.
       
       ## Anfragen in den vergangenen Monaten
       
       Bereits vor Nouripours Anfrage forderten Bundestagsabgeordnete Auskunft
       über deutsche Rüstungsexporte in die Türkei. Zuletzt antwortete das
       Wirtschaftsministerium am 9. März auf eine schriftliche Frage der
       Grünen-Abgeordneten Agnieszka Brugger. Im Februar fragte Brugger nach
       Einzelgenehmigungen für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter sowie
       bereits ausgeführte Exporte in die Türkei seit dem ersten Januar 2018. Das
       Wirtschaftsministerium antwortete ihr, dass 34 Ausfuhrgenehmigungen im
       angegbenen Zeitraum erteilt wurden. Der Wert der genehmigten Exporte fand
       sich in der Antwort nicht.
       
       Im Laufe des Donnerstags wird der Bundestag über das Vorgehen der Türkei in
       Syrien debattieren. Dem Bekanntwerden der genehmigten Rüstungsexporte
       dürfte in der Diskussion großes Gewicht zukommen.
       
       15 Mar 2018
       
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   DIR Volkan Ağar
       
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