URI: 
       # taz.de -- Friedensprotest in Afghanistan: Taliban unter Druck
       
       > Im südafghanischen Helmand formiert sich nach einem weiteren
       > Terroranschlag überraschend eine Friedensbewegung von unten.
       
   IMG Bild: Bei dem Anschlag in der Nähe des Stadions von Lashkargah wurden 16 Menschen getötet, 52 verletzt
       
       BERLIN taz | Vergangene Woche ist ein paar Jugend- und
       Zivilgesellschaftsaktivisten in Laschkargah der Geduldsfaden gerissen. Kurz
       nach dem afghanischen Neujahrsfest Naurus, das ähnlich wie bei uns Ostern
       mit dem Frühlingsanfang zusammenfällt, hatte in der Hauptstadt der
       afghanischen Südprovinz Helmand jemand eine Autobombe in eine Menschenmenge
       gefahren. Die war nach einem Ringkampf aus dem örtlichen Stadion gekommen.
       16 Personen wurden getötet, 52 weitere verletzt, darunter viele Kinder.
       
       Weder die Taliban noch der örtliche Ableger der Terrormiliz Islamischen
       Staat (IS) übernahmen die Verantwortung. Aber im Grunde war klar, dass der
       IS im paschtunischen Kernland der Taliban nicht in Frage kommt. Denn er
       hatte dort in den letzten drei Jahren gar nicht mehr operiert.
       
       Am Tag nach dem Anschlag, genau vor einer Woche, schlugen die Aktivisten
       vor dem Stadion ein Protestzelt auf und organisierten einen Autokorso durch
       die Stadt, den sie „Friedenskonvoi“ nannten.
       
       Regierung und Taliban sollten „sich zusammensetzen und Frieden machen“,
       sagte Kais Haschemi, einer der Organisatoren, zu örtlichen Medien. Sein
       Kollege Ikbal Chaibar sagte, “die Taliban sollen keine Attentäter mehr
       schicken und die Regierung keine Bomben mehr auf sie abwerfen.“
       
       Was noch ungewöhnlicher ist: Am folgenden Tag schlossen sich Dutzende
       Frauen dem Protest an, ortsüblich in voller Verschleierung und in einem
       gesonderten Protestzelt, jüngere und ältere zusammen.
       
       ## Witwen wehren sich
       
       Zu den letzteren gehört Chial Bibi, die fünf Kinder und ihren Ehemann bei
       Kämpfen in der Provinz verloren hatte, wie eine afghanische
       Nachrichtenseite berichtete.
       
       Eine Frau namens Bibi Nurian wurde mit den Worten zitiert, ganz Afghanistan
       sei „voller Witwen und Waisen“ und es sei nun genug des Blutvergießens.
       
       Die Demonstranten beschlossen, ins 200 Kilometer entfernte Musa Kala zu
       ziehen, so etwas wie die örtliche Taliban-Hauptstadt. Die Aufständischen
       kontrollieren fast die ganze Provinz.
       
       Die Friedensaktivisten kontaktierten Taliban und Regierung und verlangten,
       beide Seiten sollten eine zweitägige Waffenruhe bis Donnerstagmittag
       ausrufen, wenn der Marsch losgehen sollte.
       
       Doch die Frist verstrich zunächst ergebnislos. Die Taliban warnten sogar,
       die Friedensmarschteilnehmer sollten sich nicht von der Regierung
       instrumentalisieren lassen. Sie seien auch selbst schuld, wenn etwas
       passiere. Außerdem sollten sie zuerst zum örtlichen US-Stützpunkt von
       Schorab ziehe. Denn dort liege der „Schlüssel zum Krieg“. „Neutrale
       Friedensbemühungen“ seien aber zu begrüßen.
       
       Die Organisatoren reagierten empört. Sie riefen einen Hungerstreik aus, bis
       ihre Forderung nach einer Feuerpause erfüllt sei – nahmen aber auch den
       Einwand der Taliban auf und beschlossen, auch die Amerikaner aufzusuchen,
       wie Mitorganisator Muhammad Omar Lemar der taz sagte.
       
       Eine erste Bewegung gebe es inzwischen, sagte Lemar, der eigentlich
       Pressefotograf ist, am Freitag. Die Regierung habe einer Feuerpause
       zugestimmt.
       
       Das setzt die Taliban unter Druck. Sie hatten schon auf einen neuen
       [1][Friedensvorschlag von Präsident] Aschraf Ghani Ende Februar nicht
       reagiert. Sollten sie sich jetzt aber doch noch bewegen, könnte sich ein
       überraschender Durchbruch zu Friedensgesprächen von unten ergeben.
       
       30 Mar 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Debatte-Afghanistan/!5487688
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Ruttig
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Afghanistankrieg
   DIR Taliban
   DIR USA
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Taliban
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
   DIR Schwerpunkt Afghanistan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Abschiebungen nach Afghanistan: „Kabul ist zu gefährlich“
       
       Die Bundesregierung erachtet Afghanistan als „ausreichend stabil“ für
       Abschiebungen. Doch ein französisches Gericht und das UNHCR sehen das
       anders.
       
   DIR Afghanistans überfällige Parlamentswahl: Eine Abfuhr von den Taliban
       
       Afghanistans Aufständische wollen die für Oktober geplante Wahl
       boykottieren. Das Ergebis werde ohnehin von Washington diktiert, so die
       Begründung.
       
   DIR Gewalt in Afghanistan: Zahlreiche Tote bei Taliban-Angriff
       
       Die islamistische Miliz hat einen Bezirksgouverneur und ein Dutzend seiner
       Mitarbeiter getötet. Sie kontrolliert bereits 14 Prozent des Landes, 30
       Prozent sind umkämpft.
       
   DIR Angriff auf Koranschule in Afghanistan: Viele Tote bei Zeremonie
       
       Bei einem Luftangriff afghanischer Regierungstruppen kommen Zivilisten ums
       Leben. Militärs sagen, es sei ein Treffen von Taliban gewesen.
       
   DIR Sichere Herkunftsländer sind relativ: Deutsche darf nicht nach Afghanistan
       
       Sybille Schnehage betreibt ein Hilfsprojekt in Kundus. Besuchen darf sie es
       aber nicht mehr: Die Bundesrepublik verbietet ihr die Ausreise.
       
   DIR Debatte Afghanistan: Vergesst die Taliban
       
       Das Land am Hindukusch braucht eine regionale Friedenslösung. Derzeit
       bietet sich eine Chance. Es geht nicht ohne China und Russland.
       
   DIR Friedensplan in Afghanistan: Angebot an die Taliban
       
       Staatschef Ghani bietet den Islamisten den Eintritt in die Regierung an.
       Gibt es bald eine Afghanistan-Friedenskonferenz in Deutschland?