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       # taz.de -- Türkischer Präsident Erdoğan: Zoff mit dem Kosovo
       
       > Erdoğan hielt den Kosovo bisher für einen Verbündeten. Doch die Affäre um
       > die Auslieferung von Gülen-Lehrern erzeugt schlechte Stimmung.
       
   IMG Bild: Schülerprotest in Pristina gegen die Auslieferung von Lehrern an die Türkei
       
       Split taz | Wer dieser Tage in der Kosovo-Hauptstadt Pristina anruft,
       trifft auf aufgeregte Bekannte. Denn die Lage in und um Kosovo hat sich
       dramatisch verschlechtert. Erst der Krach mit den Serben wegen der
       Festnahme eines serbischen Ministers. Jetzt der Konflikt mit dem türkischen
       Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan wegen der Auslieferung von sechs
       Mitgliedern der Gülen-Bewegung am vergangenen Donnerstag.
       
       Dass der Innenminister und der Geheimdienst sich zum Werkzeug des
       türkischen Präsidenten machten und den Direktor und den Vizedirektor der
       von der Gülen-Bewegung getragenen Mehmet-Akif-Schule sowie vier dort
       angestellte Lehrer festnehmen und an die Türkei ausliefern ließen, ist
       nicht nur in den Augen der zivilgesellschaftlich aktiven Intellektuellen in
       Kosovo ein starkes Stück.
       
       Fast die gesamte Öffentlichkeit unterstützt jetzt Premierminister Ramush
       Haradinaj. Der hatte trotz der türkischen Proteste kurz nach der
       Auslieferung der Lehrer die Verantwortlichen gefeuert: den Innenminister
       und den Geheimdienstchef.
       
       Haradinaj darf sich nach der heftigen Reaktion des türkischen Präsidenten
       jetzt sogar der Unterstützung der Oppositionsparteien erfreuen. Erdoğan war
       Haradinaj am Samstag angegangen: „Wie kannst du es wagen jene zu füttern,
       die in der Türkei den Staatsstreich versuchten? Wie kannst du so gegen die
       Türkei arbeiten? Ich weiß, dass meine kosovarischen Brüder gegen diese
       Entscheidung sind. Du wirst dafür zur Rechenschaft gezogen. Die Karriere
       des Premiers wird zu Ende gehen.“
       
       ## Vorsicht wegen Protesten
       
       Erdoğan hatte offenbar damit gerechnet, dass „sein kosovarischer Bruder“
       Präsident Hashim Thaci sich hinter ihn stellen und gegen Haradinaj vorgehen
       würde. Doch die Protestwelle in der Öffentlichkeit mahnte Thaci zur
       Vorsicht.
       
       Die historische Freundschaft zur Türkei sei kein „Vasallenverhältnis“,
       erklärte zudem Vizepremier Fatmir Limaj. Niemand außer Kosovos Volk habe
       das Mandat, seine Regierungen zu wählen, sagte der Chef der mitregierenden
       Nisma-Partei, niemand sollte der Regierung und dem Premier des Kosovos
       drohen. Kein Land, kein Führer kann uns beherrschen.“
       
       Auch die Parteien der Opposition stellten sich gegen Erdoğans Äußerungen.
       Thaci, der seit einigen Jahren mit türkischen Firmen und Erdoğan selbst eng
       zusammenarbeitet, ließ am Wochenende erklären, auch er sei von der
       Entscheidung des Innenministers überrascht gewesen.
       
       Im Büro des Präsidenten versucht man, Ruhe zu bewahren. Die Dinge würden
       untersucht, erklärte ein Mitarbeiter des Präsidenten. Im Klartext heißt das
       wohl, Thaci wird nichts gegen Haradinaj unternehmen. Gegen die Türkei und
       Erdoğan vorzugehen, werden die Kosovaren auch nicht wagen. Denn immerhin
       versprach Erdoğan den Kosovo-Albanern mit Blick auf die serbischen
       Ansprüche, die Türkei sei heute eine Schutzmacht für Kosovo.
       
       ## EU hält sich zurück
       
       Die kann Kosovo gebrauchen. Denn die Vertreter der serbischen Minderheit
       haben sich aus der Regierung zurückgezogen, die nun keine Mehrheit mehr
       hat. Am 20. April wollen die Serben den Verbund serbischer Gemeinden
       ausrufen.
       
       Während Russland durch Unterstützung der Serben und die Türkei mit ihrem
       Versprechen, Kosovo zu stützen, Position beziehen, hält sich die EU zurück.
       In Kosovo sind zwar noch etwa 4.000 Einsatzkräfte der KFOR (Kosovo Force) –
       darunter 411 Soldaten der Bundeswehr – und über 1.000 Mitglieder der
       Rechtsstaatsmission Eulex stationiert.
       
       Doch die EU versteht sich offenbar nicht mehr als Ordnungsmacht. Arian
       Arifaj, Berater des Präsidenten, sagte der taz, die Kosovaren wünschten
       sich jetzt ein stärkeres Auftreten der EU und der USA, um die Dinge zu
       beruhigen.
       
       3 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erich Rathfelder
       
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