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       # taz.de -- „Ausländerstopp“ bei der Essener Tafel: Der Pass soll keine Rolle mehr spielen
       
       > Die Essener Tafel nimmt wieder Ausländer auf. In Zukunft sollen bei
       > Platzmangel Alleinerziehende und SeniorInnen bevorzugt werden.
       
   IMG Bild: Jetzt dürfen auch Ausländer anstehen: BewerberInnen für die Essener Tafel
       
       Bochum taz | Die Essener Tafel kippt ihren Aufnahmestopp für Menschen ohne
       deutschen Pass. „Ab Mittwoch gibt es grundsätzlich wieder Lebensmittel für
       jedermann“, sagte der Vorsitzende der Hilfsorganisation, Jörg Sartor, der
       taz. „Bei Platzmangel“ werde es aber auch künftig Einschränkungen geben,
       betonte Sartor nach einer Vorstandssitzung des eingetragenen Vereins.
       
       Details dazu wollte der 61-Jährige erst einmal nicht nennen: „Zunächst
       sollen unsere Außenstellen informiert werden. Ich möchte nicht, dass unsere
       Leute das in der Zeitung lesen müssen.“ Es gilt aber als sicher, dass sich
       die Hilfsorganisation an den Empfehlungen eines Runden Tisches orientiert,
       zu dem die Verwaltung der Ruhrgebietsmetropole im März die Tafel,
       Wohlfahrtsverbände und MigrantInnenorganisationen zusammengerufen hatte:
       Der hatte geraten, bei Engpässen künftig bevorzugt Alleinerziehende,
       Familien mit minderjährigen Kindern und SeniorInnen neu in die Liste der
       Hilfsbedürftigen aufzunehmen. Die Staatsangehörigkeit soll dagegen keine
       Rolle mehr spielen.
       
       Im Februar war bekannt geworden, dass die Essener Hilfsorganisation bereits
       seit Dezember nur noch Deutsche mit einer sogenannten Kundenkarte, die zum
       Lebensmittelempfang berechtigt, ausgestattet hat. Bereits registrierte
       MigrantInnen erhielten allerdings weiter Unterstützung. „Da aufgrund der
       Flüchtlingszunahme in den letzten Jahren der Anteil ausländischer Mitbürger
       bei unseren Kunden auf 75 Prozent angestiegen ist, sehen wir uns gezwungen,
       um eine vernünftige Integration zu gewährleisten, zurzeit nur Kunden mit
       deutschem Personalausweis aufzunehmen“, hieß es zur Begründung.
       
       Der wie alle Tafel-MitarbeiterInnen ehrenamtlich tätige Vereinsvorsitzende
       Sartor machte außerdem mit zumindest ungeschickten, rassistisch klingenden
       Statements von sich reden: Besonders Syrer und Russlanddeutsche hätten ein
       „Nehmer-Gen“, eine „Anstellkultur“ fehle, sagte der im Umgang mit Medien
       offenbar unerfahrene ehemalige Bergmann Spiegel Online.
       
       ## „Nicht gut“, sagte Merkel
       
       Ein Aufschrei folgte. Autos und Gebäude der Tafel wurden mit
       „Nazi“-Graffiti besprüht, PolitikerInnen aller Bundestags-Parteien
       verurteilten den Aufnahmestopp für AusländerInnen. Kanzlerin Angela Merkel
       urteilte, die Entscheidung der Essener Tafel sei „nicht gut“. Warum
       Hilfsbedürftige in der Bundesrepublik überhaupt für Lebensmittel Schlange
       stehen müssen, erklärte sie dagegen nicht.
       
       Allerdings: Seit der Essener Entscheidung wird wieder über Armut
       debattiert. Während CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn Hartz IV „zur
       Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut“ erklärte, nannte Grünen-Chef
       Robert Habeck die von seiner Partei mitbeschlossenen Arbeitsmarktreformen
       Ursache für „Demütigungen und Existenzängste“. Selbst in der SPD wird mit
       dem „solidarischen Grundeinkommen“ über das Ende von Hartz IV nachgedacht,
       das unter anderem die Linkspartei schon lange fordert.
       
       3 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Wyputta
       
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