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       # taz.de -- „Jail Walk“ bei Germany's Next Topmodel: Gefangen im sexistischen Narrativ
       
       > GNTM ist schlimm. Das muss nicht nochmal gesagt werden. Die neueste Folge
       > der Casting-Show offenbart aber eine neue Form der Perversion.
       
   IMG Bild: Klum in ihrem Element, dem Sexismus
       
       Heidi Klums TV-Werbesendung zu bashen ist berechnend, öde und repetitiv.
       Klar. Jedes Wort, das über „Germany's Next Topmodel“ verloren wird, ist
       eins zu viel. Doch manchmal geht es nicht anders. Spätestens dann, wenn
       Bilder ausgestrahlt werden, die – blieben sie unkommentiert – so
       menschenverachtend sind, dass sie gefährlich werden, weil sie Rassismen
       fördern. Bilder, bei denen man sich fragt, ob irgendwer bei ProSieben sich
       darüber bewusst ist, was da ausgestrahlt wird.
       
       Zum Setting: Um irgendwelchen Kunden, die schlussendlich Jobs bei
       Baumarkt-Eröffnungen ermöglichen, zu gefallen, müssen die „Mädchen“ laufen.
       Und zwar in einer „außergewöhnlichen Location“, so Juror Thomas Hayo.
       Dieses Mal ist es das „Mira Loma Detention Center“ bei Los Angeles – ein
       ehemaliger Jugendknast. Und da in ein Gefängnis auch richtige Häftlinge
       gehören, werden die inklusive aller Stereotype mitgeliefert. So also stellt
       sich Klum anscheinend das das Leben hinter Gittern vor. „Ich hab Angst, vor
       den Häftlingen, weil ich sehr sehr schreckhaft bin“, sagt eine Teilnehmerin
       – tendenziöser geht es nicht mehr.
       
       „Im Jail-Walk müssen die Mädchen cool und straight laufen“, erläutert eine
       Stimme aus dem Off. Dies sei eine „echte Herausforderung“. Offen bleibt,
       für wen. Der „Jail-Walk“ ist ein sandiger Laufsteg zwischen zwei meterhohen
       Maschendrahtzäunen. Innen: die „Mädchen“. Außen: die „Häftlinge“. Die sind
       zwar Schauspieler, doch das macht die Situation nicht weniger verwerflich.
       
       Animalisch, außer sich, springen sie auf und ab, klettern an den Zäunen
       hoch und brüllen den Teilnehmerinnen sexistischen Müll zu: „Hey, you smell
       good!“ oder „I got what you want!“ Um die stumpfen Stereotypen zu
       vervollständigen, entschieden die ProgrammmacherInnen, dass die „Häftlinge“
       in Gefängnis-Kleidung auftreten, die sehr an die Overalls der Häftlinge im
       US-Amerikanischen Gefangenenlager Guantanamo Bay erinnert. So wird medial
       das Bild des wahlweise muslimischen oder schwarzen Triebtäters
       reproduziert. Die meisten „Mädchen“ der Show sind weiß. Unbeirrt von den
       muskelbepackten Schauspielern laufen diese dann den Spießrutenlauf zum
       Jüngsten Gericht, personifiziert durch Heidi Klum und ihre zwei Juroren.
       
       Im sexistischen Narrativ gefangen, lassen sich diese eine kurze Bewertung
       ihrer „Häftlinge“ nicht nehmen: „Ach, ich hab mir ein paar angeguckt, so
       schlecht sahen die gar nicht aus.“
       
       ## Orange Overalls und weiße Zwangsjacken
       
       Auch modisch beweist die Show erwartbare Pietätlosigkeit. Die einen müssen
       Kleider tragen, die farblich an das Orange der Overalls amerikanischer
       Justizvollzugsanstalten erinnern. Die anderen bekommen Zwangsjacken. Ja,
       Zwangsjacken: irgendwo zwischen den Outfits von Anthony Hopkins in „Das
       Schweigen der Lämmer“ und Mila Jovovich in „Das fünfte Element“. Heidi Klum
       selbst wählt ein strenges schwarzes Lederoutfit. Es fehlen nur die Hunde,
       um die eigene Machtbesessenheit pointierter darzustellen.
       
       Seit inzwischen zwölf Jahren [1][fördert GNTM gestörte Selbstwertgefühle
       und dramatische Essstörungen]. Ein Hamsterrad aus Sexismus und
       Schönheitswahn, das sich stumpf erfolgreich weiterdreht: gemütlich
       Sozialvoyeurismus von der heimischen Couch. Draußen ist es eh zu
       gefährlich, so vermitteln es zumindest die beschriebenen Bilder der
       aktuellen Folge.
       
       Verachtenswerte Narrative vom offenen Sexismus bis zum versteckten
       Rassismus dringen in der neuesten GNTM-Folge teils halbsatzartig durch.
       Denn hängen bleiben folgende Bilder: Der triebgesteuerte Mann will der
       schönen Frau an die Wäsche. Ach, und Insassen von Gefängnissen denken eh
       den ganzen Tag an Sex, logisch.
       
       23 Mar 2018
       
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