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       # taz.de -- Datenskandal um Facebook und PR-Firma: Durchsuchung bei Cambrige Analytica
       
       > Die britische Datenschutzbehörde durchsucht die Büros der Beratungsfirma.
       > Die EU-Justizkommissarin will von Facebook wissen, wie europäische Nutzer
       > betroffen sind.
       
   IMG Bild: Nach der Durchsuchung bei Cambrige Analytica verlässt ein Van die Garage des Gebäudes, in dem sich die Büros befinden
       
       London/Berlin dpa | Im Skandal um die Nutzung von Facebook-Daten für den
       US-Wahlkampf wächst der Druck auf das soziale Netzwerk und die
       Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica. Die britische Datenschutzbehörde
       ICO ließ in der Nacht zum Samstag die Londoner Zentrale des
       Beratungsunternehmens durchsuchen, das unter Verdacht steht, Millionen
       US-Amerikaner mit Hilfe unrechtmäßig gesammelter Nutzerdaten gezielt mit
       verbotener Wahlwerbung für Donald Trump beeinflusst zu haben. Derweil
       kehren erste Unternehmen dem weltgrößten Online-Netzwerk Facebook zumindest
       zeitweise den Rücken – etwa der Elektroauto-Hersteller Tesla und die
       Raumfahrt-Firma SpaceX.
       
       [1][Die Bundesregierung hat die europäische Facebook-Spitze für diesen
       Montag zum Gespräch gebeten]. Die Londoner Behörden ermitteln einem Bericht
       des Guardian zufolge auch in der Frage, ob Cambridge Analytica bei der
       Volksabstimmung über den Brexit, also den EU-Austritt Großbritanniens, eine
       Rolle gespielt hat. Berichten zufolge verschafften sich 18 ICO-Mitarbeiter
       am Freitagabend Zugang zur Firmenzentrale. Man werde nun Beweise sichern,
       auswerten und bewerten, bevor Schlüsse gezogen würden, hieß es in einer
       Mitteilung.
       
       Unterdessen fordert EU-Justizkommissarin Vera Jourová Facebook wegen des
       Datenskandals zur Klärung auf. „Ich verlange von Facebook weitere
       Klarstellungen, etwa inwieweit europäische Nutzer betroffen sind“, sagte
       Jourová der Bild am Sonntag. Nach Angaben der Zeitung will die
       Justizkommissarin die Geschäftsführung von Facebook per Brief zu einer
       Stellungnahme auffordern. Das Schreiben an Sheryl Sandberg soll demnach am
       Montag verschickt werden.
       
       ## Spekulationen über Einflussnahme auf Brexit-Abstimmung
       
       Die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica will mit seiner Datenauswertung
       zum Sieg Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 wesentlich
       beigetragen haben. Eine ehemalige Mitarbeiterin der Beratungsfirma sagte
       dem Guardian, Cambridge Analytica habe mit der Kampagne auch eine Kampagne
       zum EU-Austritt, Leave.EU, zusammengearbeitet, das aber später
       abgestritten. Einer der Mitgründer der Kampagne, Richard Tice, sagte der
       BBC, die Firma habe ihre Dienste zwar angeboten, man habe sie aber nicht
       engagiert.
       
       Cambridge Analytica war heftig unter Druck geraten, nachdem sein
       Geschäftsführer Alexander Nix [2][vor versteckter Kamera mit Versuchen zur
       Erpressung von Wahlkandidaten geprahlt hatte]. Seine Firma könne „Mädchen
       zum Haus des Kandidaten schicken“, sagte er. Ein Reporter des britischen
       Senders Channel 4 hatte sich für den Vertreter eines potenziellen reichen
       Kunden ausgegeben, der für den Erfolg mehrerer Kandidaten bei einer Wahl in
       Sri Lanka sorgen wolle. [3][Nix wurde daraufhin suspendiert].
       
       Das Unternehmen war am vergangenen Wochenende von Facebook ausgesperrt
       worden. Cambridge Analytica habe unrechtmäßig erhaltene Nutzerdaten
       entgegen früheren Zusicherungen nicht gelöscht, erklärte das Netzwerk zur
       Begründung. Die Datenanalyse-Firma soll sich von einem App-Entwickler
       unberechtigt Zugang zu einigen Informationen von rund 50 Millionen
       Facebook-Nutzer besorgt haben.
       
       Facebook wusste seit 2015 davon, gab sich aber mit der Zusicherung
       zufrieden, dass die Daten gelöscht worden seien. Die Nutzer wurden nicht
       informiert, was Facebook inzwischen als Fehler bezeichnet und nachholen
       will. Gründer und Chef Mark Zuckerberg betonte, dass die
       Software-Schnittstellen, die einer Umfrage-App einen so breiten Zugriff auf
       Nutzerdaten überhaupt möglich machten, bereits 2014 dichtgemacht worden
       seien. Die US-Verbraucherschutzbehörde Federal Trade Commission (FTC)
       leitete nach Informationen der Washington Post eine Untersuchung gegen
       Facebook ein.
       
       Das Image des Netzwerks leidet unter dem Skandal. In der Nacht zum Samstag
       gingen die Facebook-Seiten des Elektroauto-Herstellers Tesla und der
       Raumfahrt-Firma SpaceX vom Netz, wohl auf Veranlassung des Chefs der beiden
       Unternehmen, Elon Musk. Bereits zuvor kündigte Mozilla, der Entwickler des
       Web-Browsers Firefox, an, keine Werbung mehr auf Facebook zu platzieren,
       bis es Datenschutz-Einstellungen verbessere. Der Anbieter vernetzter
       Lautsprecher Sonos stoppt für eine Woche die Online-Werbung nicht nur bei
       Facebook, sondern auch bei der Foto-Plattform Instagram, Google und
       Twitter.
       
       Facebook versuche nun, hinter den Kulissen Werbeagenturen zu beruhigen und
       ihnen zu versichern, dass die Daten ihrer Kunden sicher seien, berichtete
       das Wall Street Journal unter Berufung auf informierte Personen. Das
       Online-Netzwerk mit über zwei Milliarden Nutzern verdient praktisch sein
       gesamtes Geld mit Werbeanzeigen.
       
       Im Netzwerk Twitter macht seit Tagen der Hashtag „[4][#deletefacebook]“
       („lösche Facebook“) die Runde. Er wurde auch von WhatsApp-Mitgründer Brian
       Acton aufgegriffen, der seine Messaging-App einst für rund 22 Milliarden
       Dollar an Facebook verkauft hatte und bis vor kurzem dort auch beschäftigt
       war.
       
       Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik,
       Arne Schönbohm, fordert Konsequenzen. Das Beispiel zeige, „dass der Schutz
       in der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen noch höherer Qualität
       bedarf“, sagte Schönbohm der Rheinischen Post. Die Möglichkeit einer
       Beeinflussung von Wahlen in Deutschland sieht er nach eigenem Bekunden
       nicht: „Wir haben in Deutschland im Vorfeld vergangener Bundestags- und
       Landtagswahlen Schutzmaßnahmen ergriffen, um Datenmissbrauch, wie er im
       Zuge der US-Wahl erfolgt sein soll, zu vermeiden.“
       
       25 Mar 2018
       
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