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       # taz.de -- Zehnte Staffel der US-Drag-Show: Queen, please!
       
       > Die Kult-Dragshow „RuPauls Drag Race“ ist in die 10. Staffel gestartet.
       > Nach jüngsten Kontroversen stellen sich die Fans neue Fragen.
       
   IMG Bild: RuPaul (Mitte) und die Jury, darunter als Gast der ersten Folge Christina Aguilera (rechts)
       
       „RuPaul's Drag Race“ ist auf seinem Höhepunkt. Gerade hat die US-Dragshow
       den Wechsel vom Spartensender Logo TV zu VH1 vollzogen, jetzt ist die
       zehnte Staffel gestartet – und sie macht Spaß. Doch zehn Jahre nach der
       ersten Staffel reicht Selbstreferenz als Erkennungszeichen allein nicht
       mehr aus.
       
       „Wir werden nackt geboren, der Rest ist Drag“. So brachte Drag-Ikone RuPaul
       einst auf den Punkt, dass Gender im Alltag erst „konstruiert“ wird – durch
       Kleidung, Mimik und andere Körpertechniken. Drag als Bühnenkultur setzt
       diese Merkmale durch Übertreibung in Szene, zelebriert sie und kehrt
       gleichzeitig ihren theatralischen Gehalt heraus.
       
       RuPauls Reality-TV Sendung „RuPaul’s Drag Race“ hat diese queere
       Kulturpraxis ins Mainstream-Fernsehen gebracht. Drag-Queens treten
       gegeneinander für die Krone und 100.000 Dollar an. Sie müssen dabei
       Runway-Outfits gestalten und „Challenges“ gewinnen: zu ihren Aufgaben
       gehören kleine Sketche, Live-Performances und Musikvideos. Wer am wenigsten
       überzeugen kann, scheidet aus.
       
       Das besondere an der Show: Auch wenn die Queens Konkurent*innen sind,
       verstehen sie sich als Teil einer großen Wahlfamilie, helfen sich
       gegenseitig beim Nähen und sprechen über politische Themen wie AIDS,
       Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und Polizeigewalt. Nach der Show gehen
       alle gemeinsam auf Tour (aktuell: [1][„Werq the World“], die im Mai nach
       Deutschland kommt). Nicht nur Fans lieben Drag Race, auch die Stars reißen
       sich um die Gästeplätze in der Jury: LaToya Jackson, Chloë Sevigny,
       Margaret Cho, Beth Ditto, Regina King, Lady Gaga.
       
       ## Wer darf „Queen“ sein?
       
       Zum 10. Jubiläum der Sendung gibt es einen neuen Work Room und neue,
       glänzende Trophäen. Vor einer Riege von Queens aus vorangegangenen Staffeln
       mussten die neuen Kandidat*innen in der ersten Folge der 10. Staffel auf
       dem Laufsteg tanzen und wieder mal unter dem Motto „Drag on a Dime“ ein
       Outfit aus Materialien aus dem 1. Euro-Shop zusammenstellen. Mayhem Miller
       gewinnt mit einem Kleid aus schwarzen Mülltüten.
       
       In der ersten Folge tritt auch Christina Aguilera in Drag auf – ist
       Travestie damit also für alle offen, auch für heterosexuelle Popstars? Die
       Frage stellt sich, weil RuPaul vor wenigen Wochen für ihre Kommentare über
       Trans*frauen bei Drag Race [2][in die Kritik geraten ist].
       
       In einem Interview mit dem Guardian hatte RuPaul bezweifelt, ob
       post-operative Trans*frauen noch an der Show teilnehmen könnten – und hatte
       später auf Twitter Hormoneinnahme mit Doping verglichen. Drag verliere an
       Schlagkraft, wenn auch „Frauen“ bei der Reality-Show antreten würden, sagte
       RuPaul.
       
       Peppermint, die als Transfrau in der 9. Staffel den zweiten Platz belegt
       hatte, reagierte mich Kritik. Es sei politisch fragwürdig, Frausein immer
       wieder auf Körperteile zu reduzieren. Nicht alle Trans*Menschen würden
       Operationen anstreben, und nicht alle könnten sie sich leisten. Drag, so
       Peppermint, sei „die Hervorhebung von Gender zum Zweck der Performance.“
       Auch Cher sei eine Drag Queen.
       
       Dass auch Trans*frauen die Geschlechterordnung subvertieren und Drag als
       Mittel dazu nutzen, verlor RuPaul offenbar aus dem Blick. Fans und
       ehemalige Queens, darunter einige Trans*Queens der Show, protestierten.
       RuPaul entschuldigte sich später auf Twitter: „Jeden morgen bete ich, dass
       ich alles was ich zu wissen glaube, beiseite lassen kann, um offen zu sein
       und neue Erfahrungen zu machen. Ihr seid meine Lehrer*innnen“, schrieb sie.
       
       Die Diskussion verläuft also produktiv. Es ist nämlich die Solidarität, die
       die Sendung von anderen Reality-Formaten unterscheidet und sie ist auch,
       was der Diskussion um die Deutungshoheit über Drag nur gut tun kann. Die
       10. Staffel war vor dem Trouble des letzten Monats bereits abgedreht. Für
       die 11. Staffel aber ist alles offen: Vielleicht spiegelt ja die nächste
       Zusammensetzung die Lerneffekte wieder, die in RuPauls Entschuldigung
       angeklungen sind.
       
       27 Mar 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://vimeo.com/246610427
   DIR [2] /Eklat-um-Drag-Ikone-RuPaul/!5490308
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Noemi Molitor
       
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