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       # taz.de -- Ausgebremste Energiewende: Deutschland verschläft Solartrend
       
       > Die Photovoltaik legte weltweit im letzten Jahr um fast 100 Gigawatt zu.
       > Doch die Internationale Energieagentur blockiert Fortschritte.
       
   IMG Bild: Strahlende Zukunft. China zählt zu den Marktführern bei den Regenerativen
       
       Die Nutzung erneuerbarer Energien schreitet weltweit rasant voran. Rund 60
       Prozent der Kraftwerkskapazitäten, die im Jahr 2017 zugebaut wurden,
       entfielen auf die Regenerativen. Das geht aus einer Studie hervor, die der
       Informationsdienstleister Bloomberg New Energy Finance zusammen mit der
       Frankfurt School of Finance & Management am Donnerstag vorstellte.
       
       An der Spitze steht demnach die Photovoltaik, deren globale Kapazität im
       vergangenen Jahr um 98 Gigawatt ausgebaut wurde, gefolgt von der Windkraft
       mit 52 Gigawatt. Um sich diese Leistung vorzustellen: Ein
       durchschnittliches Kernkraftwerk schafft etwa ein Gigawatt – also eine
       Milliarde Watt. Die Kohle legte im gleichen Zeitraum nur um 35 Gigawatt zu,
       wobei jeweils stillgelegte Kraftwerke bereits abgezogen sind.
       
       Allein China tätigte 45 Prozent der weltweiten Investitionen im Sektor der
       Erneuerbaren und baute 53 Gigawatt Photovoltaik neu auf. So überholte die
       global installierte Solarleistung im vergangenen Jahr die Atomkraft,
       nachdem die Windkraft das bereits 2014 geschafft hatte. Allerdings ist
       dabei zu berücksichtigen, dass ein Gigawatt aus Wind- oder Solarkraftwerken
       im Jahr nicht so viel Strom erzeugen kann wie ein Gigawatt aus Atom- oder
       Kohlekraft. Windkraftanlagen auf See erzeugen übers Jahr an guten
       Standorten im Durchschnitt etwa 40 Prozent, an Land über 20 Prozent ihrer
       Nennleistung. Photovoltaik liegt in Deutschland zumeist bei zehn bis zwölf
       Prozent.
       
       Zeitgleich mit dem [1][Report der Frankfurt School] stellten gestern auch
       die Beratungsfirma [2][Oil Change International] und das Institute for
       Energy Economics and Financial Analysis einen Bericht vor, der zeigt, wie
       die Internationale Energieagentur (IEA) alljährlich in ihren Szenarien die
       Dynamik der Energiewende unterschätzt. Damit, so die Autoren, verleite die
       IEA als einflussreichste internationale Agentur, die Regierungen zu
       energiepolitischen Entscheidungen, die den Zielen des Pariser
       Klimaabkommens entgegen stehen.
       
       ## Atemberaubender Preisverfall bei Solarstrom
       
       Speziell beim Thema Photovoltaik (PV) stellt die IEA in ihrem jährlich
       erscheinenden World Energy Outlook stets Prognosen an, die bestenfalls den
       aktuellen Zubau fortschreiben. In der Realität jedoch werden die
       Vorhersagen der IEA Jahr für Jahr deutlich überschritten. Bereits heute ist
       weltweit eine PV-Leistung am Netz, wie sie die IEA noch im Jahr 2010 erst
       für 2035 erwartet hatte.Angesichts des weltweiten Solarbooms ist die
       Entwicklung in Deutschland ernüchternd.
       
       Ausgerechnet in dem Land, das nach der Jahrtausendwende mit viel Geld dafür
       sorgte, dass die Photovoltaik marktfähig wurde, stockt der weitere Zubau.
       In den Jahren 2010 bis 2012 waren in Deutschland noch jeweils mehr als
       sieben Gigawatt neu installiert worden, im vergangenen Jahr waren es nur
       noch knapp 1,8 Gigawatt. Nachdem die Kilowattstunde Solarstrom einen
       atemberaubenden Preisverfall vollzogen hat, scheitert die Nutzung des
       Stroms vom eigenen Dach in Deutschland heute oft an den komplizierten
       Rahmenbedingungen.
       
       In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 35 Prozent weniger in erneuerbare
       Energien investiert als im Jahr zuvor. Allerdings hängt das zum Teil auch
       damit zusammen, dass vor allem bei der Photovoltaik die gleiche Leistung
       von Jahr zu Jahr billiger zu haben ist. In den Vereinigten Staaten gingen
       die Investitionen um sechs Prozent zurück, während sie in China um 31
       Prozent zulegten, im Nahen Osten und Afrika um 11 Prozent. Den prozentual
       größten Zuwachs erzielte Mexiko mit einem Plus von mehr als 800 Prozent,
       Schweden und Australien steigerten ihre Investitionen auf mehr als das
       Doppelte.
       
       Dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht mehr zuvorderst auf hohen
       Subventionen basiert, geht übrigens auch aus dem jüngsten Jahresbericht der
       IEA hervor. Denn verglichen mit den Regenerativen fließt das Geld für
       fossile Energien noch weitaus üppiger: Weltweit seien zuletzt rund 260
       Milliarden Dollar pro Jahr ausgegeben worden, die „einer verschwenderischen
       Nutzung fossiler Brennstoffe Vorschub leisten“, heißt es bei der IEA. Diese
       Subventionen seien „fast doppelt so hoch wie die, die derzeit in den Ausbau
       erneuerbarer Energien fließen“.
       
       6 Apr 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://fs-unep-centre.org/publications/global-trends-renewable-energy-investment-report-2018
   DIR [2] http://priceofoil.org/2018/04/04/release-international-energy-agency-is-holding-governments-back-on-climate-policy/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernward Janzing
       
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