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       # taz.de -- Mord im Berliner Tiergarten: Prozess beginnt
       
       > Ein 18 Jahre alter Tschetschene muss sich für die Tötung der
       > Kunsthistorikerin Susanne F. verantworten. Der Fall hatte großes Aufsehen
       > erregt.
       
   IMG Bild: Die Zelte im Tiergarten sind beseitigt. Obdachlosigkeit in der Stadt gibt es weiter
       
       Berlin taz | Nahezu jeder kennt den Weg vom Bahnhof Zoo zum Schleusenkrug
       im Tiergarten. Orte, an denen eine Frau Gefahr laufen könnte, überfallen zu
       werden, stellt man sich anders vor. Auch nach Einbruch der Dunkelheit
       herrscht auf dem gepflasterte Fußweg entlang der Bahntrasse ein reger
       Publikumsverkehr.
       
       Als sich herausstellte, dass die 60-jährige Kunsthistorikerin Susanne F.
       im September 2017 auf jenem Wegabschnitt einem Verbrechen zum Opfer
       gefallen ist, war die öffentliche Betroffenheit groß. Am morgigen Mittwoch
       beginnt im Kriminalgericht Moabit der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter.
       
       Angeklagt wegen Mordes und Raubes mit Todesfolge ist der 18-jährige Ilyas
       A. Der aus Tschetschenien stammende russische Staatsbürger war schon vor
       der Tat polizeibekannt. Und nicht nur das. Nach der Verbüßung einer
       Jugendstrafe sollte er eigentlich abgeschoben werden. Es hatte mehrere
       Anläufe gegeben. Gescheitert ist das Unterfangen nach Angaben von
       Innensenator Andreas Geisel (SPD) zuletzt – im Sommer 2017 – daran, dass A.
       in Parks lebte und sein Aufenthaltsort unbekannt war.
       
       Zwei Monate nach der Tat hatte Geisel im Innenausschuss des
       Abgeordnetenhauses zu dem Fall Stellung genommen. CDU, AfD und FDP hatten
       den Mord zum Anlass genommen, dem rot-rot-grünen Senat vorzuwerfen, nicht
       genug Abschiebungen vorzunehmen.
       
       ## Von Dassel räumte im Tiergarten auf
       
       Vor allem waren es aber die im Tiergarten campierenden Obdachlosen, die
       seinerzeit die Auswirkungen des Mordes zu spüren bekamen. Der
       Bezirksbürgermeister von Mitte, Stephan von Dassel (Grüne), führte nach der
       Tat mit Polizei und Ordnungsamt eine große Aufräumaktion im Tiergarten
       durch.
       
       Geräumt wurden dabei nicht nur die Nachtlager in den Büschen, auch die
       Bewohner des Zeltdorfs an der Bahntrasse mussten packen. Die Verwahrlosung
       des Parks werde von Monat zu Monat schlimmer, die Obdachlosen würden
       zunehmend aggressiver, so von Dassel damals. Ob und, wenn ja, wie lange A.
       unter den Obdachlosen im Tiergarten gelebt hat, wird sich möglicherweise im
       Prozess zeigen.
       
       Susanne F. war am 5. September gegen 22 Uhr auf dem Weg vom Schleusenkrug
       zur U-Bahn. Ihre Leiche wurde erst drei Tage später von der Polizei im
       Gebüsch neben dem Weg gefunden. Laut Justizsprecher Raphael Neef geht die
       Staatsanwaltschaft davon aus, dass F. ein Handy und mindestens zwei Euro
       entwendet wurden. Auf die Spur gekommen seien die Ermittler A., weil dieser
       versucht habe, das Handy anzustellen. Die Auswertung der Funkdaten habe
       ergeben, dass der Tatverdächtige in Polen sei. In der Nähe von Warschau
       wurde der Mann eine Woche nach der Tat festgenommen.
       
       Im Herbst 2014 war A. als 15-Jähriger allein nach Berlin zurückgekehrt,
       nachdem er zwei Jahre zuvor mit seiner Familie nach Polen abgeschoben
       worden war. Er war 16, als er wegen Raubüberfällen auf hochbetagte
       Rentnerinnen zu einer eineinhalbjährigen Jugendstrafe verurteilt wurde. Im
       Dezember 2016 war er aus der Haft entlassen worden. Die geplante
       Abschiebung des Minderjährigen scheiterte an Formalitäten. Späteren
       Aufforderungen zur Ausreise war er nicht nachgekommen.
       
       Der Prozess vor einer Jugendstrafkammer ist bis Juni terminiert.
       
       26 Mar 2018
       
       ## AUTOREN
       
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