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       # taz.de -- #NotTooYoungToRun-Aktion in Nigeria: Eine junge Politik für ein junges Land
       
       > Mehr als zwei Drittel der knapp 200 Millionen Einwohner Nigerias sind
       > jünger als 30. Zu Wahlen antreten dürfen sie nicht. Aktivisten wollen das
       > ändern.
       
   IMG Bild: Der 75-jährige Präsident Buhari will sich nächstes Jahr wiederwählen lassen
       
       ABUJA taz | Die großen Plakate mit Präsident Muhammadu Buhari werden in
       Nigerias Hauptstadt Abuja immer mehr. Mal heißt es: „Why I stand with
       Buhari“, mal „Re-Election 2019“. Zwar wird erst im Februar 2019 ein neuer
       Präsident gewählt. Doch der Kampf um das höchste Amt hat längst begonnen.
       Am Montag gab der 75-Jährige seiner Partei APC (All Progressives Congress)
       bekannt, er wolle zur Wiederwahl antreten.
       
       Doch über zwei Drittel der gut 190 Millionen Nigerianer sind jünger als 30.
       Viele der Kandidaten, die sich 2019 um das höchste Staatsamt schlagen
       wollen, könnten ihre Großväter sein, die seit Jahrzehnten Spitzenpositionen
       bekleiden oder aus Politikerfamilien stammen, in denen Ämter weitergereicht
       werden.
       
       Simon Obi hat davon die Nase voll. Der 27-Jährige ist Direktor der
       „Greenlight Initiative“, die für gesellschaftlichen Wandel kämpft. „Wir
       fordern Inklusion“, sagt er, hält in der Hand eine nigerianische Flagge und
       zeigt auf das Logo seines weißen T-Shirts. Darauf steht „I Support
       #NotTooYoungToRun“. Seine Organisation ist eine von mehr als 50, die einen
       Gesetzentwurf unterstützt, der seit einem Jahr in Nigeria Furore macht. Das
       Mindestalter für Präsidentschaftskandidaten soll von 40 auf 35 Jahre
       sinken, das für Parlamentskandidaten von 30 auf 25.
       
       Die Chancen stehen gut, da beide Parlamentskammern bereits zugestimmt
       haben. Auch auf Länderebene gibt es große Unterstützung. Es fehlt jedoch an
       der Unterschrift von Präsident Buhari. Mitte März hat auch Obi in Abuja für
       diese demonstriert und war dabei, als Vertreter von Yiaga (Youth Initiative
       for Advocacy Growth and Advancement), die den Protest koordiniert, ein
       Schreiben an einen Regierungsvertreter übergaben. Dokumentiert wird all das
       mit unzähligen Selfies.
       
       ## Rund 62 Prozent der 15- bis 24-Jährigen sind arbeitslos
       
       Obi begründet sein Engagement so: „In einem Land, in dem nicht alle in die
       Politik eingebunden werden, kann es zu Gewalt kommen. Mit dem Gesetz soll
       Demokratie gestärkt und etwas gegen Ungleichheit getan werden.“ Viele junge
       Nigerianer sehen das ähnlich. Eine Frau, die in seiner Nähe steht, erzählt,
       dass sie 1984 geboren wurde. Damals war Präsident Buhari schon einmal als
       Militärherrscher an der Macht. Inzwischen ist die Frau 33, und Buhari ist
       wieder Präsident.
       
       Egal, mit wem man in Nigeria spricht: Junge Menschen fühlen sich abgehängt
       – nicht nur in ländlichen Regionen, sondern auch in den Großstädten. Selbst
       mit guter Ausbildung sind die Jobaussichten schlecht. Das nationale
       Statistikamt schätzte vergangenes Jahr, dass knapp 62 Prozent der 15- bis
       24-Jährigen arbeitslos oder nur geringfügig beschäftigt sind. Nachhaltige
       und ernsthafte Initiativen von Politikern, um mehr Chancen für die Jugend
       zu schaffen, bleiben aus.
       
       „Menschen müssen unkonventionell denken“, sagt Uche Chuta. Über die
       Einfallslosigkeit zahlreicher Amtsinhaber ärgerte sich der heute 39-Jährige
       vor einigen Jahren so sehr, dass er 2015 bei der Gouverneurswahl im
       Bundesstaat Abia antrat. Er war einer der jüngsten Kandidaten in ganz
       Nigeria. Er verließ die damals regierende Peoples Democratic Party (PDP)
       und wurde von der United Democratic Party (UDP) aufgestellt. Im Wahlkampf
       erlebte er, dass junge Bewerber oft isoliert sind.
       
       ## Sich aufstellen zu lassen ist langwierig und teuer
       
       Die Wahl verlor er. Seine Erfahrungen möchte Chuta in den kommenden Monaten
       an Nachwuchspolitiker weitergeben, damit sie daraus lernen.Jungpolitiker in
       Nigeria stehen oft aber noch vor ganz anderen Problemen. Es ist ein
       langwieriger und teurer Prozess, überhaupt von einer Partei als Kandidat
       aufgestellt zu werden. Die Rechtsanwältin Ayisha Osori hat ihren Versuch,
       PDP-Kandidatin für das Repräsentantenhaus bei den Wahlen 2015 zu werden, im
       Buch „Love Does Not Win Elections“ aufgezeichne. Sie beschreibt darin
       zahlreiche parteiinterne Hindernisse.
       
       #NotTooYoungToRun ist also keine Garantie, dass Kandidaten tatsächlich
       jünger werden und mehr Chancengleichheit herrscht. Für Simon Obi hat die
       Initiative trotzdem viel erreicht, sogar ohne Buharis Unterschrift: „Sie
       vereint die Jugend.“ Tatsächlich hat es überall im Land Demonstrationen für
       #NotTooYoungToRun gegeben. Obi bleibt deshalb optimistisch: „Wir werden
       2019 die Welt schocken und einen Jugend-Präsidenten wählen. Wir sind doch
       alle der PDP, des APC und welcher Partei auch immer überdrüssig.“
       
       10 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Katrin Gänsler
       
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