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       # taz.de -- Resettlement-Plan für Flüchtlinge: Israel setzt Vereinbarung aus
       
       > Premier Netanjahu wollte mithilfe des UNHCR afrikanische Einwanderer in
       > andere Länder umsiedeln. Nun hat er es sich doch anders überlegt.
       
   IMG Bild: Netanjahu überlegt es sich anders
       
       Jerusalem taz | Die Option einer Verschickung von rund 20.000 Geflüchteten
       in Israel nach Ruanda oder alternativ dazu die unbegrenzte Haft ist vom
       Tisch. Die Abschiebepläne von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und
       Innenminister Arie Deri scheiterten am Obersten Gericht in Jerusalem, das
       die Aufnahmebereitschaft eines Drittlandes zur Bedingung machte. Ruanda
       wiederum setzte die Freiwilligkeit der Flüchtlinge voraus. Israel sei nun,
       so erklärte Netanjahu am Montag Nachmittag in einer Pressekonferenz, mit
       dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) zu einer Einigung gekommen, dass
       innerhalb der kommenden fünf Jahre „16.250 Personen von westlichen Staaten,
       wie Kanada und Deutschland“ aufgenommen werden, und die gleiche Anzahl von
       Geflüchteten eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Israel erhalten
       sollen.
       
       Die überraschende Ankündigung stieß auf so großen Unmut bei den
       Koalitionspartnern, dass Netanjahu schon wenige Stunden später das Abkommen
       aussetzte. Im Gespräch mit seinen Koalitionspartnern und Anwohnern
       Süd-Tel-Avivs will er in Kürze zu einer allgemein befriedigenden
       Entscheidung kommen.
       
       Auch in Berlin schien die Überraschung groß. Eine Anfrage, in Israel
       lebende Flüchtlinge „in Deutschland aufzunehmen“, sei dem Bundesministerium
       für Inneres „nicht bekannt“, hieß es in einer Stellungnahme. Allerdings sei
       Deutschland „seinen humanitären Verpflichtungen in den letzten Jahren, u.a.
       durch die Aufnahme von Resettlement-Flüchtlingen immer umfassend
       nachgekommen und wird das auch in Zukunft tun“. Netanjahu räumte später
       ein, Deutschland „nur als Beispiel für westliche Länder“ genannt zu haben.
       Die Verantwortung, endgültige Abkommen auszuhandeln, läge bei den UN.
       
       Anfang Januar hatte die israelische Regierung über eine schrittweise
       Ausweisung der ungebetenen Gäste entschieden, die aufgefordert waren, sich
       zwischen der „freiwilligen Ausreise“ und einer unbefristeter Gefängnishaft
       zu entscheiden. Das umstrittene Prozedere zielte zunächst nur auf
       alleinstehende Männer, die mit einer Prämie in Höhe von 3.500 US-Dollar
       gelockt werden sollten und mit einem One-Way-Ticket in die Ungewissheit.
       Insgesamt leben gut 40.000 in Israel offiziell als „Infiltranten“
       bezeichnete Menschen, die zumeist aus Eritrea und dem Sudan stammen,
       darunter 5000 Kinder. Einige der Afrikaner sind bereits soweit integriert,
       dass das Innenministerium aktuell Lösungen für nur noch 32.500 Menschen
       sucht.
       
       Die zunächst mit dem UNHCR getroffene Vereinbarung sieht eine seltsame
       1:1-Regelung vor. Für jeden Geflüchteten, der in ein westliches Land
       geschickt wird, soll jeweils ein anderer in Israel bleiben dürfen. „Ich
       entscheide, wo sie hinkommen“, erklärte Innenminister Deri während der
       Pressekonferenz. Die in Israel verbleibenden Flüchtlinge sollen auf das
       gesamte Land verteilt werden. [1][Derzeit lebt ein Großteil von ihnen in
       ärmlichen Vierteln im Süden Tel Avivs.] Der Innenminister zeigte sich
       deutlich frustriert über den Obersten Gerichtshof. Dieser vereitelte den
       Abschiebeplan und hatte überdies in der Vergangenheit für Haftbegrenzungen
       in dem Lager Holot, das er einen „netten Erholungsort“ nannte, gesorgt. Ein
       geregeltes Asylverfahren strebt Deri offenbar nicht an.
       
       ## Ruanda bestreitet Abkommen mit Israel
       
       Auch Netanjahu bedauerte, von seinem ursprünglichen Plan abweichen zu
       müssen. „Wir fanden ein Drittland, das bereit ist, die Leute aufzunehmen“,
       erklärte er. Allerdings habe dieses Land „dem Druck nicht standgehalten“
       und die getroffene Vereinbarung aufgekündigt. Über Wochen war in Israel von
       einem „geheimen Vertrag“ die Rede. Tatsache ist, dass Ruanda wiederholt
       zwar grundsätzlich Bereitschaft zur Aufnahme der Menschen signalisierte,
       allerdings nur, wenn sie freiwillig kommen. „Ruanda wird niemals einen
       afrikanischen Migranten aufnehmen, der gegen seinen Willen abgeschoben
       wird“, twitterte der stellvertretende Außenminister Olivier Nduhungirehe
       bereits vor zwei Monaten. Die Vorwürfe Netanjahus stießen in Kigali auf
       einigen Unmut. „Es hat nie ein Abkommen mit Israel gegeben“, erklärte
       Nduhungirehe in der Nacht zu Dienstag und kündigte „eine Reaktion“ Ruandas
       an.
       
       Auch einige von Netanjahus Parteifreunden und Koalitionspartnern
       signalisierten Klärungsbedarf. Bildungsminister Naftali Bennett, Chef der
       Siedlerpartei Habait Hajehudi, sprach von einer „gefährlichen Botschaft“,
       die Israel an die Welt schicke. „Wem es gelingt, illegal nach Israel
       einzudringen“, so twitterte er, der werde „belohnt“ mit einer
       Aufenthaltsgenehmigung in Israel oder in einem westlichen Land. Der
       Likud-Abgeordnete Oren Chasan kritisierte die „Kapitulation“ Netanjahus.
       „Ein bisschen öffentlicher Druck, und schon gibt diese `starke´ Regierung
       klein bei.“
       
       Je näher der Stichtag 1. April für die Zwangsvertreibung rückte, desto
       stärker regt sich der Protest dagegen. Tausende Migranten zogen vor die
       Knesset (Parlament) in Jerusalem und vor die Botschaft von Ruanda. Einige
       Männer legten sich Ketten auf die nackten Oberkörper und simulierten einen
       Sklavenmarkt. El-Al-Piloten wollten den Transport der Menschen ins
       Ungewisse verweigern, und renommierte Autoren, darunter Amos Oz und David
       Grossman, appellierten an die Regierung, „moralisch, menschlich und mit
       Mitgefühl“ zu handeln.
       
       Menschenrechtsaktivisten kündigten an, die Leute bei sich zu Hause zu
       verstecken. Innenminister Deri will sich die Bereitschaft der Israelis zu
       Nutzen machen und rief am Dienstag dazu auf, bei der Integration derer, die
       in Israel bleiben sollen, zu helfen.
       
       3 Apr 2018
       
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