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       # taz.de -- Datensammlung über linke Szene: Polizei gesteht Rechtsbruch ein
       
       > Die Göttinger Polizei erkennt die Rechtswidrigkeit jahrelanger
       > Datensammlung über linke Aktivist*innen an, umgeht damit aber eine
       > Aufklärung.
       
   IMG Bild: Jahrelang illegal im Visier der Datensammler: linke Aktivist*innen
       
       GÖTTINGEN taz | Ein Eingeständnis ohne Aufklärung geleistet zu haben: Die
       Göttinger Polizeidirektion hat jetzt im Rahmen von diversen Klageverfahren
       die Rechtswidrigkeit ihrer massenhaften Datenerhebung über
       Linksaktivist*innen in der südniedersächsischen Unistadt anerkannt.
       
       Gegenüber dem Verwaltungsgericht Göttingen erklärte sie in einem Schreiben,
       dass die Datensammlung formell rechtswidrig gewesen war. Über mehrere Jahre
       hinweg stapelten sich in Ordnern des Staatsschutzkommissariats Daten über
       Aktivist*innen.
       
       Rechtsanwalt Sven Adam, der Betroffene gerichtlich vertritt, ist trotz des
       Eingeständnisses nicht zufrieden. „Wir hätten durch einen weiteren
       Verfahrensverlauf gerne mehr über die Hintergründe dieser absurd großen
       Datensammlung erfahren“, sagt er.
       
       Mindestens bis ins Jahr 2016 verfügte die Polizei über fünf ungesetzlich
       angelegte Aktenordner mit personenbezogenen Daten über Linke in Göttingen.
       In der verdeckt angelegten Datensammlung waren Namen, Adressen, körperliche
       Merkmale, Religionszugehörigkeit, Arbeitsplätze, Informationen über
       Social-Media-Profile, Gruppenzugehörigkeiten und Fotos von hunderten
       Betroffenen enthalten. Überschrift der Ordner: „Limo“, was im Polizeijargon
       Linksmotivierte Straftäter bedeutet.
       
       Dabei handelte es sich bei den Überwachten zumindest in weiten Teilen nicht
       um Straftäter*innen. Alle Betroffenen aber stammen aus dem linkspolitischen
       Spektrum in Südniedersachsen, darunter Gewerkschaftsaktive, Mitglieder der
       Grünen Jugend und Menschen aus der antifaschistischen Szene.
       
       Aus diesen Gruppen wiederum hatten insgesamt 25 Personen letztes Jahr Klage
       eingereicht, im Februar begannen die ersten Verhandlungen. Denn so wie es
       aussieht, reichte es schon, um observiert zu werden, mal eine Demo
       angemeldet oder vielleicht an einer Sitzblockade gegen Nazis teilgenommen
       zu haben.
       
       Dass die Polizei ihr rechtswidriges Sammeln nun eingesteht, ist auf den
       ersten Blick ein Erfolg für die Betroffenen. Allerdings erklärt die
       Polizei, dass die Gründe dafür im Fehlen einer Dateibeschreibung liegen und
       damit formeller Natur seien. Deshalb bleiben die Details der Überwachung
       allerdings weiterhin im Dunkeln. Nach welchen Kriterien beispielsweise der
       Staatsschutz Leute observierte, wird nun vor Gericht nicht mehr behandelt.
       „Das Prozessverhalten der Polizeidirektion war aber entgegen öffentlicher
       Zusagen der Polizeiführung nicht auf Aufklärung ausgelegt“, sagt Adam.
       
       Auch die Betroffenen sind nur bedingt zufrieden, einer von ihnen erklärte
       gegenüber der taz: „Es ist immerhin ein schöner Erfolg, aber leider kann
       man nicht damit rechnen, dass die Göttinger Polizei daraus Konsequenzen
       zieht.“ Nachdem die Datenaffäre voriges Jahr öffentlich wurde, versprach
       Göttingens Polizeipräsident Uwe Lührig noch eine „rückhaltlose Aufklärung“.
       Kurze Zeit später wurde allerdings bekannt, dass die Ordner angeblich schon
       zuvor vernichtet worden seien.
       
       ## Weitere Klage
       
       Rechtsanwalt Adam hat dennoch ein wenig Hoffnung, mehr über die
       Datensammelpraxis zu erfahren. Denn derzeit laufen noch ähnliche Klagen vor
       dem Verwaltungsgericht, zusätzlich dreht sich noch eine Klage um eine
       Pinnwand im Polizeikommissariat. Dort sollen Bilder von politischen
       Aktivist*innen angebracht worden sein, offensichtlich um sich einen
       Überblick über die linke Szene zu verschaffen. Adam sieht auch das als
       rechtswidrig an.
       
       „In den noch anhängigen und neuen Klageverfahren besteht weiterhin die
       Chance zur Aufklärung des Verhaltens der Staatsschutzabteilung“, sagt Adam.
       So beantragte er nun dazu die Vernehmung von beteiligten
       Polizeibeamt*innen.
       
       Aufgeflogen war die Datenaffäre überhaupt nur, weil die Göttinger Polizei
       gegen einen mittlerweile pensionierten Staatsschutzbeamten Ermittlungen
       wegen versuchter Erpressung aufgenommen hatte. Er jedoch war offensichtlich
       über Jahre hinweg der Einzige, der gegen die illegale Schnüffelei intern
       protestierte. Er fertigte davon Kopien an, die durch die Ermittlungen gegen
       ihn wiederum erst öffentlich wurden.
       
       Wenngleich die Göttinger Polizei dem Verwaltungsgericht schon vor zwei
       Wochen mitteilte, dass sie die Rechtswidrigkeit ihrer Datensammelei
       anerkennt, wollte sie sich bis gestern noch nicht öffentlich dazu äußern.
       
       12 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR André Zuschlag
       
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