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       # taz.de -- Risikoforscher über Hundeangriffe: „Chico muss eingeschläfert werden“
       
       > Risikoforscher Ortwin Renn erklärt, wieso wir mit gefährlichen Hunden
       > leben. Für ihn kommt es nicht auf die Rasse, sondern auf die Haltung an.
       
   IMG Bild: Ein Hund mit reichlich Auslauf beißt nicht, sagt der Risikoexperte Ortwin Renn
       
       taz: Herr Renn, wieso halten wir uns Hunde, die gefährlich sind? 
       
       Ortwin Renn: Einige Menschen haben das Bedürfnis, jemanden um sich zu
       haben, dem sie Befehle erteilen können. Solche einseitigen Beziehungen, die
       auf Befehl und Gehorsam gründen, widersprechen eigentlich unseren
       gesellschaftlichen Normen. Dem Hund gegenüber kann man sich allerdings so
       verhalten ohne Kritik fürchten zu müssen. Ein körperlich besonders starker
       Hund kann zum Symbol der eigenen Stärke werden. Die HalterInnen glauben
       damit, eine Kraft unter ihrer Kontrolle zu haben, die bei anderen Eindruck
       machen und für Respekt sorgen soll.
       
       Beweisen nicht die jüngsten Vorfälle [1][in Hessen und Hannover], dass das
       ein Irrglaube ist? 
       
       Das sind dramatische Ereignisse, aber auch statistisch gesehen Ausnahmen.
       In der Regel haben die HalterInnen nicht nur Kontrolle über ihren Hund,
       sondern eine artgerechte Hundehaltung führt auch meist zu einer friedlichen
       Beziehung zwischen Mensch und Hund. Dennoch kann es jederzeit zu einer
       Reizüberflutung oder einer Reizkollision des Hundes kommen. Dann kann ein
       Hund auch gewaltvoll reagieren. Wenn eine Halterin vom eigenen Hund
       angegriffen wird, kann man natürlich argumentieren, dass sie es sich selbst
       zuzuschreiben hat. Ist ein Halter jedoch mit seinem Hund auf der Straße
       unterwegs, trägt er auch die Verantwortung für das Verhalten des Tiers. Je
       stärker der Hund ist, desto aufmerksamer muss auch der Halter auf mögliche
       Gefährdungen anderer achten.
       
       Brauchen wir neue Gesetze, die das Risiko einer solchen Ausschreitung
       minimieren? 
       
       Wir haben schon einige Gesetze, die Leinen- und Maulkorbpflicht
       vorschreiben. Die Entscheidung, ob das umgesetzt wird, liegt bei den
       Kommunen. Es sollte eine Empfehlung der Bundesregierung geben, die das
       vereinheitlicht. Bestimmte Hunderassen haben weniger Beißhemmung als
       andere. Für diese sollte die Leinen- und Maulkorbpflicht, insbesondere in
       Innenstädten, eingeführt beziehungsweise verschärft werden. Es bleibt
       jedoch immer eine Frage der Gesetzesmäßigkeit. Auch kleine Hunde können
       Menschen unerwartet angreifen. Gesetze sollten auf keinen Fall bestimmte
       Hunderassen aus der Stadt verbannen.
       
       Kritiker werfen Tierschützern, die das Leben von gewalttätigen Hunden
       retten wollen, eine Vermenschlichung des Hundes vor. Stimmt das ? 
       
       Das kann ich nicht nachvollziehen. Häufig sind es die Tierschützer, die in
       der Vermenschlichung des Hundes eine große Gefahr sehen. Diese führe häufig
       zur Missachtung einer hundgerechten Haltung. Davon wird auch die Erziehung
       des Tiers beeinflusst und der Hund kann zum Instrument der eigenen
       Aggressivität werden. Dass Hunde teilweise in kleinen Wohnungen gehalten
       werden und fast nie Auslauf bekommen, ist der eigentliche Skandal.
       
       Was soll mit dem Hund Chico passieren, der in Hannover seine Besitzer
       tötete? 
       
       Hunde können nicht frei entscheiden und sind kein moralisches Subjekt. Auch
       über das Schicksal von Chico darf nicht moralisch diskutiert werden. Es
       geht hier nicht um eine Rassendebatte, sondern darum, die Umstände eines
       verhaltensauffälligen Hundes in den Blick zu nehmen. Chico hat keine Schuld
       auf sich geladen, sondern stellt eine objektive Gefährdung für
       Menschenleben dar. Sofern feststeht, dass er jederzeit wieder Menschen
       angreifen könnte, muss er eingeschläfert werden.
       
       14 Apr 2018
       
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   DIR [1] http://www.spiegel.de/panorama/hunde-attacken-fragen-und-antworten-zur-debatte-a-1202408.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kanefendt
       
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       Menschen am besten schützen. Aber der Senat hegt Bedenken