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       # taz.de -- Kolumne Liebeserklärung: Kampfhund Chico
       
       > Schlecht beleumundet und verachtet: ein Hund jenseits der
       > Mainstreamgesellschaft. Aber die Agitation ist Klassenkampf von oben.
       
   IMG Bild: Auch Kamphunde brauchen Liebe
       
       Weil jetzt alle über ihn herfallen wie ein Rudel Staffordshire-Mischlinge
       über ein Kleinkind, muss man ihn glatt doch mal ein wenig tröstlich
       knuddeln (nachdem man ihm sicherheitshalber vorher den Maulkorb angelegt
       hat): Der Kampfhund ist im wahrsten Sinne des Wortes der Underdog der
       Haustierszene.
       
       Verwachsen, schlecht beleumundet, meist seltsam sabbernd, schielend, zu
       faltig, zu dick oder sonst wie jenseits der üblichen Schönheitsideale,
       unter fragwürdigen Umständen auf die Welt gekommen und womöglich auch noch
       mit Mundgeruch. Ein Hund jenseits der Mainstreamgesellschaft – der deshalb
       häufig auch gern von Menschen jenseits der Mainstreamgesellschaft gehalten
       wird.
       
       Und beide werden genau deswegen von jenen, die die Mainstreamgesellschaft
       nach ihren Vorstellungen formen wollen, mit Inbrunst verachtet. Denn selten
       sieht man den Kampfhund gesittet vor dem Biosupermarkt wartend, schon eher
       knurrend vor Lidl. Agitation gegen Kampfhunde ist oft schlicht Klassenkampf
       von oben.
       
       ## Sozialisation
       
       Inwieweit die Tierchen überhaupt gefährlicher sind als andere Hunde
       entsprechender Größe, ist fragwürdig. Entscheidender ist die Sozialisation;
       da unterscheidet sich Bello oder eben Chico nicht groß vom Herrchen oder
       Frauchen.
       
       Kommt es dann aber doch zum Äußersten, gilt die Empathie der Masse nur dem
       Hund – [1][250.000 Unterzeichner einer Onlinepetition fordern Gnade] für
       jenen Chico, [2][der in Hannover gerade seine Besitzer getötet hat.] Das
       Schicksal der Besitzer scheint niemanden groß zu kümmern.
       
       Tierschutz ist für gar nicht so wenige Leute eine elegante Form, die eigene
       (Menschen-)Feindlichkeit ungeniert auszuleben. Man wüsste gern, wie viele
       von denen, die fordern, der Hund dürfe nicht eingeschläfert werden,
       anschließend eine Currywurst verputzen.
       
       Was also tun mit dem Hund? Auf einem Spezial-Gnadenhof durchfüttern,
       während für Lämmchen, Sau und Ochse niemand einen Finger rührt? In diesen
       Tagen wird oft nach China geblickt, von dort kann man viel lernen.
       
       Auch der Chinese würde dem Kampfhund eine Liebeserklärung schreiben, denn
       Liebe geht ja bekanntlich durch den Magen. Und das eingesparte Geld stecken
       wir dann in ein schönes Artenschutz- oder Sozialprojekt.
       
       13 Apr 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.change.org/p/stadt-hannover-chico-darf-nicht-sterben
   DIR [2] /!5494646/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
       ## TAGS
       
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