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       # taz.de -- Wahl in Freiburg: Grüne Götterdämmerung
       
       > Amtsinhaber Dieter Salomon unterliegt bei der Freiburger
       > Oberbürgermeisterwahl einem Parteilosen. Die Stichwahl könnte aber eine
       > Frau entscheiden.
       
   IMG Bild: Unverhofftes Glück für den parteilosen Martin Horn: Er gewann im ersten Wahldurchgang gegen den grünen Amtsinhaber
       
       Für Freiburger Verhältnisse ist das Ergebnis der Oberbürgermeisterwahl vom
       Sonntag ein Erdrutsch. Amtsinhaber Dieter Salomon (Grüne), der bei seiner
       Wiederwahl vor acht Jahren im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit
       erreichte, kam diesmal nur noch auf Platz zwei. Sieger ist der von der SPD
       unterstützte Kandidat Martin Horn, der 34,7 Prozent erreichte. Mit 31,3
       Prozent liegt Salomon 19 Prozent hinter seinem Ergebnis von vor acht
       Jahren. Und das bei einer gestiegenen Wahlbeteiligung. Salomon gab sich am
       Sonntag trotzdem siegessicher: „Ich denke, im ersten Wahlgang haben die
       Freiburger Denkzettel verteilt, im zweiten werden sie richtig wählen.“ Horn
       zeigte sich von dem Wahlergebnis überrascht: „Wir waren überglücklich
       verwundert.“ Aber das sei die Bestätigung für seinen bürgernahen Wahlkampf.
       
       Salomon führte das Ergebnis auch auf eine „diffuse Stimmung gegen das
       Establishment“ zurück. Wahlentscheidend waren aber offenbar auch
       Stilfragen. Horn, der von der SPD, aber auch von der rechtsliberalen
       Stadtratsfraktion „Freiburg lebenswert“ unterstützt wurde, hatte sich im
       Wahlkampf betont basisnah gegeben und sich damit geschickt als frische
       Alternative zum Amtsinhaber präsentiert. Salomon, dem oft der Abgehobenheit
       vorgeworfen wurde, hatte diesen Eindruck im Wahlkampf noch unterstützt, als
       er sich weigerte, seine politischen Positionen für den [1][„Wahlomat“ der
       Landeszentrale für politische Bildung] zur Verfügung zu stellen, die mit
       diesem Angebot Entscheidungshilfe für Wähler im Netz anbieten wollte.
       Politik lasse sich nicht immer per Klick mit Ja und Nein fassen, hatte
       Salomon erklärt.
       
       Trotz inhaltlich wenig konkreter Aussagen punktete Horn bei der Wahl nun im
       gesamten Stadtgebiet. Er nahm Salomon aber vor allem in den bürgerlichen
       Stadtteilen entscheidende Prozentpunkte ab. Wähler, auf die eigentlich auch
       Salomons Weiter-so-Kampagne zielte. Denn die CDU verzichtete nach 2010 ein
       weiteres Mal auf einen eigenen Kandidaten, prominente CDU-Mitglieder hatten
       sich für Salomon ausgesprochen.
       
       Zu Salomons überraschend schwachem Abschneiden hat auch die links-grüne
       Kandidatin Monika Stein beigetragen. Mit ihrem klaren Fokus auf soziale
       Themen, vor allem den Wohnungsbau, holte die Werkrealschullehrerin mit gut
       26 Prozent ein deutlich besseres Ergebnis als der linke Kandidat vor acht
       Jahren. Stein konnte vor allem in den Innenstadtbezirken und anderen
       Hochburgen der Grünen gut abschneiden. Im grün dominierten Stadtteil Vauban
       kam sie auf 50,4 Prozent, dort erreichte Salomon nur noch den dritten
       Platz. Als allgemein gute Nachricht kann man werten, dass klar
       rechtspopulistisch positionierte Kandidaten weiterhin in Freiburg keine
       Chance haben. Die beiden Kandidaten, die unter anderem forderten, Wohnraum
       nur noch an Freiburger zu vergeben, kamen zusammen gerade mal auf 6,3
       Prozent.
       
       ## Machtwechsel in Freiburg hätte Signalwirkung
       
       Für Salomon wird der zweite Wahlgang, der am 6. Mai stattfindet, einen
       strategischen Spagat bedeuten. Er muss um CDU-Wähler werben, die im ersten
       Wahlgang gar nicht gewählt oder Horn den Vorzug gegeben haben und
       gleichzeitig auch auf Wähler setzen, die in Monika Stein die wirklich grüne
       Kandidatin gesehen haben.
       
       Die pragmatische Linke, die seit 2004 im Gemeinderat sitzt und 2008 die
       Grünenfraktion auch wegen Salomons Politikstils verließ, könnte am Ende den
       Ausschlag für den Wahlausgang geben. Am 6. Mai genügt eine einfache
       Mehrheit zum Sieg. Tritt sie ein weiteres Mal an, bleibt das
       Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Horn und Salomon wohl bis zur Auszählung
       offen. Zieht sie zu Gunsten eines der beiden Kandidaten zurück, könnte dies
       wahlentscheidend sein.
       
       Salomon hatte bereits im Wahlkampf Gemeinsamkeiten mit Monika Stein betont
       und damit möglicherweise eine solche Unterstützung vorbereitet. Auch Martin
       Horn kündigte an, mit Monika Stein „unter vier Augen“ sprechen zu wollen.
       Stein zeigte sich am Wahlabend gesprächsbereit. Ihre Entscheidung hänge von
       politischen Inhalten ab, weniger von Personen, erklärte sie.
       
       Ein Machtwechsel in Freiburg hätte auch eine gewisse Signalwirkung für die
       Landespolitik und Kretschmanns grün-schwarze Regierung. Freiburg gehört zu
       den Grünen-Hochburgen des Landes. Salomon, der wie Kretschmann einen
       grün-konservativen Politikstil pflegt, wurde lange als sein möglicher
       Nachfolger gehandelt. Die Landes-SPD, die in Umfragen mit gerade einmal 12
       Prozent noch hinter ihrem Landtagswahlergebnis liegt, wertete den Erfolg
       Horns als den ihren und weiß um die symbolische Bedeutung Freiburgs für die
       Grünen in Südwest, die in Umfragen derzeit landesweit bei 31 Prozent
       liegen. Die Generalsekretärin der Landes-SPD, Luisa Boos, [2][zeigte sich
       via Twitter] schon mal hocherfreut. Arm in Arm auf mit Horn auf einem Foto
       kündigte sie an: “Ab morgen wird weiter um jede Stimme für den Wechsel
       geworben“.
       
       23 Apr 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.ob-wahl-freiburg.de/projekte/wahl-o-mat/
   DIR [2] https://twitter.com/Luisa4Europe/status/988134406304026626
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Benno Stieber
       
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