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       # taz.de -- Was wir damals glaubten: Wenn ihr denkt wie die Kinder
       
       > An Montagen gibt es Reifen umsonst. Müllmänner arbeiten nur mittwochs.
       > Eine Reise zurück in die Welt kindlicher Weisheiten.
       
   IMG Bild: Früher dachte ich…
       
       Als Kind dachte ich, dass man den Vornamen wechselt, wenn man erwachsen
       wird. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass es Kinder gibt, die
       Wolfgang heißen oder Alfred. Sebastian Erb
       
       Mir wurde früher beim Autofahren immer schlecht. Also habe ich irgendwann
       meinen Vater gefragt, ob er nicht einfach auf dem Bürgersteig fahren könne.
       Denn dort wurde mir ja nicht schlecht. Franziska Seyboldt
       
       Nachdem 1983 die Grünen in den Bundestag eingezogen waren, habe ich mich
       gewundert, dass der deutschen Fahne nicht alsbald ein grüner Streifen
       angefügt wurde. Ich hatte bis dahin nämlich geglaubt, die Fahne habe für
       jede Partei im Parlament einen Streifen: einen schwarzen für die CDU; einen
       roten für die SPD und einen gelben für die FDP. Lukas Krusse
       
       Beim Fahrradfahren hatte ich früher Respekt vor den Leuten, die sich
       getraut haben, mit einer Hand loszulassen. Also dachte ich, dass diejenigen
       Klavierspieler die besten sind, die nicht nur mit beiden Händen, sondern
       auch einhändig spielen können. Andrea Wierich
       
       Nachdem ich wusste, wie Kinder entstehen, war ich der Überzeugung, dass
       meine Eltern genau einmal miteinander geschlafen hatten. Ich war ja
       Einzelkind. Bernd Pickert
       
       ## Umfall oder Unfall?
       
       Lange dachte ich, dass es „Umfall“ und nicht „Unfall“ heißt. Auch, weil mir
       die Herleitung völlig klar war: Ein Auto fällt um, also ist es ein Umfall.
       Annabelle Seubert
       
       Als Kind durfte ich nur wenig fernsehen, aber dafür alte Filme gucken. Also
       habe ich in der 5. Klasse meinem Religionslehrer gegenüber sehr vehement
       die Theorie verteidigt, dass Ben Hur „damals“ Jesus auf dem Kreuzweg Wasser
       zu trinken gegeben hat. Johanna Roth
       
       Ich habe geglaubt, dass Hitler noch lebt und irgendwo im Gefängnis sitzt
       (und dass er irgendwann ausbrechen wird). Außerdem habe ich geglaubt, dass
       Slobodan Milošević bald eine Atombombe genau über unserem Haus in Dortmund
       abwerfen würde, und dass uns dann allen das gleiche Schicksal blüht wie der
       Familie in Gudrun Pausewangs „Die Wolke“. Ich durfte immer zu viele
       Nachrichten gucken. Hanna Voss
       
       Wenn ein Spieler beim Fußball eine gelbe Karte „bekommt“, dann kriegt er
       sie wirklich ausgehändigt, dachte ich. Ein Schiedsrichter muss also immer
       genug gelbe und rote Karten mit dabei haben, für alle Fälle. Michael Brake
       
       Den „Untergrund“ hielt ich als Kind für einen realen Ort. Also wenn es in
       einer Doku hieß „Sie gingen in den Untergrund“ habe ich mir das wie eine
       Treppe zur U-Bahnhaltestelle vorgestellt, die sie hinuntergegangen sind.
       Und unter der Erde war dann der Untergrund. Ich wäre damals für eine
       Revolution nicht gut geeignet gewesen. Laila Oudray
       
       Statt Buß- und Bettag habe ich immer Bus- und Bett-Tag verstanden. Ich fand
       es komisch, aber eigentlich auch ganz schön, dass es einen Tag für Busse
       und Betten gibt. Alina Schwermer
       
       ## Fliegen mit Regenschirmen
       
       Bei uns im Dorf gab es eine Bundeskegelbahn. Toll, dachte ich, dass die für
       das ganze Bundesgebiet zuständig war. Matthias Fink
       
       Mein (mathematisch begabter) Bruder hat als Grundschüler geglaubt, dass er
       das mit dem Englischlernen schon hinkriegen werde: Er bräuchte ja nur für
       die 26 deutschen Buchstaben 26 englische zu lernen. Barbara Bauer
       
       Ich war fest davon überzeugt, dass man mit dem Regenschirm wegfliegen kann,
       wenn der Wind nur richtig steht. Meine Cousine und ich haben so unsere
       Reisen geplant, mit Wellensittich und Meerschweinchen im Handgepäck. Lin
       Hierse
       
       Mein Vater hatte eine Schreibmaschine der Marke Olympia. Ich ging also
       davon aus, dass er in jungen Jahren an Olympia teilgenommen hatte und sie
       dort gewonnen hatte. Nicola Schwarzmaier
       
       Ich dachte, mein katholischer Religionslehrer sei Rumburak aus der
       tschechischen Fernsehserie „Die Märchenbraut“, also ein böser Zauberer. Die
       sahen sich einfach total ähnlich. Ich hab ihm auch sehr misstraut. Patricia
       Hecht
       
       ## Wo wohnt Gott?
       
       Eine Zeitlang habe ich mich sehr vor Familienreisen nach Österreich
       gefürchtet – seit mein Vater wegen eines Verstoßes gegen die
       österreichische Straßenverkehrsordnung eine „Organstrafe“ bekam. Ich dachte
       wirklich, die wollen meinem Papa beim nächsten Grenzübertritt die Leber
       rausschneiden. Nina Apin
       
       Einmal verabschiedete ich mich aus der Schulmesse mit den Worten „Tschüss,
       Gott!“, bevor ich nach draußen ging. Ich dachte als Kind, Gott wohne in der
       Kirche. Und nur da. Schließlich hieß es „Gotteshaus“. René Hamann
       
       Wenn ich Samen oder Körner gegessen habe, hatte ich immer Angst, dass mir
       Pflanzen aus Ohren und Nase wachsen. Annika Stenzel
       
       Sehr lange habe ich gedacht, es gäbe keine Juden mehr auf der Welt, weil
       die Nazis alle umgebracht haben. Denn das Einzige, was wir in der Schule
       über sie gelernt haben, war immer mit Konzentrationslagern verbunden. Gaby
       Coldewey
       
       Große Erwartungen, als der Fernsehmechaniker kam, den kaputten Fernseher zu
       reparieren: Endlich würde ich die kleinen Männchen sehen, von denen ich
       glaubte, sie führten das Fernsehprogramm hinter einer Art großen Lupe (der
       Mattscheibe) live auf. Am meisten hatte mich interessiert, wie sie wohnen,
       gern hätte ich mal mit einem von ihnen geredet. Noch größer die
       Enttäuschung, als nur Schaltplatinen zum Vorschein kamen. Und allergrößte
       Demütigung nach der Häme des Mechanikers und dem Lachen meiner Mutter.
       Lukas Krusse
       
       ## Lambada – live!
       
       Als wir neun Jahre alt waren, dachte ein Freund von mir: Immer wenn
       „Lambada“ im Radio läuft, wird es gerade in Afrika gespielt und sie
       übertragen es live (und „Lambada“ lief sehr oft in diesem Sommer im
       Radio). Michael Brake
       
       Schwarzfahren bedeutet, dass man im Bus keine schwarze Kleidung anhaben
       darf, dachte ich in der Grundschule. Da die Schwarzfahrer auf den
       Warnplakaten immer einen schwarzen Kapuzenpulli trugen, schien das
       plausibel. Ich hielt meine Mutter für wahnsinnig, wenn sie mich in meinem
       schwarzen Kleid zum Schulbus schickte, und habe die ganze Fahrt gezittert
       und gehofft, dass der Busfahrer nichts merkt. Hannah Bley
       
       Meine Geschwister und ich haben geglaubt, Ohrwürmer kriechen nachts in die
       Ohren und legen dort ihre Eier. Panik!! Thea Rosie
       
       Beim Fußballschauen dachte ich immer, dass Spieler sich auf den Boden
       legen, weil sie nicht mehr können, und der Schiri dann „faul!“ ruft.
       Philipp Daum
       
       Eine Freundin dachte, dass „Ausfahrt“ die mit Abstand größte Stadt
       Deutschlands sein müsse. Sie war schließlich von fast überall her zu
       erreichen. Paul Wrusch
       
       Als Kind dachte ich, dass die „Tagesschau“-Ansagerinnen und -Ansager im
       Fernsehen keine Beine haben. Und die Begrüßung „Guten Abend, meine Damen
       und Herren“ verstand ich als „Gutenabendmeinedamontern“ – eine für mich
       seltsam klingende Begrüßung des bundesdeutschen Fernsehvolks. Harriet Wolf
       
       ## Müllmänner und Kiwipunkte
       
       Mein Bruder glaubte früher, dass die schwarzen Punkte in den Kiwis kleine
       Käfer sind. Er mag bis heute keine Kiwis.  Annika Stenzel
       
       Wenn wir an einer Werkstatt vorbeifuhren auf der „Reifen Montage frei“
       stand, dachte ich, dass es dort montags immer Reifen umsonst gibt. Elke
       Eckert
       
       Es gibt Menschen, die tatsächlich das Gras wachsen hören, dachte ich lange.
       Ich wollte auch dazugehören, und das hieß trainieren. Meine Eltern fragten
       sich wahrscheinlich, warum der Junge immer so lange in der Wiese liegt. Das
       Gras habe ich nicht gehört, aber ich bilde mir ein, die Ameisen auf ihren
       Pfaden. Jörn Kabisch
       
       Das Kindermachen würde im Schlaf passieren, dachte ich, und dass man gar
       nichts davon merkt. Warum sonst sollte es „Beischlaf“ heißen? Dass Männer
       nachts Kondome tragen, war wie mit der Zahnspange. Die musste man ja auch
       jede Nacht einsetzen. Jannis Hagmann
       
       Als Kind wollte ich Müllmann werden, weil ich dachte: Da muss man nur
       mittwochs arbeiten. Martin Kaul
       
       26 Apr 2018
       
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