URI: 
       # taz.de -- Dancehall-Musiker Bounty Killer: Homophobe Altlasten
       
       > Vor 15 Jahren fiel der Künstler durch starke Homophobie auf – und durfte
       > nicht in Deutschland auftreten. Das soll sich jetzt ändern. Der Protest
       > ist groß.
       
   IMG Bild: Bounty Killer bei einem Auftritt in New York
       
       Gegen die geplanten Auftritte des jamaikanischen Künstlers Bounty Killer in
       Deutschland regt sich Widerstand. Der Dancehall-Musiker, der der
       schwulenfeindlichen „Battyman Tunes“-Szene zugerechnet wird und in frühen
       Songtexten in übelster Weise gegen Homosexuelle hetzte, soll von Ende April
       an in Dortmund, Wuppertal, Regensburg und Berlin auftreten. Damit stünde
       Bounty Killer, dessen Konzerte in Deutschland 2008 und 2011 nach Protesten
       reihenweise abgesagt wurden und dem zeitweise die Einreise verwehrt wurde,
       erstmals seit zehn Jahren wieder hierzulande auf der Bühne.
       
       Ulle Schauws, Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für queerpolitische
       Themen, forderte Innenminister Horst Seehofer (CSU) in einem offenen Brief
       auf, „den Sänger erneut zur Nicht-Einreise auszuschreiben. Es kann nicht
       sein, dass Hassprediger und Hasssänger ihre Botschaften in Deutschland
       verbreiten können.“
       
       Der Grünen-Landesvorsitzende in Berlin, Werner Graf, schloss sich ihr an
       und appellierte an den Veranstaltungsort in der Hauptstadt, den Festsaal
       Kreuzberg, das Konzert zu canceln: „Der Festsaal Kreuzberg sollte Bounty
       Killer nicht auftreten lassen. Wer Kreuzberg im Namen trägt, darf
       Hasssängern keine Bühne bieten.“
       
       Die Frage ist dabei auch, ob und inwieweit Bounty Killer von früheren
       Positionen abgerückt ist. In seinem Fall geht es nicht etwa um Lappalien,
       in Liedern wie „Another Level“ (2000) und “Man Ah Bad Man“ (2001) reichte
       seine Anti-Homo-Hetze bis zum Mordaufruf.
       
       ## Mit einigen der Songs verdient er nach wie vor sein Geld
       
       Er reihte sich damit nahtlos ein in eine Riege an jamaikanischen Künstlern
       wie Sizzla, Beenie Man, Elephant Man, Buju Banton, Shabba Ranks und
       weitere, die mit Hass ein ganzes Genre – die Battyman Tunes – begründeten.
       „Batty boy“ oder „batty man“ ist das jamaikanische, schwulenfeindliche
       Äquivalent zum englischen Ausdruck „Butt boy“ („Arsch-Junge“).
       
       Hat Bounty Killer sich von diesen Liedern ausreichend distanziert?
       Öffentlich jedenfalls nicht – und mit einigen dieser Songs verdient er bis
       heute Geld. Via YouTube sowieso, aber Stücke wie „Another Level“ und “Man
       Ah Bad Man“ kann man auch bei Spotify und iTunes streamen und downloaden.
       Darin finden sich nach wie vor Zeilen wie: „Bun a fire pon a puff and
       mister fagoty“ („lasst die Schwulen im Feuer brennen“).
       
       Bei Konzerten spielt Bounty Killer diese Stücke nicht mehr, europäische
       Touragenturen lassen sich das vertraglich zusichern. So gibt es in den
       Vereinbarungen den Passus: „Der Künstler willigt ein, keine homophoben
       Songtexte während seines Auftritts an dem hier genannten Veranstaltungsort
       zu singen.“ Den „Reggae Compassionate Act“ hingegen, eine 2007 vom
       britischen LGBTI-Aktivisten Peter Tatchell initiiertes Übereinkommen, auf
       Hasssongs zu verzichten, unterzeichneten andere jamaikanische Künstler –
       Bounty Killer nicht.
       
       Sein belgischer Manager Mike De Herdt sagt, Bounty Killer lehne
       Homosexualität zwar persönlich weiterhin ab, äußere sich aber in keiner
       Weise mehr hasserfüllt gegenüber ihnen. Dies hätte sich schon bei seinen
       Shows in Italien, Belgien und den Niederlanden 2013 gezeigt. „Es gab
       keinerlei Probleme mit ihm. Es gibt immer weiter Beschuldigungen, keine
       Belege“, meint De Herdt am Telefon – man solle den Künstler doch bitte nach
       dem beurteilen, was er heute macht und nicht nach dem, was er vor 15 Jahren
       geschrieben habe.
       
       ## Hat ein Sinneswandel bei ihm stattgefunden?
       
       Beim örtlichen Berliner Veranstalter Topline Events glaubt man auch an
       einen „Umdenkprozess“ auf Seiten des Künstlers. „Es hat akut in den letzten
       Jahren keine Vorfälle bei seinen Konzerten mehr gegeben, wo wir sagen
       würden, wir könnten es nicht verantworten ihn spielen zu lassen“, erklärt
       der Veranstalter, der namentlich nicht genannt werden will. Er selbst habe
       2008 gegen die Auftritte von Bounty Killer demonstriert. Inzwischen habe
       der Künstler wohl eingesehen, dass die Hasspropaganda nicht mit seinem
       gesellschaftlichen Engagement zusammenpasse, sei aus seinem Umfeld zu hören
       – in Jamaika unterstützt Bounty Killer soziale Projekte.
       
       Bei Topline setzt man hinsichtlich homophober jamaikanischer Künstler auf
       einen Sinneswandel durch Annäherung: „Ich hoffe, wir können Stück für Stück
       etwas bei ihnen bewirken, wenn sie hier auftreten und mit einem
       toleranteren Menschenbild konfrontiert werden.“
       
       Immerhin scheint sich in der Szene des Inselstaates ein bisschen etwas zu
       bewegen. Der Rastafari Mista Majah P veröffentlichte zum Beispiel drei
       dezidiert pro-queere Alben, er gehört zu den wenigen männlichen Künstlern,
       die die genreübliche Homophobie und den Machismus ablehnen.
       Reggae-Musikerin Etana, einer der großen Stars in Jamaika, setzt sich für
       die Rechte sexueller Minderheiten ein – und auch die befreundete
       Dancehall-Künstlerin Tanya Stephens hat sich öffentlich mehrfach gegen
       Diskriminierung von LGTBI ausgesprochen. Davon, so viel ist sicher, ist
       Bounty Killer noch weit entfernt.
       
       10 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jens Uthoff
       
       ## TAGS
       
   DIR Jamaika
   DIR Homophobie
   DIR Festsaal Kreuzberg
   DIR Queer
   DIR Homophobie
   DIR Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
   DIR Reggae
   DIR Denkmal der im Nationalsozialismus ermordeten Roma und Sinti
   DIR Lesestück Meinung und Analyse
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Homophobe Lyrics von Buju Banton: Keine zweite Chance verdient
       
       Ein Reggae-Sänger fantasiert über Mord an Schwulen. Die Kritik daran als
       „westlich“ zurückzuweisen lässt die karibische LGBT-Community im Stich.
       
   DIR Homophober Reggae-Sänger Buju Banton: Summerjam-Festival in der Kritik
       
       Auf dem Summerjam-Festival in Köln soll Buju Banton als Headliner
       auftreten. Der Reggae-Künstler ruft in einem Song zum Mord an Schwulen auf.
       
   DIR Debatte um Bounty Killer: „Dancehall ist kein Hate-Genre“
       
       Kulturwissenschaftler Patrick Helber hält hiesige Homophobie-Debatte um den
       Dancehall-Star samt dem abgesagten Berliner Konzert für eindimensional.
       
   DIR Erste Roma Biennale in Berlin: Nicht die Carmen am Lagerfeuer
       
       Im Gorki-Theater findet vom 7. bis 10. April die erste Roma Biennale statt.
       Künstler*innen wollen Romakunst jenseits von Stereotypen präsentieren.
       
   DIR Debatte Schwulenhass unter Linken: Ich hab nichts gegen Schwule, aber…
       
       Fortschritte in Sachen LGBTI kamen in Deutschland vergleichsweise spät. Das
       liegt auch an den Linken und Linksliberalen hierzulande.