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       # taz.de -- Rechtspopulisten bedrohen Pressefreiheit: Das angeblich bessere Früher
       
       > In Österreich will ein FPÖ-Politiker dem ORF Auslandskorrespondenten
       > streichen und Trump fordert eine Journalisten-Kartei.
       
   IMG Bild: Bald nur noch Kirchenbilder statt politischer Berichterstattung im Fernsehen?
       
       Eigentlich ist die „Korrektheit“, vor allem die politische, vielen Rechten
       ja ein Grauen. Politische Korrektheit, heißt es oft in konservativen und
       rechten Kreisen, befördere „Sprech- und Denkverbote“. Nun nutzt
       ausgerechnet ein Rechtspopulist aus Österreich das Wörtchen „korrekt“, um
       zu definieren, was Journalisten sagen dürfen – und was nicht.
       
       Der FPÖ-Politiker Norbert Steger will ein Drittel der
       Auslandskorrespondenten des österreichischen Rundfunks ORF streichen, „wenn
       diese sich nicht korrekt verhalten“. Als Beispiel nannte er [1][in den
       Salzburger Nachrichten] die Ungarnberichterstattung, die er „einseitig“
       fand. Damit dürfte er vor allem die Kritik an dem ungarischen Präsidenten
       und FPÖ-Freund Viktor Orbán meinen.
       
       Norbert Steger ist nicht irgendwer. Er war Vizekanzler und sitzt seit 2010
       im Stiftungsrat des ORF, dem höchsten Aufsichtsgremium des Senders. Er ist
       sogar als dessen Vorsitzender im Gespräch. Seine Partei ist [2][seit Langem
       im Streit mit dem ORF].
       
       Auch Donald Trumps Kampf gegen eine freie Presse nimmt gerade noch einmal
       Fahrt auf. Sein Heimatschutzministerium arbeitet am Aufbau einer Stelle zur
       Medienüberwachung. [3][Online suchte das Ministerium] eine Firma, die in
       der Lage ist, „mehr als 290.000 Nachrichtenquellen in 100 Sprachen“ aus der
       ganzen Welt auszuwerten und Informationen über Herkunft, Auflage,
       Reichweite und Rolle von Journalisten, Bloggern und Social-Media-Nutzern zu
       speichern. Wie das Ministerium die Informationen nutzen wird, ist noch
       unklar. Es braucht aber nicht viel Kreativität, um sich das vorzustellen.
       
       ## Immer gleiche Argumente
       
       Das Perfide daran ist: All die Trumps und Stegers dieser Welt argumentieren
       immer gleich. „Die Medien“ verbreiteten Lügen und seien nicht objektiv.
       Dabei entlarvt sich Norbert Steger doch selbst, wenn er – als Politiker –
       einerseits „eine objektivere Berichterstattung“ fordert, und andererseits
       Auslandskorrespondenten auf ihre Gesinnung hin überprüfen und rausschmeißen
       lassen will, wenn ihm deren Berichte nicht passen.
       
       Überall behaupten RechtspopulistInnen, es gehe ihnen darum, unsere „alten
       Werte“ zu verteidigen: Der Islam gehöre nicht zur christlichen Tradition
       des Abendlandes. Die Homo-Ehe zerstöre die traditionelle Kernfamilie aus
       Vater, Mutter, Kind. Immer ist die Argumentation: Früher war alles besser.
       
       Dabei gehört doch gerade das Recht auf freie Meinungsäußerung zu diesem
       „Früher“. Es ist einer der ältesten Werte in der westlichen Welt, Europa
       und die USA sind quasi die Wiege der Pressefreiheit. 1695 schaffte England
       [4][die Zensur ab] und gewährte damit de facto eine freie Presse. 1766
       verabschiedete Schweden das erste Pressefreiheitsgesetz der Welt. In den
       USA steht die Pressefreiheit seit 1791 in der Verfassung. Sie ist eine
       Errungenschaft der modernen Demokratie. Und ausgerechnet diesen
       ureuropäischen, uramerikanischen Wert wollen Rechtspopulisten verraten.
       
       Sie tun das nicht erst seit Kurzem. So heftig wie derzeit wurde wohl noch
       nie über die öffentlich-rechtlichen Medien gestritten. Das ist einerseits
       gut, denn die Debatte darüber, was die Anstalten leisten und wie sie mit
       dem Geld der Beitragszahler umgehen sollen, ist wichtig. Das Schwierige an
       diesen Debatten aber ist: So weit, dass man wirklich über ernst zu nehmende
       Reformen sprechen könnte, gehen sie meist nicht. Rechtspopulisten, auch die
       AfD in Deutschland, greifen den Rundfunk so grundlegend an, dass es am Ende
       nur noch um die Frage geht: Öffentlich-Rechtliche – ja oder nein?
       
       ## Jetzt schon ein Sieg
       
       So war es gerade [5][in der Schweiz], wo eine Gruppe aus Jungen Libertären
       und Rechtspopulisten eine Volksabstimmung über die Abschaffung der
       Rundfunkgebühr initiierte und die ganze Republik nur darüber diskutierte,
       ob sie den öffentlichen Rundfunk braucht oder nicht. Ja, entschied die
       Mehrheit der Schweizer.
       
       So war es gerade [6][in Dänemark,] wo die Regierung beschlossen hat, den
       Rundfunk stark zu beschneiden. Auch dort trieben Rechtspopulisten eine
       Debatte voran, in der jede Kritik gleich zur Kritik am gesamten System der
       Öffentlich-Rechtlichen wurde.
       
       Das ist der Sieg, den Rechtspopulisten mit ihren Attacken auf eine freie
       Presse schon jetzt errungen haben – aller Tradition zum Trotz.
       
       16 Apr 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://derstandard.at/2000077928072/FPOe-Stiftungsrat-will-nicht-korrekte-ORF-Korrespondenten-streichen
   DIR [2] http://xn--FP-Chef%20muss%20sich%20entschuldigen-yic
   DIR [3] https://www.fbo.gov/index?s=opportunity&mode=form&id=22aa793f75ce05efd160cfa36d7a8acc&tab=core&tabmode=list&=
   DIR [4] http://www.hausderpressefreiheit.de/Home/Presse--und-Meinungsfreiheit/Zur-Geschichte-der-Pressefreiheit.html
   DIR [5] /!5484415/
   DIR [6] /!5492183/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Fromm
       
       ## TAGS
       
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