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       # taz.de -- Ausstellung in Leipzig: Aus der Vorhölle
       
       > Eine erste Retrospektive widmet sich dem Werk von Arno Rink. Ein
       > Arte-Film ergänzt das Bild des Wegbereiters der Neuen Leipziger Schule.
       
   IMG Bild: 1968 vollendete Arno Rink „Das Lied vom Oktober II“
       
       Neo Rauch, Michael Triegel, Christoph Ruckhäberle und David Schnell – sie
       alle haben bei ihm studiert. Der Maler und Zeichner Arno Rink war ihr
       Professor an der renommierten Hochschule für Grafik und Buchkunst in
       Leipzig, wo er von 1979 bis 2007 die Klasse für Malerei/Grafik leitete. Im
       vergangenen September ist Rink im Alter von 76 Jahren verstorben.
       
       „Ohne Arno Rink gäbe es diese Neue Leipziger Schule überhaupt nicht“,
       verdeutlicht Gerd Harry Lybke, Kopf der Galerie Eigen+Art. Immerhin vier
       der 24 von ihm vertreten Künstler haben bei Rink studiert. Und es sind bei
       Weitem nicht nur die Superstars, die er geprägt hat, eine ganze Generation
       Leipziger Maler ging bei ihm in die Lehre.
       
       Das Leipziger Museum der bildenden Künste widmet dem Künstler nun die erste
       umfassende Retrospektive: Unter dem schlichten wie eingängigen Titel „Ich
       male!“ sortieren sich die 65 Werke teils chronologisch, teils thematisch.
       Neben den Werktiteln informieren kurze Wandtexte über den jeweiligen
       Zeitkontext, auf die von Direktor Alfred Weidinger sonst gern benutzten
       überdimensionalen Zitate an der Wand wurde verzichtet. Die Bilder hätten
       sie auch nicht ausgehalten. Soviel wird da erzählt, geliebt, gezweifelt.
       
       Rink stammte aus einem kommunistisch geprägten Arbeiterhaushalt, hat sich
       dem sozialistischen Realismus zunächst noch verpflichtet gefühlt. Doch die
       Gleichmacherei hat ihn gestört. Der menschliche Körper ist das Kontinuum in
       seinen Bildern, zentral in Szene gesetzt, mal erotisch, mal symbolisch, mal
       surreal, geprägt auch vom Rückgriff auf die Antike und die Bibel. Und immer
       wieder meint man, Rinks markanten Kopf zu erkennen.
       
       ## „Brennendes Atelier“
       
       „Wobei sein Inneres wahrscheinlich eine Art Vorhölle gewesen sein muss,
       denn ich habe nie jemanden erlebt, der so zerrissen und selbstzweiflerisch
       war“, erklärt Neo Rauch im Film „Der Maler Arno Rink“, der vergangenen
       Sonntag erstmals bei Arte ausgestrahlt wurde. Am eindrücklichsten
       verdeutlichen dies in der Ausstellung die Bilder aus den Umbruchjahren:
       „Ich verbrenne meine Bilder“ und schließlich 1990 „Brennendes Atelier“.
       
       Mit dem Ende der DDR wird die figurative Malerei für tot erklärt,
       Fotografie und Medienkunst sind gefragt. Ost- und Westkunst lässt sich
       nicht vertraglich wiedervereinen – doch der Weg in die Abstraktion ist für
       Rink nicht die Lösung. Von der politischen Dimension dieser Zeit zeugen
       hochformatige Selbstportraits mit dem Titel „Protokolle einer
       Ministerbesprechung“, alle aus dem Jahr 1991.
       
       Rink war der einzige Rektor auf dem Staatsgebiet der Ex-DDR, der nach der
       Wende im Amt bestätigt wurde. Als solcher war er verantwortlich für
       sämtliche Reformprozesse an der Hochschule. Immer wieder musste er für
       Gespräche nach Dresden, die verhörartig abliefen und die er laut Wandtext
       als traumatisch empfand.
       
       Eindrücklich beginnt und schließt der Rundgang mit einer Serie von
       Atelierbildern: Rink war Vollblutmaler, hatte am Ende weniger Angst vor dem
       Tod, als davor nicht mehr arbeiten zu können. Mit seinem Tod beginnt der
       50-minütige Film von Nicola Graef. Sogar bei der Beisetzung war die Kamera
       dabei. Unnötig für den Zuschauer, der die Trauernden beobachten muss.
       
       ## Wunschlos unglücklich
       
       Abgesehen vom zeitlich schlicht falschen Untertitel – hier wird Rink als
       Wegbereiter der Leipziger Schule betitelt, zu der jedoch unter anderem sein
       eigener Lehrer Bernhard Heisig gezählt wird – überzeugt die differenzierte
       Darstellung der Rolle der Kunst in der DDR. Fakten, Archivmaterial und
       nicht zuletzt die O-Töne von Galerist Lybke ordnen Rink in dieses System
       ein. Vom Künstler selbst gibt es kaum Filmmaterial, umso mehr Raum kommt
       seinen Bildern und den Erinnerungen seiner Familie, Vertrauten und Schülern
       zu.
       
       „Wunschlos unglücklich“ sei er gewesen, so vermerkte Arno Rink in einem
       seiner 28 Tagebücher. Auch stationäre Klinikaufenthalte hätten sein Leben
       geprägt. „Wenn er dann drei Tage dort war, fing die Gruppe an zu malen“,
       verrät seine Frau Christine in der Dokumentation und verdeutlicht den
       lebenserhaltenden Stellenwert, den die Malerei für Rink hatte. Über der
       Arbeit an einem Bild der Judith ist er verstorben.
       
       1 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sarah Alberti
       
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