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       # taz.de -- Afghanistans überfällige Parlamentswahl: Eine Abfuhr von den Taliban
       
       > Afghanistans Aufständische wollen die für Oktober geplante Wahl
       > boykottieren. Das Ergebis werde ohnehin von Washington diktiert, so die
       > Begründung.
       
   IMG Bild: Wurde bei der Wahl 2014 teilweise auch von den Taliban respektiert: Präsident Ashraf Ghani
       
       BERLIN taz | Die Taliban haben zu Wochenbeginn die Einladung von
       Afghanistans Präsidenten Aschraf Ghani ausgeschlagen, sich bei den
       Parlaments- und Distriktratswahlen am 20. Oktober ebenfalls dem Wählervotum
       zu stellen.
       
       Die Regierung hatte gerade mit der Wählerneuregistrierung begonnen, da
       riefen die Taliban zum Wahlboykott auf. Ihre Begründung: Wer bei den Wahlen
       gewinne, werde sowieso „im Weißen Haus und im Pentagon“ festgelegt.
       
       Dies überrascht nicht. Die Taliban sind keine politische Partei und
       besitzen auch keinen politischen Flügel wie etwa die IRA in Nordirland mit
       Sinn Féin. Die Taliban wollen also nicht als politische, sondern als
       Konfliktpartei anerkannt werden, als solche über den Abzug der
       ausländischen Truppen verhandeln und erst dann über alles andere.
       
       Das wird in Kabul und im Westen oft verkannt, sodass Friedensvorschläge –
       selbst weitreichende, wie die Ghanis vom Februar – ins Leere laufen.
       
       ## Enttäuscht von Präsident Ghani
       
       Trotzdem wiesen die Taliban Ghanis Vorschläge nicht zurück, sondern
       signalisieren durch Schweigen, dass sie Gespräche nicht ausschließen. Im
       Februar boten Afghanistans Unterstützer, darunter die USA, indirekt an, ein
       Zeitplan für einen Truppenabzug könne Thema von Verhandlungen sein. Heute
       üben die Taliban in etwa 70 Prozent des Landes deutlichen Einfluss aus.
       
       Deshalb ist die jetzige offene Zurückweisung Ghanis ein deutliches Zeichen.
       Im Gegensatz dazu gab es vor der letzten Präsidentenwahl 2014 keinen
       eindeutigen Boykottaufruf. Die Taliban sahen damals in vielen Regionen
       sogar davon ab, die Wahl zu stören.
       
       Sie wollten damals einen Paschtunen an der Staatsspitze sehen, und nicht
       einen Tadschiken und Talibangegner. Ghani siegte durch überwältigende
       Mehrheiten in vielen Paschtunengebieten.
       
       Aber in den Augen der Aufständischen zeigte sich Ghani dann nicht
       erkenntlich. Stattdessen ziehe er kritiklos bei der von US-Präsident Donald
       Trump angeordneten Eskalation des Krieges mit.
       
       Zudem versucht er, weltweit islamische Geistliche dazu zu bringen, den
       Kampf der Taliban-als unislamisch zu verurteilen. Das rührt an ihr
       Selbstverständnis als Verteidiger des islamischen Charakters ihres Landes
       gegen ausländische Invasoren.
       
       ## Wahltermin könnte unrealistisch sein
       
       Die Parlamentswahlen hätten eigentlich im Mai 2015 stattfinden müssen und
       sind schon fast drei Jahre überfällig. Querelen zwischen Ghani und Abdullah
       Abdullah, inzwischen Quasi-Regierungschef in der wackligen Koalition, um
       die Neubesetzung der Wahlkommission verhinderten dringend nötige
       Wahlreformen.
       
       Auch der Oktobertermin könnte sich noch als unrealistisch erweisen. Da dann
       in Berggebieten bereits Winter ist, würde das politisch sensiblen
       ethnischen Minderheiten die Stimmabgabe erschweren.
       
       Afghanistan würde weiter destabilisiert, sollte sich – was abzusehen ist –
       das monatelange Nachwahlchaos von 2010 und 2014 wiederholen. Das würde etwa
       die nächste Präsidentenwahl gefährden, die spätestens am 22. April 2019
       stattfinden muss.
       
       17 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Ruttig
       
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