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       # taz.de -- Kehrtwende bei Nuklearprogramm: Nordkorea will Atomtests beenden
       
       > Nach jahrelangen Drohgebärden und militärischen Demonstrationen der Macht
       > sendet Pjöngjang Signale der Entspannung. Dennoch gibt es Grund zur
       > Sorge.
       
   IMG Bild: Kim Jong Un während der Sitzung des Zentralkomitees der Koreanischen Arbeiterpartei, bei der er das Ende der Atomtests verkündete; die Aufnahme wurde von der Regierung zur Verfügung gestellt
       
       Seoul/Pjöngjang/Peking dpa | Keine Atomversuche und Tests mit
       Interkontinentalraketen mehr, dafür volle Konzentration auf
       Wirtschaftswachstum: Mit dieser Ankündigung hat Nordkorea vor den
       Gipfeltreffen mit Vertretern Südkoreas und der USA das Ausland überrascht.
       
       Machthaber Kim Jong Un begründete den Schritt nach Berichten staatlicher
       Medien vom Samstag unter anderem mit der Vollendung des nordkoreanischen
       Atomprogramms – dieser „große Sieg“ mache weitere Tests unnötig. Zwar
       sprachen Südkorea und die USA von einem wichtigen Fortschritt im
       Atomstreit, doch auffällige Lücken in der Erklärung aus Pjöngjang sorgen
       für Skepsis.
       
       So ist von einem gänzlichen Verzicht auf das Atomprogramm, wie es die
       internationale Gemeinschaft von Pjöngjang fordert, in dem Bericht nicht die
       Rede. Auch blieb offen, inwiefern die kommunistische Führung bereit ist zum
       Verzicht auf den Bau weiterer Atomsprengköpfe und Raketen, geschweige denn
       zum Abbau ihres bestehenden Arsenals.
       
       Die nukleare Testanlage Punggye-ri im Nordosten des Landes soll laut der
       nordkoreanischen Staatsagentur KCNA komplett geschlossen werden, um die
       Absicht zur Aussetzung der Atomtests zu bekräftigen. In der Anlage hatte
       Nordkorea seit 2006 all seine sechs bisherigen Atomwaffentests unternommen
       – den bisher letzten und stärksten im September vergangenen Jahres.
       
       ## Entwicklung der Wirtschaft soll stärker im Fokus stehen
       
       Der Streit um das nordkoreanische Atomprogramm gehört seit Jahren zu den
       gefährlichsten Konflikten der internationalen Politik. Die Spannungen
       hatten sich 2017 deutlich verschärft, nachdem Nordkorea mehrfach Raketen
       und eine weitere Atombombe getestet und damit gegen UN-Resolutionen
       verstoßen hatte.
       
       Die Beschlüsse der kommunistischen Führung in Pjöngjang wurden am Freitag
       bei einem Treffen des Zentralkomitees der Arbeiterpartei getroffen. Zudem
       wurde ein Wechsel des politischen Kurses angedeutet, mit dem sich das
       abgeschottete und verarmte Land künftig stärker auf die Entwicklung der
       Wirtschaft konzentrieren wolle. Nicht zuletzt durch internationale
       Sanktionen liegt der kommunistische Staat mit seinen rund 25 Millionen
       Einwohnern wirtschaftlich am Boden.
       
       „Wir werden die Atomversuche und Teststarts mit Interkontinentalraketen vom
       21. April 2018 an nicht fortsetzen. Das nördliche Atomtestgelände wird
       demontiert, um transparent die Aussetzung der Atomtests zu garantieren“,
       heißt es in dem Beschluss des Zentralkomitees. Auch die Arbeit daran,
       Atomsprengköpfe auf ballistische Raketen zu montieren, sei beendet.
       Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Raketen, die mit
       konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengköpfen
       bestückt werden.
       
       Nordkorea hatte bereits nach dem Test einer Interkontinentalrakete im
       vergangenen November erklärt, die Entwicklung zur Atomstreitmacht sei
       abgeschlossen. Die USA als Erzfeind und Verbündeter Südkoreas befänden sich
       in Reichweite nordkoreanischer Langstreckenraketen.
       
       ## Ein weiterer Schritt auf dem Weg der Annäherung
       
       Die jüngsten Entspannungssignale passen zum vorsichtigen Annäherungskurs
       Nordkoreas seit Beginn des Jahres. Nach Angaben des südkoreanischen
       Präsidenten Moon Jae In ist Nordkorea zur kompletten Denuklearisierung
       bereit. Kim verlange aber ein Ende der „feindseligen Politik“ der USA und
       eine Sicherheitsgarantie.
       
       Moon und Kim wollen nächsten Freitag im Grenzort Panmunjom zum erst dritten
       gesamtkoreanischen Gipfeltreffen seit Ende des Korea-Kriegs (1950-1953)
       zusammenkommen. Neben dem Ende des nordkoreanischen Atomprogramms will Moon
       auch über Bedingungen eines dauerhaften Friedens auf der koreanischen
       Halbinsel reden.
       
       Geplant ist auch ein Gipfeltreffen zwischen Kim und US-Präsident Donald
       Trump, möglicherweise Anfang Juni. Zu den jüngsten Berichten aus Pjöngjang
       schrieb Trump in der Nacht zum Samstag auf Twitter: „Das sind sehr gute
       Neuigkeiten für Nordkorea und die Welt.“ Er freue sich auf den Gipfel. Als
       Gesandter Trumps war der CIA-Chef und designierte US-Außenminister Mike
       Pompeo bereits kürzlich von Kim zu einem Geheimbesuch in Nordkorea
       empfangen worden.
       
       Die südkoreanische Regierung begrüßte den Teststopp als „bedeutsamen
       Fortschritt für die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel, die sich
       die Welt wünscht“. Sie diene zudem als „sehr positive Grundlage“ für das
       nahende Gipfeltreffen. Am Freitag war erstmals eine direkte
       Telefonverbindung zwischen den Staatschefs beider Länder getestet worden,
       um einen direkten Austausch in Krisensituationen zu ermöglichen.
       
       ## Japan reagiert verhalten
       
       Auch China hat die Aussetzung der Atom- und Raketentests durch Nordkorea
       begrüßt. Der Sprecher des Außenministeriums, Lu Kang, sagte am Samstag in
       Peking, die Entscheidung werde helfen, die Spannungen auf der koreanischen
       Halbinsel abzubauen. Auch würden die Denuklearisierung und eine politische
       Lösung damit vorangebracht.
       
       „Es ist zu hoffen, dass alle betroffenen Parteien sich in die gleiche
       Richtung bewegen und konkrete Schritte ergreifen, um nötige Bemühungen zu
       unternehmen, anhaltenden Frieden und gemeinsame Entwicklung in der Region
       zu erreichen.“ China werde Nordkorea durch Konsultationen mit allen
       Parteien unterstützen, um ihren Sorgen zu begegnen und die Beziehungen
       untereinander zu verbessern.
       
       China wünsche Nordkorea Fortschritte bei der Entwicklung seiner Wirtschaft
       und der Anhebung des Lebensstandards, sagte der Sprecher ferner unter
       Hinweis auf die Pläne von Machthaber Kim Jong Un, sich jetzt auf den Aufbau
       der Wirtschaft zu konzentrieren.
       
       Japans Ministerpräsident Shinzo Abe äußerte sich verhalten positiv zum
       Anschein eines Sinneswandels in Pjöngjang. Man werde sehen, ob der Schritt
       zu einer nachweisbaren und unumkehrbaren Beseitigung des Arsenals an
       Massenvernichtungswaffen führe.
       
       Sein Verteidigungsminister Itsunori Onodera wies zudem darauf hin, dass in
       der Erklärung Nordkoreas nur auf den Teststopp für ballistische
       Langstreckenraketen Bezug genommen werde – nicht aber auf Tests mit Kurz-
       und Mittelstreckenraketen, in deren Reichweite sich Japan und Südkorea als
       Nachbarstaaten befinden. Deshalb sei die Erklärung „unbefriedigend“ und
       „unzureichend“.
       
       21 Apr 2018
       
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