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       # taz.de -- Demonstrationsrechte in Polen: Umweltprotest wird kriminalisiert
       
       > Per Sondergesetz hebelt Polen zur Klimakonferenz von Kattowitz Demorechte
       > und Datenschutz aus. Das verletzt wahrscheinlich EU-Recht.
       
   IMG Bild: Recht auf Demonstration: Bereits 2009 wurden Klimagipfel-Gegner in Kopenhagen verhaftet
       
       BONN taz | Polen verstößt durch ein Sondergesetz zur Sicherheit rund um die
       Klimakonferenz in Kattowitz (COP24) im Dezember möglicherweise gegen
       europäisches Recht. Die weitreichenden Eingriffe in den Datenschutz der
       Teilnehmer und ein Verbot von spontanen Demonstrationen könnten Verstöße
       gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und die
       Datenschutzkonvention des Europarats darstellen. Das ist das Fazit eines
       Gutachtens, das der wissenschaftliche Dienst des Bundestags auf Anfrage der
       Linksfraktion angefertigt hat. Die Untersuchung liegt der taz vor.
       
       Im Januar hat das polnische Parlament das „COP24-Gesetz“ erlassen. Darin
       bekommen die Behörden weitreichende Freiheiten, die Daten von Delegierten,
       Journalisten und Beobachtern zu erheben, zu speichern und mit Behörden
       anderer Länder abzugleichen – auch ohne Zustimmung und Wissen der
       Betroffenen. Gleichzeitig sind vom 26. November bis 17. Dezember in ganz
       Kattowitz spontane Versammlungen verboten. Die Experten des Bundestags
       befinden, dass zumindest beim Demonstrationsverbot „einiges dafür spricht“,
       dass ein „Eingriff in den Schutzbereich“ der Europäischen
       Menschenrechtskonvention vorliegt. Es „erscheint fraglich“, ob die Behörden
       damit ein „legitimes Ziel“ verfolgten, heißt es. Und das Verbot sei wohl
       auch nicht verhältnismäßig, „wenn keine Ausschreitungen drohen“.
       
       Zur Datensammelwut kommen die Juristen zu keinem abschließenden Urteil.
       Zwar könne die geplante geheime Sammlung von Daten auch aus dem Privatleben
       ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention darstellen. Aber ohne Wissen
       über das konkrete Vorgehen der Polizei könne nicht abschließend beurteilt
       werden, ob der Schutzbereich der Konvention betroffen sei. Es lasse sich
       also nicht sagen, ob die Maßnahmen gerechtfertigt und verhältnismäßig
       seien. Immerhin sei vorgesehen, die Daten bis Ende 2019 wieder zu löschen.
       
       „Dieses Gutachten weist darauf hin, dass die polnische Regierung erneut
       Rechtsbeugung betreibt“, erklärte der europapolitische Sprecher der Linken,
       Andrej Hunko. Die Europäische Menschenrechtskonvention sei verbindlich.
       „Die polnischen Konservativen treten die sozialen und politischen
       Grundrechte Europas mit Füßen und torpedieren die Umsetzung der
       Klimaverhandlungen, weil sie Geschäfte mit Steinkohle und Frackinggas
       machen. Die Proteste gegen diese Politik lassen sich nicht einfach
       verbieten.“ Er rufe „die Aktivisten der Klima-Bewegung auf, alle
       rechtlichen Schritte, auch auf EU-Ebene zu nutzen, um bereits im Vorfeld
       des COP24 das polnische Sondergesetz zu kippen.“
       
       ## „Schlüssel zum Erfolg“
       
       Auf der aktuellen [1][Klimakonferenz in Bonn] sind die Umweltgruppen
       alarmiert. Zwar sei es wichtig, die Sicherheit der Konferenz zu
       gewährleisten, heißt es im Newsletter ECO. „Aber die Kriminalisierung der
       Zivilgesellschaft untergräbt das Recht der Delegierten und schadet den
       Verhandlungen. Die Beteiligung der Zivilgesellschaft an der COP24 ist keine
       Bedrohung, sondern ein Schlüssel zum Erfolg der Verhandlungen.“
       
       Ein Sprecher des UN-Sekretariats UNFCCC wies darauf hin, dass die UN mit
       Gastgeberländern unter Wahrung des Datenschutzes Infos über Teilnehmer
       austausche. Das Sekretariat „unterstützt das Recht auf friedlichen Protest
       und Demonstrationen inner- und außerhalb der Konferenzen, mit Rücksicht auf
       Sicherheitsaspekte der UN und der Gastgeberländer“, hieß es.
       
       Auch bei vergangenen UN-Klimakonferenzen wurden Grundrechte stark
       eingeschränkt. In Paris galt 2015 ein [2][komplettes Demoverbot] – das
       Treffen fand allerdings zwei Wochen nach den islamistischen Terrorattacken
       mit 130 Toten statt. Und auf der Konferenz versammelten sich die
       wichtigsten Staatschefs, was in Kattowitz nicht zu erwarten ist. Auch
       Dänemark griff 2009 in Kopenhagen hart durch. Demonstranten wurden
       verhaftet, vier Greenpeace-Aktivisten, die sich in den Empfang bei der
       Königin geschmuggelt hatten, wurden 20 Tage lang festgehalten.
       
       8 May 2018
       
       ## LINKS
       
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