URI: 
       # taz.de -- Ausstellung „Große Oper – viel Theater?“: Der schlummernde Drache
       
       > Warum sind Sanierungen und Neubauten von Theatern so teuer? Eine
       > Ausstellung im Frankfurter Architekturmuseum erklärt es.
       
   IMG Bild: Das Gebäude Norske Opera & Ballett in Oslo setzt starke Impulse für ein Stadtviertel
       
       Frankfurt taz | In der vorläufigen Endabrechnung hat die [1][Sanierung der
       Berliner Staatsoper] 400 Millionen Euro statt der ursprünglich
       veranschlagten 239 Millionen verschlungen. Gut möglich, dass noch weitere
       Rechnungen eintrudeln, aber immerhin ist das Haus nun endlich spieltüchtig.
       
       Die pannenreiche Baugeschichte der Lindenoper ist nur ein Fall unter
       vielen, zu denen das Düsseldorfer Schauspielhaus, die Kölner Oper und die
       [2][Elbphilharmonie] zählen, denn für sie alle gilt, dass sowohl die Kosten
       als auch die Dauer der Projekte ins Skandalöse gewachsen sind. Über alle
       Fälle ist viel schwadroniert worden, über die Gründe wurde teils
       spekuliert, teils wurden vermeintlich Schuldige bei der Baumafia oder
       verrückten Theaterleuten und Architekten identifiziert.
       
       Demnächst stehen Sanierungen in Stuttgart, Karlsruhe und vor allem in
       Frankfurt an, wo im vergangenen Juni eine Machbarkeitsstudie zur Zukunft
       der sanierungsbedürftigen Bühnen der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die
       Studie warf die noch sagenhaftere, doch wohl realistische Zahl von 900
       Millionen Euro in den Raum, was einen Aufschrei zur Folge hatte. 900
       Millionen wird die Sanierung von Schauspiel- und Opernhaus in Frankfurt
       vermutlich kosten, aber auch ein Neubau an anderem Ort wird diese Summe
       verschlingen.
       
       Die Schockwellen dieser Zahl nahm das Frankfurter Architekturmuseum zum
       Anlass, die Studie aufzuschlüsseln, weitere exemplarische Beispiele
       anzuführen und Impulse zu setzen mit der Dokumentation geglückter Projekte.
       Die klar konzipierte [3][Ausstellung „Große Oper – viel Theater?“] bietet
       drei Module: Sanierungen, Neubauten und Konzepte für Häuser, die den
       Anschluss an Stadtentwicklungsprojekte suchen. Außerdem versuchen die
       Macher, die Projekte durch Erhebung der Daten vergleichbar zu machen.
       
       Zunächst wird die Frankfurter Doppelanlage seziert, an dem sich die
       Schwierigkeiten exemplarisch zeigen, denn ihre verzwickte Baugeschichte
       reicht zurück bis 1902. Yorck Förster, der gemeinsam mit Andrea Jürges die
       Schau konzipiert hat, erläutert: „Immer schon waren Theaterbauten ein
       Ausdruck des gesellschaftlichen Selbstverständnisses. 1902 war es noch ein
       bürgerliches Theater hinter verschlossenen Türen ohne jeden Einblick, was
       dem Repräsentationsmodus des wilhelminischen Kaiserreichs entspricht.
       Das gläserne Foyer von 1963 steht dann für einen unglaublichen
       gesellschaftlichen Aufbruch und die neue Offenheit.“
       
       ## Haustechnik – der unberechenbare Teil
       
       Ein wesentlicher Teil der Machbarkeitsstudie war die Recherche, dabei ging
       es um drei Bereiche: Der bautechnische Teil, die Bühnentechnik und dann die
       alles entscheidende Frage, wie Förster weiß: „Die Haustechnik, denn das ist
       der schlummernde Drache!“ Die Haustechnik ist der unberechenbarste Teil
       einer Sanierung, weil früher nicht üblich war, den Bestand durchgängig zu
       dokumentieren. Das bedeutet, niemand weiß, was genau sich etwa hinter einem
       Paneel verbirgt. Eine Betonwand oder zwei Gipskartonplatten?
       
       Die Machbarkeitsstudie hat auch deshalb solch hohe Kosten kalkuliert, weil
       sie endlich einmal wirklich alle Kosten aufgelistet hat, die anfallen, wie
       etwa die Mieten für Interimsspielstätten, einen Risikoaufschlag von 30
       Prozent und Teuerungszuschläge. Eine weitere Falle für Sanierungen sind
       verschärfte gesetzliche Regelungen und die ständig wachsende Technik, sagt
       Förster. „Selbst wenn sie nur an einer Stelle eingreifen wollen, tangiert
       es sofort den Bestandsschutz von vielen anderen Bereichen. Das ist wie ein
       Mikado-Spiel. Ziehen sie ein Stäbchen heraus, bricht alles zusammen.“
       
       Entscheidend wirken dabei auch geänderte Arbeitsstättenrichtlinien. So ist
       heute doppelt so viel Platz für einen Orchestermusiker vorgesehen wie
       früher, was sich auf die Größe eines Orchestergrabens entscheidend
       auswirkt.
       
       ## Thema Belüftungsanlagen
       
       Ein weiteres Thema sind Belüftungsanlagen: „Bei älteren Anlagen gibt es
       eine hohe Strömungsgeschwindigkeit wegen der engen Schächte, was ein
       leichtes Grundrauschen erzeugt. Die neueren Anlagen haben eine viel
       geringere Lüftungsgeschwindigkeit und brauchen einen ungleich breiteren
       Querschnitt, um den gleichen Luftdurchsatz zu garantieren. Also muss man
       die Schachtmaße durch Durchbrüche erweitern. Dann fehlt aber der Platz für
       den Rest“, so Förster.
       
       Will man sich um Sanierungen drücken, droht Ersatzteilmangel veralteter
       Technik. Brandschutz und Fluchtwege sind weitere Problemfelder, die
       erläutert werden. Generell gilt: Die Häuser werden größer und immer
       komplexer.
       
       Neubauten und vielen Sanierungsprojekten – wie dem Dresdner Kulturpalast –
       ist gemeinsam, dass sie heute auch tagsüber „bespielt“ werden sollen,
       Cafés, Bibliotheken beherbergen und Einblicke geben in den früher
       hermetisch abgeschirmten Betrieb. Bauten wie die Osloer Oper wollen starke
       Impulse setzen für ein Stadtquartier oder einen Bezirk ganz umdeuten, wie
       es dem Linzer Opernhaus gelungen ist. Das alles ist Ausdruck gewandelter
       gesellschaftlicher Vorstellungen und Ansprüche.
       
       ## Umständliche demokratische Prozesse
       
       Auch der Fall der Kölner Oper ist in Frankfurt dokumentiert, dessen
       ausführendes Unternehmen für die Haustechnik übrigens das gleiche war, das
       beim BER unter Vertrag stand. Bauprojekte der öffentlichen Hand leiden
       zudem unter den umständlichen demokratischen Prozessen, den zähen
       Vergabeverfahren etwa.
       
       Wie es anders geht, kann man in der Schau an zwei Beispielen sehen, nämlich
       dem gigantischen Athener Kulturzentrum, das die Reederfamilie Niarchos den
       Griechen schenkte. Und dem Kopenhagener Opernhaus, das der Reeder Arnold
       Mærsk Mc-Kinney Møller stiftete und selbstbewusst direkt gegenüber der
       königlichen Amalienborg platzierte. „Da gab es keinen Wettbewerb und keine
       Ausschreibungen. Es ist das Projekt mit der weitaus kürzesten
       Planungszeit“, sagt Förster. „Aber natürlich ein Projekt, das ins 18.
       Jahrhundert gehört, weil es eigentlich absolut feudal ist.“
       
       1 May 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Staatsoper-Unter-den-Linden/!5448488
   DIR [2] /Haeppchenweise-Eroeffnung-der-Elbphilharmonie/!5366653
   DIR [3] http://www.dam-online.de/portal/de/Ausstellungen/GROSSEOPERe28093VIELTHEATER3fBuehnenbautenimeuropaeischenVergleich/0/0/89926/mod891-details1/1594.aspx
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Regine Müller
       
       ## TAGS
       
   DIR Ausstellung
   DIR Staatsoper Unter den Linden
   DIR Bauskandal
   DIR Theater
   DIR Elbphilharmonie
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Staatsoper Unter den Linden: Der kleine BER macht auf
       
       Nach sieben Jahren Sanierung und vielen Skandalen eröffnet am 3. Oktober
       die Staatsoper. Es ist trotz allem ein schönes Opernhaus dabei
       herausgekommen.
       
   DIR Bauprojekt in Köln: Oper ganz oben dabei
       
       Kölns neuer Bauskandal ist amtlich: Die Opernsanierung wird mehr als
       doppelt so teuer und zieht sich noch Jahre hin.
       
   DIR Bühnenfassung „Auerhaus“: Man hängt herum in der Küche
       
       Die Uraufführung von Bov Bjergs Roman „Auerhaus“ am Düsseldorfer Schauspiel
       bleibt nah am Text. Sie wird dafür gefeiert – völlig zu Recht.
       
   DIR Häppchenweise Eröffnung der Elbphilharmonie: Kein Haus für alle
       
       Kaum war die Plaza der Elbphilharmonie freigegeben worden, begann der Run.
       Warum die Wut über Bauzeit und Kosten so schnell wich, bleibt rätselhaft