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       # taz.de -- Österreich lockert Datenschutz: Wien tanzt aus der Reihe
       
       > Der Nationalrat beschließt weitgehende Straffreiheit für die
       > Datenweitergabe. Und Konzerne sollen auf vertrauliche Gesundheitsinfos
       > zugreifen dürfen.
       
   IMG Bild: Ist nichts mit Datenschutz bei der Elektonischen Gesundheitskarte Elga
       
       WIEN taz | Auch bei der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die am 25. Mai
       in der gesamten EU in Kraft tritt, tanzt Österreich aus der Reihe: Während
       die deutsche Bundesregierung im aktuellen Facebook-Skandal gerne mit den
       Strafen in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes droht – für
       Facebook wären das 1,6 Milliarden Euro –, wurden dem Gesetzeswerk von den
       Regierungsparteien ÖVP und FPÖ gerade die Zähne gezogen: Nun soll es
       Sanktionen in aller Regel nur für Wiederholungstäter geben, selbst hiervon
       gibt es Ausnahmen. Behörden sollen immer straffrei ausgehen. Grotesk: Laut
       der vom Nationalrat beschlossenen Regelung dürfen sogar ausländische Spione
       ohne Strafe in österreichischen Daten herumschnüffeln.
       
       Für Aufregung bei Datenschützern und Ärztekammer sorgt längst ein weiterer
       Wiener Plan: das Datenschutzanpassungsgesetz für Wissenschaft und
       Forschung. Der Entwurf sieht vor, dass Forschungseinrichtungen Zugang zu
       bestimmten Datenbanken bekommen sollen, darunter ausdrücklich auch zur
       Elektronischen Gesundheitsakte (Elga), die als besonders missbrauchssicher
       beworben worden war.
       
       Neben Universitäten, Museen und wissenschaftlichen Instituten sollen auch
       Forschungsabteilungen von Konzernen mit den vertraulichen Daten arbeiten
       dürfen. Der Entwurf der konservativen ÖVP-FPÖ-Koalition sieht vor, dass
       Klarnamen durch eine Kennzahl ersetzt werden, die die namentliche Zuordnung
       der Patientendaten verhindert.
       
       ## Im illegalen Handel teurer als Kreditkartendaten
       
       Für Thomas Szekeres, den Präsidenten der österreichischen Ärztekammer, ist
       das nicht genug. „Nicht nur, dass diese Daten bei Bekanntwerden über die
       Frage – Bekomme ich den Job oder nicht? – entscheiden können, sie werden im
       illegalen Handel sogar weit teurer verkauft als Kreditkartendaten“, so
       Szekeres zur Tageszeitung Die Presse. Er nennt beispielhaft Depressionen,
       chronische Erkrankungen, HIV, Krebs oder Implantate, die in der Elga
       vermerkt sind. Die Ärztekammer, die jahrelang Widerstand gegen die
       Einführung der Datei geleistet hat, sieht sich nun in ihrem Misstrauen
       bestätigt.
       
       Auch Thomas Lohninger, Direktor der Datenschutzorganisation epicenter.works
       warnt vor Missbrauch. Die durch den Facebook-Skandal bekannte
       Datenanalysefirma Cambridge Analytica sei als Forschungsinstitut
       aufgetreten. „Hochsensible Gesundheitsdaten für globale
       Marktforschungszwecke zu öffnen, ist eine ganz schlechte Idee. Die
       Cambridge Analyticas dieser Welt können einzelne Personen leicht in den
       mangelhaft anonymisierten Daten wiederfinden“, sagt der Datenschützer.
       
       Die Regierung rechtfertigt die großzügige Regelung mit der Absicht, den
       Forschungsstandort zu stärken. Es gehe um eine Verbesserung der
       Datenqualität, damit die Wissenschaft wettbewerbsfähig bleibe.
       
       26 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Leonhard
       
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