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       # taz.de -- Social Media der Evangelischen Kirche: Die neue digitale Kanzel
       
       > Die evangelische Kirche versucht aus der christlichen Poetry-Slammerin
       > Jana Highholder eine Influencerin zu basteln. Das Ergebnis ist …
       > ungewohnt.
       
   IMG Bild: Die Kirche hofft auf eine christliche Dagi Bee
       
       Mit strahlendem Lächeln blickt sie in die Kamera, die Rauschlocken wehen im
       Wind, die Augen leuchten vor Begeisterung. Mit einem beinahe schon
       nervenden Enthusiasmus redet die junge Frau auf ihre Zuschauer ein: Jana
       Highholder scheint wie eine typische Repräsentation der Youtuber. Ihr Kanal
       könnte weit gefasst vielleicht dem Bereich Lifestyle zugeordnet werden,
       doch Jana predigt weder über Mode noch über vegane Ernährung. Jana geht es
       um Jesus (den predigenden Charakter haben ihre Videos aber auch).
       
       In Zeiten von schwindenden Mitgliederzahlen ist [1][ihr Kanal] der neueste
       Vorstoß der Evangelische Kirche ins Digitale. Nach dem Vorbild der
       Influencer soll die 19-jährige Medizinstudentin und christliche
       Poetry-Slammerin mit Vlogs und anderen Formaten den 14- bis 29-Jährigen
       zeigen, wie gut es sich mit dem Glauben lebt. Da die Evangelische Kirche
       mit digitalem Marketing nicht viel Erfahrung hat, wurde die Firma
       Mediakraft Networks engagiert. Früher mit der Reichweitensteigerung von
       Youtube-Stars wie [2][LeFloid] und [3][Unge] beschäftigt, tritt das
       Unternehmen heute eher in beratender Rolle auf. Im Fall des Jana-Channels
       heißt das: Konzeption und Produktion – auch die Protagonistin selbst wurde
       gecastet.
       
       Das Ergebnis wirkt seltsam unauthentisch: Meist in Fischaugenoptik zeigt
       die 19-Jährige in unzusammenhängenden Szenen ihren ereignislosen Alltag.
       Neben spontanen Gebetseinlagen im Auto kommt sie dabei immer wieder
       unvermittelt auf ihren Glauben zu sprechen. Ihre eigenen Beweggründe für
       ein christuszentriertes Leben erklärt sie mit der Überwindung einer
       Krebserkrankung in der Kindheit, für den Zuschauer liefert Jana jedoch
       wenig Gründe ihren Lebensstil zu kopieren.
       
       Stattdessen bietet der zugehörige [4][Instagram-Account] eine ganz passende
       Zusammenfassung der fehlenden Argumente: „Ich habe keinen Grund, nicht zu
       glauben“, steht da weiß auf türkisfarbenem Hintergrund. Unabhängig vom
       Thema ein recht schwacher Beweggrund für eine wie auch immer geartete
       Lebensausrichtung.
       
       ## Unterwegs im finsteren Digital
       
       Die Kirche selbst scheint von dem neuen Konzept ebenfalls nicht ganz
       überzeugt. „Glaube und Youtube, evangelisch und soziale Medien, Religion
       und Video – geht das zusammen? Wir wissen es noch nicht“, sagt Jörg
       Bollmann, Direktor des Gemeinschaftswerkes der Evangelischen Publizistik
       (GEP). Vielleicht sollte die Frage aber auch lauten „Ist der Jana-Kanal die
       richtige Social-Media-Strategie?“ Denn dass sich eine Institution wie die
       Kirche nicht der digitalen Revolution verweigern darf, ist inzwischen bei
       vielen angekommen.
       
       Vor etwa einem Jahr veröffentlichte Zeit Online unter dem Titel [5][„Und
       wie wir wandern im finsteren Digital“] einen Beitrag zum fehlenden
       digitalen Reformierungswillen der Evangelischen Kirche. Passenderweise wird
       dort die Bedeutung des zu Luthers Zeiten auftretenden Buchdrucks mit den
       Chancen der Digitalisierung verglichen. Doch anders als damals sind die
       Möglichkeiten der heutigen Medienrevolution lange ungenutzt geblieben, das
       spiegelt sich in den Nutzerzahlen wieder: Obwohl die offizielle
       Facebook-Seite „[6][evangelisch.de]“ inzwischen nicht mehr nur Bibelsprüche
       sondern auch Multimediale Dokumentationen postet, bleibt die Reichweite mit
       53.000 Abonnements gering.
       
       Auf anderen Plattformen sieht es noch schlechter aus: Der [7][zugehörige
       Instagram-Account] hat 3.500 Abonnenten, den Youtube-Channel
       „[8][evangelischDE]“ verfolgen insgesamt 644 Menschen – die Bewohneranzahl
       eines kleinen Dorfes. Die Kirche hat es versäumt die eigentliche
       Möglichkeit von Social Media zu nutzen: mit Menschen zu kommunizieren, mit
       denen sie nicht sowieso schon spricht. Stattdessen verlässt sie sich nach
       wie vor auf das Konzept von Sendern und Empfängern, damit holt man die
       jüngeren Generationen nicht ab. Die Interaktivität des Internets bietet
       eine Chance ins Gespräch zu kommen und dass es bei Jugendlichen nach wie
       vor Gesprächsbedarf in Sachen Spiritualität gibt, zeigen Studien wie die
       des [9][Sinus-Instituts von 2016 (PDF)].
       
       Der Kanal von Jana schlägt zwar grundsätzlich eine neue Richtung ein – die
       Art der Umsetzung macht die Bemühungen aber weitestgehend zunichte. Denn
       Janas Kanal hat viel von einer digitalen Kanzel und gleichzeitig inhaltlich
       nichts mit der Lebensrealität der meisten Jugendlichen zu tun. Mancher
       würde den Kanal auch als unfreiwillige Realsatire bezeichnen. Es bleibt die
       Frage, wie die Kirche ihre potenziellen Schäfchen in Zukunft erreichen
       kann.
       
       Der offizielle Youtube-Kanal von „evangelisch.de“ bietet da möglicherweise
       einen Hinweis in Sachen Influencer: Ein Video, in dem [10][Fußballtrainer
       Klopp über seinen Glauben spricht], wurde immerhin 12.000 mal angeklickt.
       Der Schlüssel zum Erfolg könnte darin liegen, wirkliche Brücken zum
       Alltagsleben der Zielgruppe zu schlagen. Eine gebastelte Influencerin, die
       nur um ihren Glauben kreist und sonst nicht viel zu sagen hat, wird für die
       Kirchen kaum zum Leuchtfeuer der Hoffnung werden. Eher zu einem Irrlicht im
       finsteren Digital.
       
       29 Apr 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/channel/UC8bIqnUJRVWArAW8X3u7iJA
   DIR [2] https://www.youtube.com/channel/UCLm6s42r_wCbBX0QqXNCTwg
   DIR [3] https://www.youtube.com/user/ungespielt
   DIR [4] https://www.instagram.com/janaglaubt/
   DIR [5] https://www.zeit.de/2017/13/digitalisierung-medien-martin-luther-kirchen-reformation-netz
   DIR [6] https://www.facebook.com/evangelischde/
   DIR [7] https://www.instagram.com/evangelisch.de/
   DIR [8] https://www.youtube.com/user/EvangelischDE
   DIR [9] https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=0ahUKEwja15-HutraAhVDyqQKHXssCjYQFgg7MAE&url=http%3A%2F%2Fwww.springer.com%2Fcda%2Fcontent%2Fdocument%2Fcda_downloaddocument%2F978-3-658-12532-5_Wie%2Bticken%2BJugendliche%2B2016.pdf%3FSGWID%3D0-0-45-1559470-p179447875&usg=AOvVaw1jPFyGe_lsilvL7MF6hqHi
   DIR [10] https://www.youtube.com/watch?v=Y69mlQZ8Qvc
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johanna Kuegler
       
       ## TAGS
       
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