URI: 
       # taz.de -- Bill Cosby schuldig gesprochen: Die meisten Taten sind verjährt
       
       > Der US-Schauspieler wurde von einem Gericht wegen sexueller Gewalt für
       > schuldig befunden. Ihm droht eine Haftstrafe von bis zu 30 Jahren.
       
   IMG Bild: Bill Cosby verlässt nach dem Schuldspruch das Gericht in Norristown
       
       „Endlich wird den Frauen geglaubt“, sagt Staranwältin Gloria Allred, als
       Bill Cosby für schuldig befunden worden ist, „nicht nur in der
       MeToo-Bewegung, sondern auch vor einem Gericht“. Die Anwältin steht am
       Donnerstagnachmittag vor dem Gericht in Norristown, Pennsylvania, hinter
       ihr fünf von Dutzenden Frauen, die im Lauf der Jahrzehnte Opfer von Bill
       Cosby geworden sind. „Mein Glaube an die Menschlichkeit ist wieder
       hergestellt“, sagt Lili Bernard, eine von ihnen. Fast alle Frauen haben
       Tränen in den Augen. Eine war so überwältigt, als das Urteil verkündet
       wurde, dass sie im Gericht zusammenbrach.
       
       Der wegen sexueller Gewalt Verurteilte, der sein ganzes Leben witzelnd und
       moralisierend verbracht hat, schwieg auch während der Verkündung des
       Urteils gegen ihn so hartnäckig wie während seines Prozesses. Nur als ein
       Staatsanwaltschaft beantragt, dass Cosby sofort – und nicht erst nach
       Festlegung des Strafmaßes – in Haft kommt, weil er ein Privatflugzeug habe
       und Fluchtgefahr bestehe, rastet der alte Mann aus und schreit: „Er hat
       kein Flugzeug, Du Arschloch.“ Richter Steven O'Neill sagt zu Cosby, er möge
       sich zusammenreißen. Aber er lässt ihn gegen eine Million Dollar Kaution
       auf freiem Fuß.
       
       Der heute 80-jährige Cosby war jahrzehntelang einer der ganz Großen im
       US-Showbusiness und der erste schwarze Superstar der Branche. Unter anderem
       spielte er den Familienmann Bill Huxtable, als der er sich den Kosenamen
       „Amerikas Dad“ verdiente. Er gab sich gütig und moderat und erteilte jungen
       afroamerikanischen Männern in öffentlichen Auftritten Ratschläge, wie sie
       ein moralisches Leben führen könnten. Gleichzeitig setzte er Dutzende von
       jungen Frauen unter Drogen, um sie wehrlos zu machen und um über sie
       herzufallen.
       
       Der Modus Operandi von Cosby waren blaue Pillen, mit denen er seine Opfer
       betäubte. Anschließend begrabschte und vergewaltigte er sie. Gerüchte über
       seine Treiben kursierten seit Jahren. Aber viele seiner Opfer, die selbst
       auf eine Karriere im Showbusiness hofften, trauten sich nicht, Anklage zu
       erheben. Jene, die dennoch vor Gericht gingen, wurden mit
       außergerichtlichen Einigungen und hohen Geldsummen zum Schweigen gebracht.
       Von Journalisten, die das Thema in Interviews ansprachen, verlangte Cosby,
       dass sie es aus ihren Beiträgen herausstrichen. „Nicht integer“, nannte er
       Fragen nach seinen sexuellen Straftaten.
       
       An diesem Donnerstag ist Cosby der erste mächtige Hollywood-Mann geworden,
       der seit Beginn der MeToo-Bewegung verurteilt worden ist. Ihm droht eine
       Strafe zwischen 10 und 30 Jahren. Aber ob er je ins Gefängnis kommen wird,
       ist angesichts seines Alters fraglich. Seine Anwälte haben Einspruch
       angekündigt. Sie werden auf Zeit spielen. „Für uns ist Cosby völlig
       unschuldig“, so sein Anwalt Tom Mesereau am Donnerstag, „der Kampf ist
       nicht vorüber“. Während des Prozesses haben die Anwälte von einer
       „Hexenjagd“, die die „MeToo-Bewegung“ ausgelöst habe, gesprochen. Sie
       versuchten, Cosby zum Opfer einer rassistischen Justiz zu stilisieren. Sie
       behaupteten sogar, ihr Mandant werde „gelyncht“.
       
       ## Nur ein Fall wurde verhandelt
       
       Die bisher bekannt gewordenen 52 Opfer von Cosby sind mehrheitlich weiße
       Frauen. Die meisten konnten jedoch wegen der abgelaufenen
       Verjährungsfristen nicht mehr gegen Cosby klagen. Bei dem jetzt zu Ende
       gegangenen Prozess in Norristown ging es daher nur um Cosbys Vergewaltigung
       der Basketballspielerin Andrea Constand. Aber andere Cosby-Opfer, darunter
       Schauspielerinnen und Models, sagten als Zeuginnen aus. Constand wurde 2004
       von Cosby vergewaltigt. Sie spielte im Team der Temple Universität, an der
       auch Cosby studiert hatte und für die er ein wichtiger Sponsor war. Bei
       einem Besuch, den die damals 29-jährige bei Cosby machte, betäubte er sie
       und fiel über sie her.
       
       Wie in dem Prozess bekannt wurde, zahlte Cosby der jungen
       Basketballspielerin eine „Entschädigung“ in Höhe von 3,38 Millionen Dollar.
       Als sie jetzt als Hauptklägerin vor Gericht gegen ihn auftrat, versuchten
       seine Anwälte, sie als „geldgierig“ und „verlogen“ zu diffamieren. Doch für
       andere Cosby-Opfer wie Bernard ist Constand die „Jeanne D'Arc im Kampf
       gegen Vergewaltigungen“.
       
       Cosby hat die meisten seiner Medienaufträge verloren. Die meisten
       Fernsehsender nahmen schon vor Monaten Wiederholungen seiner Serien aus dem
       Programm. In einem ersten Anlauf im vergangenen Juni konnte sich jedoch ein
       anderes Geschworenengericht nicht zu seiner Verurteilung durchringen. Erst
       bei einem neuen, zweiten Prozess, fanden die Geschworenen die Argumente der
       Anklage überzeugend genug, um Cosby für schuldig zu befinden.
       
       Der Filmproduzent Harvey Weinstein, der Monate nach Cosby wegen zahlreicher
       sexueller Gewalttaten in die Schlagzeilen geriet, dürfte der nächste sein.
       Doch Aktivistinnen der MeToo-Bewegung hoffen, dass eines Tages auch der
       oberste US-Amerikaner Donald Trump, dem mehr als ein Dutzend Frauen
       sexuelle Übergriffe vorwerfen, deswegen vor Gericht kommt.
       
       27 Apr 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt #metoo
   DIR Bill Cosby
   DIR Hollywood
   DIR Vergewaltigung
   DIR Sexuelle Gewalt
   DIR Schwerpunkt #metoo
   DIR Bill Cosby
   DIR Sexuelle Übergriffe
   DIR Harvey Weinstein
   DIR Bill Cosby
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Vorwürfe gegen #Metoo-Unterstützer: Generalstaatsanwalt zieht sich zurück
       
       Die New Yorker Staatsanwaltschaft hatte den Produzenten Harvey Weinstein
       verklagt. Neue Vorwürfe richten sich nun gegen Generalstaatsanwalt Eric
       Schneiderman selbst.
       
   DIR Oscar-Akademie und sexuelle Übergriffe: Cosby und Polanski sind raus
       
       Beide Männer zählten lange zu den bekanntesten Gesichtern der Film- und
       Fernsehwelt: Nun wirft die Oscar-Akademie Bill Cosby und Roman Polanski
       raus.
       
   DIR Maischberger-Talk zu sexueller Nötigung: Fast nie schuldig gesprochen
       
       Beim ARD-Themenabend ging es um sexuelle Nötigung, Lügen und Vorurteile.
       Der Fokus auf mögliche Falschaussagen war schwer erträglich.
       
   DIR Missbrauchsvorwürfe gegen Weinstein: Der Domino-Effekt
       
       Hollywood-Produzent Harvey Weinstein soll jahrelang Frauen sexuell
       belästigt und missbraucht haben. Dass er nun entlassen wurde, ist ein
       Meilenstein.
       
   DIR Kolumne Geht's noch?: Armer Cliff Huxtable!
       
       Bill Cosby bedient sich seiner Rolle als beliebter Familienvater aus der
       „Bill Cosby Show“, um einer Haftstrafe zu entgehen.