# taz.de -- Berliner Wochenkommentar II: Kopftuch: Konfusion komplett
> Ein neues Urteil im Fall einer Kopftuch tragenden Lehrerin vergrößert die
> Unklarheit über das Berliner Neutralitätsgesetz.
IMG Bild: Lehrt der besser? Unbedeckter Lehrerkopf
Wieder hat es in dieser Woche ein „Kopftuch-Urteil“ gegeben – und wieder
hat dies nicht zu Klarheit darüber geführt, ob das Berliner
Neutralitätsgesetz, das Beschäftigten des öffentlichen Dienstes das
sichtbare Tragen religiöser Symbole verbietet, verfassungskonform ist oder
nicht. Was die interessierte Öffentlichkeit, sei sie pro oder contra dieses
Gesetz eingestellt, nur bedauern kann. Denn eine Klärung tut dringend not.
Das Berliner Arbeitsgericht hat am Mittwoch in erster Instanz die Klage
einer Lehrerin abgewiesen, die mit Kopftuch an einer Grundschule
unterrichten will – was das Neutralitätsgesetz verbietet. Um die
Neutralität staatlicher Einrichtungen zu gewährleisten, sei es richtig,
dass im Gerichtssaal kein Kreuz hinge, und ebenso richtig, dass Lehrerinnen
ohne Kopftuch unterrichteten, hatte der Richter seine Entscheidung
begründet.
## Gegensätzliches Urteil 2017
Eine andere Kammer des Arbeitsgerichts hatte 2017 zweitinstanzlich eine
fast gegensätzliche Entscheidung gefällt und einer wegen Kopftuch
abgelehnten Lehrerin Schadenersatz zugesprochen.
Nun ist die Verwirrung komplett. Ist das Neutralitätsgesetz des Landes
Berlin nun gut, gerecht und verfassungskonform – oder diskriminiert es
einseitig muslimische Frauen? Darüber gehen die Meinungen auseinander –
nicht nur am Gericht.
Ausgelöst hatte diese Verwirrung ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts
von 2015, das entschieden hatte, ein „Generalverdacht“ gegenüber
Kopftuchträgerinnen sei ungerechtfertigt: Es müsse im Einzelfall eine
„Bedrohung des Schulfriedens“ durch die Kopftuch tragende Lehrkraft
nachgewiesen werden.
Nun verbietet das Berliner Gesetz ausdrücklich nicht nur das Kopftuch,
sondern jedes sichtbare religiöse Symbol. Betroffen sind aber bislang
überwiegend muslimische Lehrerinnen. Viele – auch führende – grüne und
linke PolitikerInnen hatten deshalb das Landesgesetz schon auf der Kippe
gesehen und seine Verfassungskonformität angezweifelt. Der aktuelle
Gerichtsentscheid widerspricht dem und gibt der Linie der SPD und der
Bildungsverwaltung Recht, die am Neutralitätsgesetz nicht rütteln wollen.
## Eine Pattsituation
Eine Pattsituation also – vor Gericht ebenso wie in der rot-rot-grünen
Landesregierung. Und eine völlig unklare Lage für die betroffenen
Lehrerinnen.
2017 hatte der Senat die Chance, in Berufung zu gehen. Er hat es nicht
getan – und die Entschädigung gezahlt. Vielleicht aus Angst, am Ende doch
zu unterliegen? Man kann deshalb nur hoffen, dass nun die aktuelle Klägerin
diesen Weg geht. Damit die leidige Frage endlich geklärt wird.
12 May 2018
## AUTOREN
DIR Susanne Memarnia
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