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       # taz.de -- Kommentar Iran und Atomwaffen: Im Club der Unantastbaren
       
       > Warum eigentlich darf Iran keine Nuklearwaffen haben? Wurzel des Problems
       > ist der Atomwaffensperrvertrag, der mit zweierlei Maß misst.
       
   IMG Bild: Die Iraner fühlen sich nicht nur von Feinden umringt, sondern auch ungerecht behandelt
       
       Versetzen wir uns mal für einen Augenblick in die Iraner hinein: Sie haben
       in dieser Woche einen [1][älteren Herrn mit fluffiger Föhnfrisur] vor die
       Kameras treten sehen, der ihnen entrüstet vorwirft, eine Atombombe
       anzustreben und sich überhaupt zu sehr in die Belange anderer Länder
       einzumischen. Dieser Herr ist Präsident der Vereinigten Staaten und verfügt
       aktuell über ein Arsenal von rund 4.000 atomaren Sprengköpfen. Und, nun ja,
       sein Land mischt sich hier und da auch in die Belange anderer Staaten ein.
       Sie alle aufzuzählen würde an dieser Stelle allerdings zu lange dauern.
       
       Die Iraner, und zwar Anhänger*innen und Gegner*innen des Regimes
       gleichermaßen, fragen sich also zu Recht: Warum ist es den USA, Russland,
       Frankreich, Großbritannien und China erlaubt, Atomwaffen zu haben, während
       Iran [2][nicht einmal Uran hoch anreichern darf]? Wieso soll die
       Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ausgerechnet in Iran auf jedem
       Militärstützpunkt herumschnüffeln dürfen? Wo ist da die Gerechtigkeit?
       
       Es ist diese Perspektive, die Verhandlungen mit Teheran schon immer so
       schwierig gemacht hat. Wer das nun von Donald Trump gekündigte Atomabkommen
       retten oder Änderungen verhandeln will, muss sich vor Augen führen, wie man
       in Iran auf den Atomkonflikt blickt. Denn tatsächlich basiert der
       Atomwaffensperrvertrag (NPT) auf einer Ungleichbehandlung der
       Unterzeichnerstaaten. Der NPT soll verhindern, dass Atomwaffen sich weiter
       verbreiten – ein wichtiges Anliegen. Nichts bedroht den Weltfrieden so sehr
       wie ein nukleares Auf- und Wettrüsten von immer mehr Staaten. Allerdings:
       Die fünf Atommächte dürfen ihre Waffen behalten. Auch die Staaten, die den
       NPT gar nicht erst unterzeichnet haben, sind fein raus.
       
       Indien, Pakistan und Israel sind inoffizielle Atommächte, aber niemand
       droht ihnen, keiner inspiziert sie, sie sind auch keinem Sanktionsregime
       unterworfen. Wer es einmal zur Atombombe gebracht hat, ist fortan nahezu
       unantastbar.
       
       ## Seit der Revolution gelten USA und Israel als Erzfeinde
       
       Wer will dem Regime in Iran verdenken, dass es, allen offiziellen
       Verlautbarungen zum Trotz, genau das auch möchte? Oder zumindest so weit
       kommen will, sich innerhalb von Monaten nuklear bewaffnen zu können? Iran
       hat sich seit dem Iran-Irak-Krieg nicht mehr so bedroht gefühlt wie heute.
       Die [3][Konflikte im Nahen und Mittleren Osten] haben sich zu einem Krieg
       zwischen Sunniten und Schiiten gewandelt, ausgetragen auf den
       Schlachtfeldern Syrien und Jemen. Hinzu kommen die USA und Israel, die von
       den Machthabern in Teheran seit der Islamischen Revolution als Erzfeinde
       betrachtet werden. Wir mögen es anders einschätzen, aber Iran selbst sieht
       sich von Feinden umzingelt.
       
       Das Regime in Teheran dürfte den Schah einmal mehr verfluchen, der den
       Atomwaffensperrvertrag schon 1970 unterzeichnet hat. Jetzt ist die
       Verlockung groß, auszusteigen. Nordkorea hat es vorgemacht: Das Regime
       kündigte 2003, passiert ist ihm nichts. Zu schwer wog die Sorge, dass das
       schwer einzuschätzende Land tatsächlich schon so etwas wie eine
       Nuklearwaffe entwickelt hat. Nun stehen alle Zeichen auf Frieden, sogar ein
       Gipfel ist geplant. Doch noch hat Trump kein Atomabkommen mit Kim
       ausgehandelt. Zweifelhaft, dass er mit seiner Verhandlungsmasche „The Art
       of the Deal“ gegen „The Art of the Bomb“ ankommt.
       
       Irans Aufkündigung des NPT könnte allerdings andere, dramatische Folgen
       haben. Schon deshalb, weil die Islamische Republik immer wieder gedroht
       hat, Israel von der Landkarte auszuradieren, wird Teheran mit harten
       Konsequenzen rechnen müssen. Kanzlerin Merkel sprach nicht ohne Grund
       davon, dass wir es derzeit mit einer Frage von Krieg und Frieden zu tun
       haben. Die übrig gebliebenen Vertragspartner des Atomabkommens, allen voran
       Europa, müssten schon sehr gut verhandeln, um noch Schlimmeres zu
       verhindern.
       
       11 May 2018
       
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