URI: 
       # taz.de -- Kommentar US-Botschaft in Israel: Trump braucht Kontra
       
       > Mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem belohnt Trump die
       > israelischen Nationalisten. Dass die EU nicht dagegenhält, ist ein
       > Armutszeugnis.
       
   IMG Bild: In der Straße, die zur künftigen US-Botschaft führt, hängen bereits die Flaggen
       
       Der Likud, Israels konservatives Parteienbündnis, wusste stets, wie er sich
       die Einwanderer zunutze machen kann. Während die linke Arbeitspartei, die
       sich in den ersten 30 Jahren nach Staatsgründung sicher an der Macht
       glaubte und die Neuankömmlinge aus Nordafrika, aus dem Jemen, dem Irak und
       Syrien mit Herablassung behandelte, erkannte der damalige Likud-Chef
       Menachem Begin rechtzeitig das Potenzial der neuen Wählermassen.
       
       Die demografischen Veränderungen im Land, kombiniert mit Begins Strategie,
       die Misrachim, also Juden, die aus muslimischen Ländern nach Israel kamen,
       mit offenen Armen zu empfangen, sicherte dem gebürtigen Polen den Dank der
       Unterdrückten – und den Wahlsieg. Davon profitiert auch Benjamin „Bibi“
       Netanjahu, denn bis heute wählen die Misrachim eher national, während die
       zahlenmäßig in die Minderheit geratenen Aschkenasen aus Europa ihrer
       Arbeitspartei nicht mehr an die Macht verhelfen können.
       
       Viel unmittelbarer ergriff der frühere Likud-Bauminister Ariel Scharon die
       Chance, das besetzte Westjordanland mit den neuen Immigranten aus Russland
       und der Ukraine zu besiedeln. Viele hatten anfangs gar keine Ahnung davon,
       dass sie künftig im besetzten Palästinenserland leben würden, und fanden
       es später auch gar nicht mehr so schlimm.
       
       Russisch ist in den israelischen Siedlungen eine weit verbreitete Sprache,
       auch Französisch hört man dort in letzter Zeit öfter, und die aus den USA
       eingewanderten Juden gelten bei den Palästinensern oft als besonders
       radikal. Wie in Hebron, wo nur ein paar Hundert Israelis, schwer bewaffnet
       und bewacht, mitten in der arabischen Stadt leben.
       
       ## Blutvergießen – Kapitel 2
       
       Die geschickte Bevölkerungspolitik von Israels Nationalisten soll nun
       belohnt werden. US-Präsident Trump macht Nägel mit Köpfen, schließlich habe
       „jeder souveräne Staat das Recht, selbst über den Sitz seiner Hauptstadt zu
       entscheiden“. Nach Trump’scher Manier wischt er mal eben den Konfliktpunkt
       Jerusalem vom Tisch, und man fragt sich, was er als Nächstes plant.
       
       Wird er mit seinem „Jahrhundertdeal“ für den Nahen Osten, den er seit
       Monaten ankündigt, noch weitere so nonchalante Lösungen parat halten – für
       Probleme, die die beiden Völker seit 70 Jahren beschäftigen? Schon im
       Dezember, als Trump Jerusalem zur Hauptstadt Israels erklärte, starben fast
       20 Palästinenser bei Demonstrationen für ihre Stadt. Der Umzug der
       Botschaft läutet das zweite Kapitel des Blutvergießens ein.
       
       Wer die Palästinenser mit ihren internationalen Anstrengungen bei der
       Stange und von Gewalt abhalten will, muss Trump Kontra bieten. Dass es der
       EU nicht gelingt, ihre Mitgliedstaaten dazu zu verpflichten, mit ihren
       Botschaften in Tel Aviv zu bleiben, ist ein Armutszeugnis.
       
       14 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Knaul
       
       ## TAGS
       
   DIR Palästinenser
   DIR Israel
   DIR Jerusalem
   DIR Donald Trump
   DIR Gaza
   DIR Schwerpunkt Iran
   DIR Israel
   DIR Israel
   DIR Jerusalem
   DIR Netta Barzilai
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Gewalt zwischen Israel und Gaza: Schwarzer Rauch über der Grenze
       
       Zu Israels 70. Geburtstag erreicht die Konfrontation mit den Palästinensern
       einen blutigen Höhepunkt und stellt die US-Botschaftseröffnung in den
       Schatten.
       
   DIR Nahost-Politik der EU: Risse im Block der 28
       
       Ob Atomabkommen mit dem Iran oder Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt
       Israels: Die Europäer sind sich uneins.
       
   DIR Proteste an der Grenze Gaza-Israel: Tote und mehr als 1700 Verletzte
       
       Die Hamas hat zu Protesten und zum Übertreten der Grenze nach Israel
       aufgerufen. Israelische Soldaten töteten am Montag 52 Palästinenser.
       
   DIR 70 Jahre Israel: Der Sehnsuchtsstaat
       
       Heute vor siebzig Jahren rief Ben-Gurion den Staat Israel aus. Das Land ist
       eine Erfolgsstory – vor allem wegen seiner Einwanderer. Fünf Geschichten.
       
   DIR Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem: Die Vision ist „Trump Town“
       
       Die USA eröffnen am Montag ihre Botschaft. Viele Palästinenser rufen zum
       Protest auf. Netanjahu lockt derweil weitere Staaten nach Jerusalem.
       
   DIR Eurovision Song Contest in Lissabon: Alles andere als ein ESC-Spielzeug
       
       Sie hatte das europäische Publikum hinter sich: Netta aus Israel bescherte
       ihrem Land mit „Toy“ den 4. ESC-Sieg. Michael Schulte wurde Vierter.