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       # taz.de -- Indonesiens islamistischer Terror: Familien als neue Attentäter
       
       > In Indonesien kam es innerhalb eines Tages zu zwei Terroranschlägen.
       > Beide Male waren die Attentäter Familien mit minderjährigen Kindern.
       
   IMG Bild: Angehörige trauern am Montag um ein Opfer des Anschlags auf eine Kirche in Surabaya
       
       BERLIN taz | In Indonesiens zweitgrößter Stadt Surabaya hat es innerhalb
       weniger Stunden den zweiten Selbstmordanschlag mutmaßlich islamistischer
       Familien inklusive minderjähriger Kinder gegeben. Zuletzt sprengte sich am
       Montagmorgen eine fünfköpfige Familie auf zwei Motorrädern am
       Kontrollposten des Polizeihauptquartiers von Surabaya in die Luft.
       
       Die achtjährige Tochter, die hinten auf einem Motorrad saß, überlebte laut
       Polizei schwer verletzt. Die Eltern und zwei Geschwister starben. Vier
       Polizisten und zwei Passenten wurden verletzt.
       
       Wer hinter dem Anschlag steckt, blieb zunächst unklar. Die Polizei machte
       auch noch keine Angaben zur Familie.
       
       Die Sicherheitskräfte waren bereits alarmiert und hatten mit Anschlägen auf
       Polizeistationen gerechnet. Denn erst letzte Woche war im größten
       Polizeigefängnis in Depok bei Jakarta ein 36-stündiger Aufstand von
       Islamisten niedergeschlagen worden. Es starben fünf Polizisten und ein
       Insasse.
       
       ## Drei Anschläge von einer einzigen Familie
       
       Zunächst wurden am Sonntag in Surabaya Kirchen angegriffen. Sonntagmorgen
       attackierte eine sechsköpfige Islamisten-Familie innerhalb weniger Minuten
       drei Kirchen.
       
       Laut Polizei fuhren die 16- und 18-jährigen Söhne mit Motorrädern kurz vor
       dem Gottesdienst vor eine katholische Kirche und zündeten Sprengstoff.
       Derweil brachte der Vater seine Frau und zwei Töchter, 12 und 9 Jahre alt,
       mit einem Kleintransporter zu einer anderen Kirche. Sie drängten dort durch
       den bewachten Eingang und zündeten an ihren Körpern befestigte Bomben.
       
       Der Vater war da schon zu einer Pfingstkirche unterwegs, wo er den
       Transporter gegen die Kirchenmauer fuhr und dabei eine Bombe zündete.
       
       Insgesamt starben 13 Menschen, 43 wurden verletzt. Es ist der opferreichste
       Anschlag auf Christen in Indonesien seit dem Jahr 2000 und der insgesamt
       opferreichste Anschlag im Land seit 2005. Von den 260 Millionen Einwohnern
       sind 85 Prozent Muslime.
       
       Noch am Sonntag übernahm die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) die
       Verantwortung für die Kirchenanschläge. Die IS-Webseite Amac bezeichnete
       die Attentäterfamilie als „Märtyrer“. Laut Polizei gehörte die Familie wohl
       dem lokalen IS-Ableger Jamaah Ansharut Daulah an.
       
       ## Gefängnisaufstand nahe Jakarta
       
       Der IS hatte sich auch des Gefängnisaufstandes gebrüstet. Die
       Aufständischen hatten ein Treffen mit dem im gleichen Gefängnis
       einsitzenden mutmaßlichen indonesischen IS-Führer Aman Abdurrahman
       durchgesetzt. Er gilt als Drahtzieher des ersten mutmaßlichen IS-Anschlages
       in Indonesien 2016.
       
       Die Familie, die den Anschlag auf die Kirchen durchführte, wurde laut
       Polizei 2017 aus der Türkei abgeschoben. Zuvor lebte sie in Syrien in
       Gebieten des IS. Nach dessen Niederlagen kehrten viele indonesische
       Islamisten in ihre Heimat zurück. Laut Polizeipräsident Tito Karnavian sind
       500 Indonesier aus Syrien zurückgekehrt, 1.100 seien noch dort. Bisher war
       von einer Gesamtzahl von 600 bis 800 ausgegangen worden.
       
       Dass Familien inklusiver Kinder gemeinsam Terroranschläge durchführen hat
       es bisher noch nicht gegeben und stellt die Sicherheitskräfte vor neue
       Probleme. Bisher waren Selbstmordattentäter meist männlich. Doch hat es
       auch schon weibliche Attentäterinnen gegeben.
       
       ## Familienattentat als neue Qualität des Terrors
       
       Auch Kinder, oftmals Waisenkinder oder entführte Kinder wie von Boko Haram
       in Nigeria, wurden schon von manchen Terrorgruppen unter Drogen gesetzt
       oder mit falschen Versprechungen zu Selbstmordattentaten gezwungen. Dass
       sie aber von ihren eigenen Eltern mit diesen zusammen als Terrorwaffen
       eingesetzt werden, hat eine neue, menschenverachtende Qualität.
       
       Womöglich konnte Indonesiens Polizei einen weiteren Anschlag, vielleicht
       ebenfalls von einer Familie, am Sonntagabend in Surabayas Vorort Sidoarjo
       verhindern.
       
       Wie der lokale Polizeisprecher Fans Barung Mangera berichtete, umstellte
       die Polizei eine Wohnung. In der lebte ein Freund des Vaters, dessen
       Familie am Morgen die Kirchen angegriffen hatte.
       
       Als die Polizei die Wohnung stürmen wollte, wurde dort eine Bombe gezündet.
       Der Mann, seine Frau und ein Kind starben, drei Kinder wurden verletzt.
       Laut Polizei sei der Sprengstoff dort identisch mit dem gewesen, der gegen
       die Kirchen eingesetzt wurde.
       
       Indonesiens Präsident Joko Widodo forderte inzwischen vom Parlament,
       endlich einer Verschärfung der Antiterrorgesetze zuzustimmen. Sonst wolle
       er das per Dekret durchsetzen. Vorgesehen ist u. a. die Möglichkeit der
       Inhaftierung Verdächtiger von bis zu sechs Monaten.
       
       14 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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