# taz.de -- Ende eines Kreuzberger Kinos: Im Eiszeit geht das Licht aus
> Nach über 35 Jahren muss das Kultkino Eiszeit schließen. Grund sind
> Streitigkeiten mit dem Hauseigentümer.
IMG Bild: Ein Haus in der Zeughofstraße, bald ohne Kino darin
Berlin taz | Ein stilisierter Dampfer, der gerade in den Fluten untergeht:
Mit diesem Motiv wird man derzeit auf der Homepage des Kreuzberger
Eiszeit-Kinos begrüßt. Auf dem Dampfer steht „Tschüss“. Ein Abschied: Nach
über 35 Jahren muss das Kino schließen. Das bestätigt am Dienstag der
Betreiber Burkhard Voiges der taz. Grund seien Auseinandersetzungen mit dem
Hauseigentümer Maximilian Bernau, einem Investor aus München. „Wir haben
alles probiert, aber es hat nichts genutzt.“
Das Eiszeit-Kino ist eine Berliner Institution: In den 80er Jahren wurde es
als Hausbesetzerkino in Schöneberg gegründet, seit 1985 flimmern die Filme
in der Kreuzberger Zeughofstraße über die Leinwand. Lange war das Kino
versteckt im ersten Stock des Hinterhauses. Politische Dokumentarfilme,
Underground, auch Horror- und Splatterfilme liefen hier. 2013/14 wurde das
Gebäude an den jetzigen Hauseigentümer verkauft. Mithilfe des Bezirksamts
Friedrichshain-Kreuzberg fand sich zunächst eine Lösung, das Kino in dem
Gebäude zu halten.
Nach längerer Schließung präsentierte sich das Eiszeit vor knapp zwei
Jahren [1][runderneuert]: Vom Hinterhaus war man nach vorn an die Straße
gezogen. Das Enge und Verwinkelte wurde eingetauscht für einen ausladenden
Foyerbereich mit Restaurant, der Ort für einen Kaffee vor dem Film oder die
Zigarette danach. Oder auch das Essen zwischendurch, wenn man mal gar keine
Lust auf Kino hatte. In den kleinen Kinosälen erwartete einen eine
sachliche Schlichtheit mit unverputzten Wänden. Weil man doch eh auf die
Leinwand guckte. Wichtiger die Sitze: selbst gezimmert, breit und
erstaunlich bequem.
„Wir wollten das Kino als Kommunikationsort aufbauen“, sagt Voiges.
Hauseigentümer Bernau habe sich im Mietvertrag verpflichtet, sich mit einem
Baukostenzuschuss von 360.000 Euro zu beteiligen. Davon habe er aber nur
180.000 Euro bezahlt. „Für ein Projekt wie unseres, wo es eh immer
knirscht, war das zu viel.“ Voiges ist überzeugt: Bernau will sie raus
haben. „Er führt seit zwei Jahren einen Zermürbungskrieg gegen uns.“
## Opfer der Gentrifizierung?
Der Hauseigentümer bestreitet diese Vorwürfe. „Die Betreiber sind mit der
Umsetzung ihres Konzepts gescheitert. Sie wollen sich das vermutlich nicht
eingestehen und schieben jetzt mir als Vermieter die Schuld zu“, sagt
Bernau der taz. Die vereinbarten Finanzierungshilfen von 360.000 Euro
bestätigt er. Allerdings hätten die Kino-Betreiber dafür Baurechnungen
vorweisen müssen. „Es wurden keine solchen Rechnungen vorgelegt. Ich bin
mit 180.000 Euro in Vorlage gegangen, ohne Belege für Ausgaben.“
Das weist Voiges wiederum von sich. Auch, dass die Umsetzung des Konzepts
nicht funktioniert habe. „Die Besucherzahlen sind seit dem Umbau
kontinuierlich gestiegen.“ Er sieht das Eiszeit als Opfer der
Gentrifizierung: „Altgewachsene Kulturstandorte werden es nicht überleben,
wenn Leute auftauchen wie Bernau.“
Auseinandersetzungen zwischen NutzerInnnen und MieterInnen des Hauses und
dem Eigentümer gibt es schon seit Jahren. Die Ankündigung einer
umfangreichen Modernisierung Ende 2014 war mit Mietsteigerungen von bis zu
300 Prozent verbunden, heißt es von der MieterInnen-Initiative Bizim Kiez.
Sie hat den Streit über neue Gasleitungen, den Einbau eines Fahrstuhls,
Schikanen durch die Hausverwaltung und die vielen Klagen dokumentiert.
Während alte MieterInnen über die Zeit weichen mussten, wurde das Kino für
700.000 Euro umgebaut.
Wenn sich das Eiszeit jetzt verabschiedet, hat das tatsächlich nicht mit
einem neuerlichen Kinosterben zu tun. Im Gegenteil konnte man in den
letzten Jahren von einem kleinen Boom der Kiezkinos sprechen, die sich mit
besonderem Filmprogramm und gastronomischem Angebot in einer Nische abseits
der Multiplexe und auch der Kinos der Yorck-Grupe mit ihrem gediegenen
Filmprogramm etablieren konnten. Kleine Kinos wie Il Kino und das Wolf in
Neukölln. Ein Konzept, das man auch im Kreuzberger Eiszeit verfolgte.
## Einigung ausgeschlossen
Wenn das Kino nun schließt, sei das ein großer Verlust, sagt Christian
Berg, Kinobeauftragter beim Medienboard Berlin-Brandenburg. „Mit dem
Eiszeit fällt eine Marke weg.“ Im Streit zwischen Eigentümer und Kino hat
Christian Berg zeitweilig die Rolle des Mediators übernommen, um beide
Parteien wieder an einen Tisch zu bekommen – ohne Erfolg. „Beide Seiten
haben sich hoch geschaukelt“, berichtet Berg. „Die Situation ist extrem
verfahren.“
Bezirks-Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) zeigt sich am Dienstag
überrascht von der Ankündigung der Kinobetreiber. „Es ist schade, dass sie
sich nicht an uns oder die Bewegung gewendet haben“, sagt er der taz. Um
solche Fälle in Zukunft zu vermeiden, bemühe sich der Bezirk darum,
„Strukturen und klare Ansprechpartner“ für stadtpolitische Fragen und
Konflikte aufzubauen.
Burkhard Voiges sagt, er halte es für ausgeschlossen, dass es doch noch zu
einer Einigung komme. „Wir haben in den letzten Jahren alles versucht, um
diesem einzigartigen Kino eine langfristige Perspektive zu ermöglichen“,
heißt es auf der Homepage des Eiszeit. Am Freitag wollen die Kinomacher
einen letzten Film zeigen – und das Eiszeit danach bei einer Party mit
Stammkunden noch ein Mal richtig feiern.
15 May 2018
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DIR Antje Lang-Lendorff
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