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       # taz.de -- Eurovisão am Tejo, Folge 3: Sie ist eine Wucht
       
       > Netta Barzilai, Kandidatin aus Israel, weiß um ihren Favoritinnenstatus.
       > Der ESC-Gewinn wäre ihr Geschenk an den 70. Geburtstag des Landes.
       
   IMG Bild: Netta Barzilai – ist sich ihres Favoritinnenstatus bewusst
       
       Sie hat sich durch die israelische Vorentscheidung gekämpft, und zunächst
       sprach nichts für sie: Sie ist figürlich eine, die nicht ins Raster der
       Heidi Klum fallen würde. [1][Netta Barzilai ist eine Frau, die, so sagt sie
       selbst, einen „largen“ Körper hat.] Beth Ditto, Adele, Joy Fleming, Alison
       Moyet – diese Liga.
       
       Im Pop keine schlechten Adressen, aber im wahren Leben eben doch mit wenig
       Respekt bedacht. „Und jetzt steh' ich bei der Eurovision, hatte vor einem
       halben Jahr noch ein Publikum von 20 Leuten, jetzt sehen mich in einer
       Woche 200 Millionen. Ich muss das erst alles begreifen.“
       
       Netta Barzilai, Tochter in einer Mittelschichtsfamilie aus der Nähe Tel
       Avivs, hat mit sich selbst ihrem Land eine ESC-Kandidatin beschert, die
       ungewöhnlich ist. „Toy“ heißt ihr Lied, eine sehr unscheue, unschüchterne,
       dafür toughe und offensive Geschichte, kompositorisch zu einem Stück als
       Diskursschnipsel in der weltweiten #metoo-Debatte gefertigt von Doron
       Medalie. Die Vorentscheidung in Israel gewann sie nach zäher Aufholjagd
       gegen körperlich wesentlich konventionellere Kandidat*inen.
       
       Doron Medailie weiß, wie Erfolg geht. Er war schon zweimal, 2015 in Wien
       mit dem Titel „Golden Boy“ für Nadav Guedj und ein Jahr darauf für Hovi
       Star „Made Of Stars“, beim ESC mit guten Platzierungen nach Hause gefahren,
       er weiß, wie modernes, tanzbares Entertainment geht. Er hat, O-Ton in
       eigener Sache: „gay and pride“, für einen CSD in Tel Aviv eine Hymne
       geschrieben, er hat überhaupt ein Händchen für frische Acts. Markenzeichen:
       Keine Weinerlichkeit, bitte, mach was aus deinem Leben, jetzt, nicht erst
       fürs Jenseits.
       
       ## Spur Schüchternheit in der Stimme
       
       Genau dafür ist Netta Barzilai, zu deren Spezialitäten die Arbeit am Vocal
       Loop gehört, wie geschaffen. Auf der Pressekonferenz am Donnerstag sagte
       sie, sie habe, eben erwachsen, gerade erst gelernt, dass Klagerei über
       Dinge nichts nützt. Vor allem nicht in textiler Hinsicht. „Wer sagt denn,
       dass ich diese Farbe, die ich trage, nicht tragen darf, dass sie zu bunt
       sind?“ Das „Leben“, führt sie weiter aus, „ist ja keine Generalprobe. Ich
       möchte später nicht bedauern, nicht meine Möglichkeiten, meine Ideen, meine
       Phantasien gelebt zu haben.“
       
       Sie ist wirklich eine Wucht: Irgendwie ist ja eine 25 Jahre junge Person
       noch am Üben des Lebens überhaupt; es ist nicht leicht, es mit der Welt
       schlechthin aufzunehmen. „Alles ist Gewöhnung“, bekennt sie, „es ist alles
       wahnsinnig neu, in so einer Halle aufzutreten.“ Das macht sie gut, ihre
       Probendurchgänge spult sie von Mal zu Mal unaufgeregter ab. Und ist sich
       ihres Favoritinnenstatus bewusst: „Ich beschäftige mich damit nicht sehr,
       aber ich weiß es.“
       
       Und wie wäre es, gewänne sie? „Ach, darüber mache ich mir noch keine
       Gedanken. [2][Aber mein Land wird in diesen Tagen 70 Jahre.] Es wäre mein
       Geburtstagsgeschenk.“ Lacht mit einer Spur Schüchternheit in der Stimme,
       sieht super aus in ihrem quietschgelben Top auf sehr hohen
       Schnürstiefeletten. Und singt dann, sich selbst auf der Wandergitarre
       begleitend, mit einem Dreierchor, „Toy“, was, frei von technischem
       Brimborium, wie eine Edeljazzclubversion klingt.
       
       Danach winkt sie ins Publikum, wahrscheinlich auch die Liebe der Fans erst
       mal verdauen müssend!
       
       4 May 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jan Feddersen
       
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