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       # taz.de -- Krise der Schwedischen Akademie: Kein Literaturnobelpreis 2018
       
       > Der Literaturnobelpreis 2018 wird auf 2019 verschoben. Grund sind
       > Diskussionen um Korruption und sexuellen Missbrauch.
       
   IMG Bild: Anders Olsson, Interims-Vorsitzender der Schwedischen Akademie
       
       Stockholm taz | Angesichts der [1][schweren Krise in der Schwedischen
       Akademie] wird sie in diesem Jahr keinen Literaturnobelpreis vergeben. „Wir
       halten es für notwendig, erst einen zeitlichen Abstand zu schaffen, um das
       allgemeine Vertrauen in die Akademie wiederherzustellen, bevor der nächste
       Nobelpreisträger ernannt wird“, lautete die offizielle Begründung für diese
       Entscheidung in einer am Freitagvormittag veröffentlichten Presseerklärung.
       Der Literaturnobelpreis für 2018 werde aber nachgeholt und im kommenden
       Jahr zusammen mit dem des Jahres 2019 vergeben werden.
       
       Der während der routinemässigen Sitzung am Donnerstagabend getroffene
       Beschluss, sei einmütig gewesen, erklärte der derzeitige ständige
       Akademiesekretär Anders Olsson und es habe „eigentlich keine Alternative“
       gegeben: „Das Vertrauen der Öffentlichkeit ist derzeit so niedrig, dass wir
       auf die Preisverleihung verzichten.“
       
       Man tue das „aus Respekt für den Preisträger, frühere Preisträger und die
       Zukunft“. Man müsse „glaubwürdig sein als Institution.“ Auch die personelle
       Schwäche der Akademie sei ein Grund für die Entscheidung gewesen: [2][Nach
       mehreren Austritten] waren am Donnerstag nur noch 10 MitgliederInnen des
       18-köpfigen Gremiums anwesend gewesen.
       
       Der Beschluss kommt überraschend, weil noch in der vergangenen Woche
       Akademiedirektor Göran Malmqvist einen solchen Schritt weit von sich
       gewiesen hatte. Man liege bei der Entscheidung über den Preisträger „im
       Zeitplan“, es werde „verdammt nochmal doch möglich sein, in dreieinhalb
       Monaten den Verfasser zu finden, den wir für den besten halten“.
       
       Zwar hatte die Akademie schon in der Vergangenheit in manchen Jahren keinen
       Literaturnobelpreis vergeben und die Vergabe im folgenden Jahr nachgeholt.
       Zuletzt war das 1949 der Fall gewesen. Aber nach den Statuten soll das
       eigentlich nur geschehen, wenn die Akademie kein literarisches Werk findet
       dass den von Alfred Nobel vorgegebenen Kriterien entspricht.
       
       ## Das wird in den Geschichtsbüchern stehen
       
       Die ersten Reaktionen waren widersprüchlich. Die Verlagsbranche reagierte
       negativ. „Wir Verleger hatten auf eine andere Entscheidung gehofft“,
       erklärte die Verlegerin Dorotea Bromberg: „Die literarische Kompetenz der
       Akademie zur Preisverleihung wurde ja bei allem, was passiert ist, nicht in
       Frage gestellt.“
       
       Und ihr Verlegerkollege Svante Weyler warnte: „Das ist ein sehr riskabler
       Beschluss.“ Die Akademie sei ja eine Jury wie jede andere und die habe die
       Aufgabe einen Preis zu vergeben und nicht zu verhindern.“ Lisa Irenius,
       Kulturchefin von „Svenska Dagbladet“ sieht im Verschieben des Preises „den
       ultimativen Beweis, wie ernst die Krise in der Akademie ist“.
       
       Die Literaturkritikerin Ingrid Elam sprach dagegen von einem ebenso klugen
       wie notwendigem Beschluss: Im Gefolge der Vorwürfe über sexuellen
       Missbrauch im Umfeld der Akademie und Korruption sei „die Glaubwürdigkeit
       der Akademie in den Augen der Öffentlichkeit ganz tief gesunken“: „In
       dieser Situation einen Nobelpreis zu verleihen, würde nicht funktionieren.“
       
       Und Elam vermutet, dass es womöglich nicht die Akademie selbst war, die
       diesen Beschluss fasste, sondern die Nobelstiftung. Die ist für die
       Verleihung aller Nobelpreise zuständig und stellt auch die Preisgelder zur
       Verfügung. Medien hatten schon Anfang vergangener Woche berichtet, dass es
       dort Überlegungen gebe, in diesem Jahr keinen Literaturpreis zu verleihen.
       
       Von einem richtigen Beschluss spricht auch die Kulturjournalistin Ulrika
       Milles: „Es ist unmöglich die Akademie und den Preis zu trennen.“ Der
       jetzige Schritt zeige auch „das Gewicht der Enthüllungen, die im Zuge der
       #metoo-Bewegung gemacht wurden“. In den Geschichtsbüchern werde einmal
       stehen, dass da 2018 Bedeutsames geschehen sei und wie #metoo veraltete
       Institutionen ins Wanken gebracht habe.
       
       4 May 2018
       
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