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       # taz.de -- Gerichtsurteil nach Verkehrsunfall: „Ein Unfall, über den man nachdenkt“
       
       > Eine Bewährungsstrafe bekommt eine Autofahrerin, die 2016 einen Mann in
       > Hamburg-Lurup totgefahren hatte. Das Gericht geht davon aus, dass sie es
       > nicht wieder tut.
       
   IMG Bild: Debatte um Fahrradtote: Am Mittwoch demonstrierten Radfahrer*innen auf der Eimsbütteler Kreuzung, an der am 7. Mai 2018 eine Radfahrerin von einem LKW getötete worden war
       
       HAMBURG taz | Auf den Tag genau 17 Monate, nachdem ein 68-jähriger
       Radfahrer auf der Ückerstraße in Lurup von einem Auto überfahren wurde und
       starb, ist nun das Urteil gefallen. Das Amtsgericht Altona hat die
       Angeklagte Autofahrerin Sabine S. wegen fahrlässiger Tötung zu einer
       Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt.
       
       Die Debatte um Fahrradtote in Hamburg ist derzeit erhitzt. Zuletzt war die
       33-jährige Saskia S. ums Leben gekommen, die von einem abbiegenden Lkw in
       Eimsbüttel überrollt wurde. Fahrradproteste sind eine Antwort. Am
       ergangenen Mittwoch beteiligten sich Hunderte Radfahrer im Gedenken an
       Saskia S. an der jährlichen Gedenkfahrt „Ride of Silence“. In diesem Jahr
       sind deutschlandweit bereits 15 Radfahrer durch Unfälle mit LKWs getötet
       worden.
       
       Sabine S. setzte am Vormittag des 17. Dezember 2016 mit ihrem VW-Golf zum
       Abbiegen in die Franzosenkoppel an, als sie den von rechts kommenden
       Radfahrer übersah. Das Opfer wurde mitsamt seines Fahrrads elf Meter weit
       geschleudert. Der Golf geriet daraufhin außer Kontrolle, steuerte auf den
       gegenüberliegenden Gehweg und überrollte den Radfahrer dort. Als die
       Polizei und Rettungsdienst eintrafen, fanden sie das Opfer eingeklemmt
       unter dem Auto, in einer Blutlache.
       
       „Das ist einer der wenigen Unfälle, wo man doch länger drüber nachdenkt“,
       sagt Wolfgang Koellner, Polizeibeamter und erster am Tatort, als Zeuge vor
       Gericht. Koellner und seine Kollegin kümmerten sich am Unfallort um die
       Beteiligten. Ein Rettungsbeamter habe dort schon gesagt, dass da „nichts
       mehr zu machen sei“, glaubt Koellner sich zu erinnern.
       
       Schon damals am Unfallort, als Sabine S. im Nachbarhaus am Esstisch saß und
       zitterte, sei sie wegen des Schocks kaum ansprechbar gewesen, sagt die
       Polizistin.
       
       Auch im Gericht hält sie sich die 56-jährige Angeklagte wegen der
       psychischen Belastung zurück. Sie befinde sich seit dem Unfall in
       fachärztlicher Behandlung und könne sich nicht äußern, sagt ihr
       Verteidiger, Volker Flach. Einzig Angaben zur Person macht sie selbst. Auf
       die Frage, wann sie ihren Führerschein gemacht habe, antwortet sie
       sichtlich verwirrt mit „Ich bin der Meinung 2080.“ Die Gerichtszeichnerin
       benutzt zartrosa Kreide für das Gesicht der Angeklagten, doch so viel Farbe
       hat ihre Haut nicht.
       
       Die Witwe des Opfers, Valentina Borynec, hatte als Nebenklägerin zu Beginn
       des Prozesses am 21. August 2017 einen Sachverständigen hinzugezogen.
       Dieser konnte rekonstruieren, dass Sabine S. mit einer Geschwindigkeit von
       mindestens 42 Stundenkilometern gefahren sein muss. Der Unfallort liegt in
       einer 30er-Zone.
       
       Sabine S. wohnt dort, sie kennt die Straßen. Und sie fuhr ungebremst an
       eine Kreuzung. „Selbst wenn die Angeklagte 30 gefahren wäre, wäre es ein
       fahrlässiges Verhalten, so an eine Kreuzung zu fahren“, sagt die
       Staatsanwältin. Außerdem habe Sabine S. die Vorfahrt des Radfahrers
       missachtet. Dieser fuhr zwar auf der falschen Seite der Straße, trotzdem
       jedoch auf einem Fahrradweg, und der habe immer Vorfahrt.
       
       Für das Gericht steht fest: Das Unglück in der Ückerstraße hätte vermieden
       werden können. Einen Führerscheinentzug ordnete Amtsrichter Wolfgang Rußer
       trotzdem nicht an. Sabine S. hat keine Punkte in Flensburg, ist nicht
       vorbestraft. Der Richter ist sich sicher, dass so etwas gewiss nicht wieder
       vorkommen wird.
       
       18 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cara Westerkamp
       
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