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       # taz.de -- Kolumne Habibitus: Haram im Hamam
       
       > Jede Person kann sich waschen, wie sie will. Aber dass sogar das
       > Badewesen an den Vorstelllungen der Almans genesen soll – das nervt.
       
   IMG Bild: Kein Bock auf Schrubben?
       
       Almans verstehen es immer wieder als ihre Aufgabe, allen anderen
       vorzuschreiben, wie sie sich korrekt zu verhalten haben: zum Beispiel nicht
       so laut zu lachen, keine Anglizismen in den Mund zu nehmen, zur Begrüßung
       dem Gegenüber die Hand zu reichen, das Grapschen weißen deutschen Männern
       zu überlassen und in der Schlange an der Bäckereitheke ausschließlich
       akzentfreies Deutsch zu sprechen, damit auch Chrissie Lindner sich sicher
       fühlt.
       
       Ironisch dabei ist, dass sich Almans arrogant als Maßstab des angemessenen
       Verhaltens betrachten und so tun, als ob sich nicht die ganze Welt über den
       weiß-deutschen Habitus lustig machen würde.
       
       Umso amüsanter finde ich es, in Deutschland ins Hamam zu gehen und Almans
       dabei zu beobachten, wie sie einfach Almans sind. Zu selbstsicher, um sich
       vorher zu informieren, was die Dos & Don’ts im türkischen Bad sind, und
       gleichzeitig zu schüchtern, um vor Ort zu fragen. Im Hamam wird geschwitzt,
       sich gewaschen, geplaudert und manchmal sogar getanzt. Aber vor allem
       geschwitzt.
       
       ## Monika, du Eklige
       
       Durch die hohe Luftfeuchtigkeit pellt sich die Haut wie Radiergummikrümel
       ab, sobald eine_r mit dem Kese – einem Peelinghandschuh – drübergeht. So
       ganz ohne Seife oder Duschgel. Dafür geht eine_r ins Hamam. Nicht jedoch
       Monika. Sie bezahlt den teuren Eintritt, schwitzt sich einen ab, trägt ihr
       Bodyshop-Peeling auf, wäscht sich ab, geht nach Hause.
       
       Monika, du Eklige, wenn du sowieso vorhast, dein herkömmliches Produkt zu
       benutzen, kannst du das auch zu Hause unter der Dusche machen und musst
       nicht dafür ins Hamam gehen, wo du deine schon zum Abschied vorbereitete
       obere Hautschicht erbarmungslos zum Bleiben zwingst.
       
       Wäre es nur das, wallah, ich würde diesen Text nicht schreiben. Jede Person
       kann sich nach eigenem Hygieneempfinden waschen. Aber Monika reicht es
       nicht, nur sich selbst den Hamam-Trip zu vermiesen.
       
       Monika schnaubt genervt, wenn du deiner Begleitung etwas zuflüsterst,
       während ihr alle nebeneinander auf dem heißen Stein chillt. Monika bittet
       darum, nicht miteinander zu sprechen. Denn Monika kennt den Unterschied
       zwischen Hamam und Luxus-Spa nicht. Tatsächlich kennt Monika nicht mal den
       Unterschied zum Saunabereich in ihrem 20€-Fitnessstudio und einem Silent
       Retreat.
       
       Monika beäugt stärker behaarte Leute im Hamam (ganz unauffällig), weil sie
       das „von sich gar nicht so kennt“. Und Monika reserviert ihren Spot mit
       einem Hamam-Tuch, wenn sie eine halbe Stunde lang woanders ist. Denn Monika
       ist es nicht anders gewöhnt als am Badestrand umgeben von anderen Almans.
       
       Manchmal habe ich das Bedürfnis, meinen eigenen inneren Alman raushängen zu
       lassen, wenn Monika mal wieder die Augen verdreht, weil jemand im Hamam
       gelacht hat. Mit passiv-aggressiver Stimme würde ich dann zu ihr sagen:
       „Du, Monika. Wenn du kein Bock drauf hast, dich an die Regeln hier
       anzupassen, kein Problem. Niemand wird gezwungen, hier zu sein.“
       
       21 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hengameh Yaghoobifarah
       
       ## TAGS
       
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