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       # taz.de -- Europa-League-Sieger Atlético Madrid: So ein Titel nach so einer Saison
       
       > Mit 3:0 schlägt Atlético Madrid im Europa-League-Finale Olympique
       > Marseille. Mit Griezmann und Torres werden aber zwei Stars gehen.
       
   IMG Bild: Drei Tore und den Pokal noch mitgenommen: Nach Antoine Griezmanns zweitem Tor war Marseille geschlagen
       
       Lyon taz | Es war schon ein lustiger Anblick, wie sie da spät in der Nacht
       nebeneinandersaßen: Atlético Madrids Trainer Diego Pablo Simeone, die
       schlanke Figur wie stets formbetont im schwarzen Anzug, und der doppelt so
       füllige Assistent Germán Burgos mit Vollbart, langen Haaren und
       Funktionsklamotten, irgendwo zwischen Rocker und Rentnertourist. Burgos
       hatte den wegen Schiedsrichterbeleidigung gesperrten Simeone bei Atléticos
       Europa-League-Triumph über Olympique Marseille auf der Trainerbank
       vertreten. Aber die Einordnung des Geschehens, die übernahm dann natürlich
       wieder der Chef.
       
       Überhöhungen kann im Weltfußball keiner so gut wie Simeone. 2012 eröffnete
       der Argentinier die Renaissance des Madrider Volksklubs mit dem Gewinn der
       Europa League, nach einer spanischen Meisterschaft (2014) sowie zwei
       dramatisch verlorenen Champions-League-Finals gegen Stadtnachbar Real
       (2014, 2016) war man durch das souveräne 3:0 in Lyon wieder beim selben
       Pokal angelangt. „Dieser Titel ist viel größer als nur eine Europa League“,
       betonte Simeone also mehrfach. „Er ist eine Ehrerbietung an die Konstanz,
       an die Arbeit, an die Beharrlichkeit.“
       
       Und wichtig nach einer schwierigen Saison mit Stadionumzug,
       Fifa-Transfersperre und Champions-League-Gruppen-Aus ist der Titel auch.
       Doch nach diesem Aus hatte Kapitän Gabi sogar offen eingeräumt, die Europa
       League sei ein „Scheiß“ im Vergleich. Tatsächlich stellte das Finale dann
       keine echte Herausforderung für diese routinierte Spitzenelf dar. Schon im
       Vorfeld diskutierte man mehr darüber, wer denn die Trophäe in Empfang
       nehmen sollte: Gabi oder die scheidende Klubikone Fernando Torres.
       Letztlich reckten den Pokal beide zusammen in die Luft.
       
       Für Torres, der von 2007 bis 2015 im Ausland spielte, war es ja tatsächlich
       der erste Titel mit dem Klub, bei dem er als „Niño“, als Kind, in
       Zweitligazeiten zum Erlöser ausgerufen wurde. Obwohl er in Lyon erst in der
       Schlussminute eingewechselt wurde, begrüßte der Weltmeister, Europameister
       und Champions-League-Sieger den Titel als den „emotional wichtigsten“
       seiner Karriere: „Mein Kindheitstraum hat sich erfüllt.“
       
       ## Griezmanns Zukunft ist ungewiss
       
       Dass er überhaupt noch kurz mittun durfte, hatte er indes dem
       Doppeltorschützen Antoine Griezmann zu verdanken. Während die Mitspieler in
       der 89. Minute das 3:0 durch Gabi feierten, lief der Franzose zur
       Ersatzbank und forderte Burgos auf: „Bring Torres!“
       
       Dabei steht Griezmann ja vor dem Absprung zum FC Barcelona, daran hat auch
       der erste wichtige Titel seiner Karriere mit einem Weltklassetor zum 2:0
       nichts geändert. Als er später seine Trophäe für den Mann des Spiels
       feinsäuberlich wie ein Auftragskiller seine Waffe im zugehörigen Koffer
       verstaut hatte, vermied er jedes Bekenntnis. „Jetzt ist nicht der Moment,
       über die Zukunft zu sprechen“, sagte der Franzose nur. Denn erst zum 1.
       Juli, wenn seine Ausstiegsklausel von 200 Millionen auf 100 Millionen
       sinkt, dürfte Klarheit möglich sein.
       
       So lange kann Atlético noch mit allen Mitteln versuchen, ihn umzustimmen:
       mit dem Faktor Simeone – „er hat mich unter die Top drei der Welt
       gebracht“, räumte Griezmann in Lyon ein; mit harter Währung – das jüngste
       Angebot soll bei 20 Millionen Euro Nettojahresgehalt liegen, was ihn direkt
       hinter Messi, Neymar und Ronaldo einreihen würde; mit dramatischen Appellen
       wie von Geschäftsführer Miguel Ángel Gil Marín – „Griezmann muss sich
       entscheiden, ob er hier Geschichte schreiben oder anderswo einer unter
       vielen sein will“ –; oder mit zartem Verständnis wie von Simeone: „Wenn
       Antoine bleibt, werden wir natürlich weiter wachsen. Wenn er geht, werde
       ich ihm für alles danken, für seinen Einsatz, dafür, dass er hier sein
       Leben gab.“
       
       Torres riet Griezmann nach dem Schlusspfiff: „Jetzt feier erst mal und dann
       entscheidest du.“ Doch die nächste Europakampagne muss Atlético wohl ohne
       beide angehen. 2019 wird das Finale sogar im eigenen Stadion gespielt. Dem
       der Champions League. Und das soll es dann auch bitte schön wieder sein.
       
       17 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Haupt
       
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