URI: 
       # taz.de -- Zentralredaktionen im Trend: Bericht aus Berlin
       
       > Madsack und Dumonts gemeinsames Hauptstadtbüro beliefert künftig rund 50
       > Zeitungen mit Texten aus Berlin. Rettet das den Lokaljournalismus?
       
   IMG Bild: Madsack hat seit 2013 einen zentralen Newsroom, Funke seit 2015. Neu ist aber das Tempo, mit dem die Verlage ihre Inhalte zentralisieren
       
       Berlin taz | Am vergangenen Dienstag begannen die 8-Uhr Nachrichten im
       Deutschlandfunk so: „Bundesaußenminister Maas hat zum Kampf gegen Hass und
       Fremdenfeindlichkeit aufgerufen. Anlass ist der 25. Jahrestag des
       Brandanschlags von Solingen. Maas sagte den Zeitungen der
       Funke-Mediengruppe, die Tat sei auch ein Angriff auf das, was Deutschland
       ausmache. […] Bundesjustizministerin Barley sagte dem Redaktionsnetzwerk
       Deutschland, es sei beschämend, dass auch heute noch Menschen wegen ihrer
       Herkunft, Religion oder ihrer sexuellen Orientierung bedroht und
       angegriffen werden.“
       
       Interessant an dieser Meldung sind vor allem die beiden Quellen, die der
       Deutschlandfunk zitiert: Das Redaktionsnetzwerk Deutschland ist [1][die
       Zentralredaktion von Madsack], einem der größten Regionalzeitungsverlage
       Deutschlands. Die Funke-Mediengruppe ist Madsacks direkter Konkurrent.
       
       Beide besitzen mehrere Regionalzeitungen: Madsack 15, Funke 12. Deren
       Mantelseiten, also die mit der überregionalen Berichterstattung, lassen sie
       in Zentralredaktionen erstellen. Neu ist das nicht: Madsack hat seit 2013
       einen zentralen Newsroom in Hannover, Funke seit 2015 einen in Berlin. Neu
       ist aber das Tempo, mit dem die Verlage ihre Inhalte zentralisieren:
       Madsack beliefert mittlerweile nicht nur die eigenen, sondern auch 40
       weitere Blätter. Noch in diesem Jahr will der Verlag auch die Webseiten der
       Regionalzeitungen aus Hannover bespielen.
       
       Für die Berichterstattung zur Bundespolitik betreibt Madsack, wie auch die
       Rheinische Post und andere Regionalverlage, zusätzlich ein Büro in Berlin.
       Das funktioniert so: Früher, wenn im Bundestag die Haushaltsdebatte lief,
       schickten Regionalzeitungen ihren Mann oder ihre Frau in Berlin dort hin.
       Heute geht einE ReporterIn für Funke und einE für Madsack und schreibt
       einen Text, den alle Funke- bzw. Madsack-Blätter übernehmen. Zum Teil
       drucken die Zeitungen nicht nur die Texte, sondern die komplette in Berlin
       oder Hannover produzierte Seite mit Bildern, Layout und Überschriften. Die
       Leser in Kiel sehen in ihrer Zeitung dann womöglich exakt die gleiche
       Politikseite wie die in Datteln.
       
       Vergangene Woche wurde bekannt, dass Madsack mit dem Kölner Medienhaus
       Dumont ein gemeinsames Hauptstadtbüro gründet. RND Berlin soll es heißen
       und die Arbeit des bisherigen Berliner Büros des RND fortsetzen – aber
       nicht mehr nur für Madsack-, sondern auch für Dumont-Blätter. „Grausig“,
       nennt das Horst Röper, Zeitungsforscher am Dortmunder Formatt-Instituts.
       „Wenn nun sogar die großen Medienhäuser fusionieren, dann bleibt nicht mehr
       viel Vielfalt übrig in der überregionalen Berichterstattung.“
       
       Denn es macht einen Unterschied, mit welchem regionalen Fokus Zeitungen auf
       bundespolitische Themen schauen. Beispiel Kohleausstieg. Den beurteilen
       Redakteure im Rheinland wohl anders als welche in Berlin. Zwar lässt es
       sich der regionale Chefredakteur oft nicht nehmen, den Kommentar auf Seite
       eins zu schreiben. Trotzdem nimmt die publizistische Vielfalt ab, wenn
       immer mehr Texte aus immer weniger Redaktionen kommen.
       
       Wenn das Kartellamt der Fusion von Dumont und Madsack zustimmt, dann
       erreichen die beiden zusammen täglich bis zu 6,8 Millionen LeserInnen mit
       einer Auflage von 2,3 Millionen Exemplaren. Das ist mehr als Süddeutsche
       und FAZ zusammen, auch mehr als die Bild, die noch immer die meistverkaufte
       Tageszeitung ist.
       
       Es ist also kein Wunder, dass sich Heiko Maas und Katharina Barley mit
       ihrer Botschaft an Funke und das RND wenden. Aber auch das findet Horst
       Röper problematisch: Diese „Quasimonopole“ schafften neue Abhängigkeiten
       zwischen Politikern und Journalisten.
       
       ## Fluch und Segen
       
       Für die Regionalredaktionen selbst sind die Zentralen Fluch und Segen
       zugleich. Zum einen sind sie Sparprogramme, wie sich gerade wieder in
       Berlin zeigt. Die 17 Dumont-Mitarbeiter, die bisher die
       Hauptstadtberichterstattung gemacht haben, werden entlassen. Sie können
       sich auf zehn neue Stelle bei RND Berlin bewerben.
       
       Andererseits gewinnen viele Zeitungen durch die Zentralen journalistische
       Qualität und Relevanz. Die Märkische Allgemeine Zeitung allein hätte
       vermutlich kein Interview mit der Justizministerin zum Solingen-Gedenken
       bekommen. Über das RND-Netz bekommt sie es.
       
       Das sieht auch RND-Chefredakteur Wolfgang Büchner so. Für ein Interview mit
       der taz hat er keine Zeit, aber auf einer Journalistenkonferenz im
       italienischen Perugia sprach er kürzlich über seine Arbeit. Früher, sagte
       er dort, hätten viele Regionalzeitungen das Überregionale mit dpa-Meldungen
       abgedeckt. Heute bekommen sie eigene Autorenstücke – noch dazu besonders
       gute. Denn, so verteidigte sich in Perugia auch Steffi Dobmeier, Mitglied
       der Online-Chefredaktion von Funke: In der Zentrale gebe es so
       spezialisierte Fachredakteure, wie sich kaum eine Regionalzeitung allein
       leisten könnte. Und wenn die Lokalzeitungen keine Kraft mehr in das
       Überregionale stecken müssten, bleibe ihnen mehr Zeit für gute
       Lokalberichterstattung.
       
       „Schön wär’s“, sagt der Zeitungsforscher Röper. Er glaubt eher, dass die
       Lokalredaktionen ausgedünnt werden und die Verlage ihre „Gleichmacherei“
       vorantreiben. Und dass die Leidtragenden am Ende die Leser sind.
       
       3 Jun 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /!5507962
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anne Fromm
       
       ## TAGS
       
   DIR Madsack
   DIR Funke Mediengruppe
   DIR Lokaljournalismus
   DIR Medienvielfalt
   DIR Wolfgang Büchner
   DIR Madsack
   DIR Madsack
   DIR Frankfurter Rundschau
   DIR Berliner Zeitung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Chefredakteur über Wandel und Vielfalt: „Das Lokale hat Zukunft“
       
       Das Redaktionsnetzwerk Deutschland beliefert Regionalzeitungen.
       Chefredakteur Wolfgang Büchner über Vielfalt und Wandel im Journalismus.
       
   DIR Hauptstadtredaktionen Madsack/DuMont: Grünes Licht für die Fusion
       
       Madsack und DuMont dürfen ihre Hauptstadtredaktionen zusammenlegen. Die
       Veränderungen treffen vor allem DuMont-Mitarbeiter.
       
   DIR Umbau bei DuMont und Madsack: Ein Team für 50 Zeitungen
       
       DuMont und Madsack gründen eine gemeinsame Hauptstadtredaktion – und
       streichen in der bisherigen DuMont-Redaktion Berlin wohl 17 Stellen.
       
   DIR Neue Verleger, andere Strategie: Zurück in die Zukunft
       
       Mehr Lokales, mehr Kooperationen: Bei der „Frankfurter Rundschau“ und der
       „Frankfurter Neuen Presse“ wird umgebaut und gespart.
       
   DIR Umbau beim Berliner Verlag: Drei Herren in leeren Hallen
       
       „Berliner Zeitung“ und „Berliner Kurier“ verschmelzen zur Berlin Newsroom
       GmbH. Deswegen will der DuMont-Verlag Personal loswerden.