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       # taz.de -- Kolumne Eier: Mittelmäßig ist auch O.K.
       
       > Er war oral besser, ihr schläft beim Vögeln nie der Arm ein. Wie kriegen
       > wir es hin, dass Sex kein göttinverdammter Wettbewerb sein muss?
       
   IMG Bild: Die Perfektion, an der man sich messen zu müssen glaubt, ist überwältigend
       
       Dass er sich unterlegen fühlt, gesteht mein Gesprächspartner. Unterlegen,
       weil seine Freundin mehr Erfahrung hat als er, sexuell. Dass es ihn
       verunsichert, sagt er. Dass er es deswegen nicht mag, wenn sie über ihre
       Exfreunde spricht. Ich bin ein bisschen überrascht von diesem Geständnis.
       All die Jahre in der queeren Szene, all die Semester Gender Studies – und
       nach wie vor unterhalte ich mich so gut wie nie mit anderen Männern über
       das Gefühl sexueller Unzulänglichkeit.
       
       In [1][meiner letzten Kolumne] habe ich über die grauenvollen Jahre meiner
       schändlichen Jungfräulichkeit geschrieben. Von dem Moment, als ich mir
       sicher war, dass alle anderen schon mal hatten, nur ich noch nicht. Ich
       hoffe, dass der eine oder andere sich wiedererkannt hat. Nun sind wir etwas
       älter und hatten vielleicht inzwischen unser erstes Mal. Mit etwas Glück
       war es ganz nett, mit größerer Wahrscheinlichkeit nicht. In jedem Fall ist
       die Jungfräulichkeit passé. Aber es gibt ein neues Problem: den Vergleich.
       Weiß ich alles, kann ich genug? Bin ich agil, souverän, überraschend? Kurz:
       Bin ich besser als all die anderen, die er*sie schon mal hatte?
       
       Im Zeitalter der seriellen Monogamie gibt es immer die ehemaligen und
       zukünftigen Partner*innen, die Sex-Geister, die mit im Bett liegen. Die
       besseren Oralsex machen, die bei 69 keine Koordinationsschwierigkeiten
       kriegen und denen garantiert nie beim Vögeln der Arm einschläft.
       
       Für Heteromänner war das mal alles ganz leicht. Die Partnerin hatte
       jungfräulich zu sein. Und auch als man anfing, es mit dem intakten Hymen
       nicht mehr so genau zu nehmen, musste sich immer noch die Frau schämen,
       wenn sie sexuell erfahren war, nicht der Mann. Das haben Carrie und
       Samantha Anfang des Jahrtausends geändert. Und die Scham ist plötzlich bei
       den Männern hängen geblieben. Die wiederum reden natürlich nicht darüber
       und lassen die Scham tun, was sie am liebsten tut: von innen nagen.
       
       Übrigens ist es für schwule Männer auch nicht viel leichter. Die
       Perfektion, an der man sich in der schwulen Welt messen zu müssen glaubt,
       ist überwältigend. Sollten Sie einen schwulen Pornofilm finden, in dem ein
       tapsiger Typ mit durchschnittlichem Penis nicht so richtig weiß, wohin mit
       seinen Füßen, dann lassen Sie es mich bitte wissen.
       
       Es muss natürlich nicht sein, dass es allen so geht wie mir und meinem
       Gesprächspartner. Vielleicht kennt nicht jeder Mann das Gefühl, sich beim
       Sex vergleichen zu müssen. Sie zum Beispiel? Warum lesen Sie das hier denn
       immer noch? Gehen Sie in Frieden. Ich will Ihnen nichts einreden.
       
       Für alle anderen: Wie kriegen wir das hin, dass Sex kein göttinverdammter
       Wettbewerb sein muss? 15.000 Paare in Paris haben in diesem Moment gerade
       keinen Orgasmus, obwohl sie es drauf anlegen. Können wir uns mittelmäßigen
       Sex auch mal verzeihen? Sind wir dafür Mann genug?
       
       25 May 2018
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Peter Weissenburger
       
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