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       # taz.de -- Monokultur im alten Westen: Überall die gleichen Läden
       
       > Am Wochenende verabschiedeten sich die Ku'damm-Bühnen vom angestammten
       > Ort. Nun geht es erst einmal am Schillertheater weiter.
       
   IMG Bild: Eine Ära ist zu Ende gegangen am Kurfürstendamm
       
       Ältere Damen in lockigen Persianermänteln, ältere Herren, die sich bei
       jeder noch so schalen Pointe mit einem Taschentuch den Schweiß von der
       Stirn tupfen: Das sind die Assoziationen, die sich einstellen, wenn der
       Berliner an seine Ku’damm-Bühnen denkt. Was soll da schon verloren gehen,
       fragte er sich auch am vergangenen Wochenende wieder, als überall vom
       tränenreichen Abschied der Ku’damm-Bühnen die Rede war.
       
       Die neuen Besitzer, Investor Cells Bauwelt aus München und der russische
       Unternehmer Mikhail Opengeym, wollen den Koloss namens Ku’damm-Karree
       aufwendig sanieren, die Theater im Juni abreißen. Bis 2023 werden die
       Bühnen mit finanzieller Hilfe des Senats im Schillertheater überwintern,
       danach dürfen sie an der alten Adresse, am Kurfürstendamm 206 zurück – und
       in den Keller ziehen.
       
       Beklagenswert an dieser Entwicklung sind trotz aller berechtigten
       Ressentiments gegen das Boulevardtheater vor allem drei Dinge: Erstens wird
       damit eine elegante Nachkriegsarchitektur in die Tonne getreten, die
       versuchte, den Geist des 1920er-Jahre-Originals zumindest zu zitieren,
       während anderswo, im Fall der Staatsoper, Millionen verschossen wurden, um
       eine DDR-Rekonstruktion zu renovieren.
       
       Zweitens verkaufte das Land Berlin das Ku’damm-Karree 1990 mit der Auflage,
       es weiterhin auch als Theater zu nutzen; 1998 nahm die Stadt dann noch mal
       Geld ein, indem es diese Auflage verkaufte. Nun muss sie die Bühnen mit
       wachsenden Geldspritzen unterstützen, damit sie zuerst die provisorische
       Spielstätte Schillertheater und dann die Kellermiete überleben, die
       natürlich teurer werden wird.
       
       ## Im Westen wird's langweilig
       
       Drittens, und das ist vielleicht das Traurigste: Der Ku’damm wird mal
       wieder ein Stück langweiliger werden. Interessante Städte können ein gutes
       Stück Luxus wegstecken, gern auch obszönen Luxus. Aber das, was in den
       letzten Jahren am Kurfürstendamm abgeht, wird langsam allzu monokulturell.
       
       Nicht mal das gehobene Bürgertum kann sich hier noch die Mieten leisten.
       Da, wo es früher wenigstens hin und wieder noch einen trashigen
       Antiquitätenladen oder eine Nudelbude gab, kann man heute nur noch Prada
       oder Feinkost kaufen. Und wo früher manchmal noch ein Mercedes der C-Klasse
       parkte, sieht man heute nur noch Bugattis.
       
       Das schöne Besondere des alten Westens – die friedliche Koexistenz von
       billig und pompös, speckig und glamourös: Sie geht verloren. Man wird sie
       nicht retten, indem man sie im Keller versteckt.
       
       28 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Messmer
       
       ## TAGS
       
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