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       # taz.de -- Identitäre Bewegung in Österreich: Sellner und Kameraden vor Gericht
       
       > Die Staatsanwaltschaft Graz klagt eine Reihe österreichischer Identitärer
       > an. Darunter ist auch der „Promi“ Martin Sellner.
       
   IMG Bild: Auch in Österreich sind die Identitären aktiv. Dort heißen sie IBÖ, Identitäre Bewegung Österreich
       
       Wien taz | Die rechtsextreme Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ) wird
       demnächst in Graz vor Gericht stehen. Gegen zehn Führungsmitglieder und
       sieben Aktivisten hat die Grazer Staatsanwaltschaft eine Anklageschrift
       eingebracht, wie am Montag bekannt wurde. Die Anklage wirft den Identitären
       „Verhetzung“, Bildung einer kriminellen Vereinigung, Sachbeschädigung und
       Nötigung vor. Angeklagt ist auch [1][Martin Sellner], der als
       Aushängeschild der Bewegung gilt.
       
       Die IBÖ nütze „die auch in der österreichischen Bevölkerung stetig
       zunehmende Angst vor radikalislamischen Terroranschlägen, um den Islam
       generell mit islamistischem Terror gleichzusetzen und jede in Österreich
       lebende, der muslimischen Bevölkerungsgruppe zuzuordnende Person als
       potenziell terroristisch darzustellen“, so der Ankläger.
       
       Erstmals waren im April 2016 Ermittlungen gegen die IBÖ aufgenommen worden,
       als Aktivisten in Graz beim Büro der Grünen ein Transparent mit der
       Aufschrift „Islamisierung tötet“ entrollten. Während über Lautsprecher die
       Grünen und die SPÖ für den Terror in Europa verantwortlich gemacht wurden,
       kippten die Aktivisten Theaterblut über das Spruchband. Es folgten
       Zwischenfälle in der Uni Klagenfurt, wo während einer Vorlesung über Asyl
       und Migration ein Transparent „Stoppt Zuwanderung“ aufgespannt wurde.
       
       Im September 2016 sprühten Identitäre in der steirischen Ortschaft Maria
       Lankowitz Parolen wie „Integration ist Lüge“ auf Straßen und Gehsteige.
       Heiligenfiguren in der Kirche hüllten sie in Plastik-Burkas. Der letzte in
       den Strafantrag aufgenommene Vorfall ereignete sich im März 2017 in Wien,
       wo der türkische Präsident via Spruchband auf einem Wohnhaus aufgefordert
       wurde: „Erdogan, hol deine Türken ham“.
       
       ## Nähe zur FPÖ
       
       Die österreichischen Identitären stehen Teilen der FPÖ nahe. So wurde der
       Grazer Gemeinderat Heinrich Sickl bei einem Aufmarsch der IBÖ mit einer
       Fahne fotografiert. Auch Mario Eustacchio, FPÖ-Vizebürgermeister von Graz,
       ist schon bei den Identitären aufgetreten. Die Grünen fordern jetzt
       anlässlich der Anklageerhebung Sickls Rücktritt.
       
       Johann Gudenus, Fraktionschef der FPÖ im Nationalrat, sieht keinerlei
       Verbindung zwischen seiner Partei und der rechtsextremen Vereinigung. Für
       Bernhard Weidinger vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen
       Widerstandes (DÖW) ist aber „ein enges Näheverhältnis schwer bestreitbar“.
       Auch Parteichef Heinz-Christian Strache hatte sich vor seiner Zeit als
       Vizekanzler als Fürsprecher der Identitären betätigt. Es handle sich um
       eine rechte Form der Zivilgesellschaft, sagt Strache. Das müsse legitim
       sein, solange die rote Linie des Strafrechts nicht überschritten werde.
       
       Der Anwalt der Identitären will die Vorwürfe dadurch entkräften, dass die
       Aktionen seiner Mandanten „nicht planmäßig“ ausgeführt worden seien. Das
       hält Julian Bruns, Co-Autor eines Buches über die Bewegung, für „bizarr“.
       Denn penible Planung sei ja ein Charakteristikum der Propagandauftritte. Er
       hält die 2012 gegründete IBÖ für gefährlicher als traditionelle Neonazis,
       weil sie als „softe Rechte“ daherkämen und daher leichter Akzeptanz finden
       würden.
       
       Auf ihrer Homepage berufen sie sich auf einen „Patriotischen Grundkonsens“:
       „Wir lieben unsere Heimat und müssen uns dafür nicht rechtfertigen. Denn
       Heimatliebe ist kein Verbrechen!“ Das multikulurelle Experiment sei
       gescheitert: „Die multikulturelle Gesellschaft ist hart, schnell, grausam
       und wenig solidarisch. Wir setzen uns daher für eine nachhaltige
       Bevölkerungspolitik und ein Ende der Massenzuwanderung ein.“
       
       Die Meinungsfreiheit höre dort auf, wo Leib und Leben bedroht seien, sagt
       Autor Julian Bruns. Er und seine Co-Autoren hätten schon Morddrohungen
       erhalten, nur weil sie ein Buch über die Identitäre Bewegung schrieben.
       
       Wann der Prozess beginnen wird, kann die Grazer Staatsanwaltschaft noch
       nicht sagen. Die Richterin müsse sich zuerst in die Akten einlesen. Der
       Strafrahmen reicht bis zu fünf Jahren.
       
       15 May 2018
       
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