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       # taz.de -- Tag gegen Homo-, Bi-, Inter-, Transphobie: „Ich empfehle tiefes Durchatmen“
       
       > Psycholog*in René_Hornstein fühlt sich oft ausgeschlossen. Und plädiert
       > dennoch für einen entspannteren Umgang mit Geschlechtern.
       
   IMG Bild: Abwehr sind viele Trans-Bi-oder Intermenschen gewohnt – kein Grund, sich nicht dagegen zu wehren
       
       taz: René_Hornstein, das Verfassungsgericht verlangte 2017 eine dritte
       Option beim Geschlechtseintrag in Ausweisen. Nun kommt aus dem
       Innenministerium bald ein Gesetzentwurf dazu, in dem es laut ersten
       Informationen heißen soll: „männlich“, „weiblich“ oder „andere“. Wie fühlt
       man sich denn als „andere“? 
       
       René_Hornstein: Ziemlich „verandert“, „geothert“, sagt man in der
       Fachdiskussion, also ausgeschlossen. Als stünde ich in unserer bürgerlichen
       Ordnung in der zweiten Reihe. Ich darf zwar mitspielen, weil der
       Gesetzgeber dazu gezwungen wurde, aber nicht als gleichberechtigtes
       Mitglied mit einer eigenständigen Bezeichnung.
       
       „Andere“ ist sicher auch der hilflose Versuch, mehrere Identitäten unter
       einen Hut zu bekommen. Was wäre besser? 
       
       Die grundsätzliche Frage ist, ob man das Geschlecht überhaupt erfassen
       muss. Ich bin davon nicht überzeugt. Man könnte aber auch „genderqueer“,
       oder „nicht-binär“, oder „weder-noch“ nutzen. Im internationalen
       Flugverkehr wird einfach der Buchstabe x verwandt.
       
       Sie haben sich auch in Ihrer akademischen Arbeit damit beschäftigt, wie
       eine trans-wohlmeinende Gesellschaft aussehen würde. Was wäre wichtig? 
       
       Auf der persönlichen Ebene kann man Trans*menschen fragen, was sie sich an
       Unterstützung wünschen, mit welchem Pronomen sie bezeichnet werden möchten.
       Auf der Ebene der Institutionen sollte den Trans- und Interorganisationen
       zugehört werden. Das ist zum Beispiel jetzt im Innenministerium nicht
       geschehen. Wir werden nicht ausreichend wahrgenommen. Und das ist
       elementar, denn vielen Menschen ist nicht präsent, dass ich zum Beispiel,
       wenn ich in weiblich konnotierter Kleidung in die Öffentlichkeit gehe,
       Gewalt erlebe. Von verbaler Gewalt über Anspucken bis dahin, dass ich schon
       mal gewürgt wurde. Deutschland ist da noch nicht sehr weit.
       
       Was muss auf der Gesetzesebene passieren? 
       
       Die progressiven Gesetzesentwürfe, die es gibt, müssen einfach nur
       verabschiedet werden. Das Transsexuellengesetz muss so weiterentwickelt
       werden, dass einer Person nicht vom Psychiater eine Störung bescheinigt
       werden muss, damit sie die Transition machen kann. Das ist eine
       Pathologisierung. Der Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie liegt
       auf dem 17. Mai, weil die WHO an diesem Tag einst die Homosexualität aus
       dem Katalog der Krankheiten gestrichen hat. Transidentität wird aber immer
       noch so behandelt. Und die Operationen an intersexuellen Babies müssen
       strafbar werden. Dazu ist alles gesagt. Der Bundestag kann das heute
       entscheiden.
       
       Gegenüber nicht-binären Personen gibt es oft Verunsicherungen. Menschen
       fürchten, das falsche Pronomen zu verwenden, stolpern zwischen Herr und
       Frau Hornstein hin und her und bekommen Angst, dass sie schon als transphob
       gelten, weil sie da Fehler machen. Wie gehen Sie damit um? 
       
       Ich empfehle tiefes Durchatmen. Man kann nicht durch die Welt gehen, ohne
       jemanden zu diskriminieren, auch ich diskriminiere aus Versehen Menschen.
       Eine Handlung kann eben verletzend sein, ohne dass das beabsichtigt war. In
       den meisten Fällen sind die Menschen ja guten Willens, sie entschuldigen
       sich und fragen nach, wie es am besten gehen würde.
       
       Viele wollen sich schlicht nicht die Mühe machen, ihre Sprache zu
       überdenken. Was ist mit denen? 
       
       Das ist Abwehr, das bin ich gewohnt. Da muss ich nicht insistieren, jede
       Person darf machen, was sie will. Mit der muss ich ja nicht unbedingt
       zusammenarbeiten.
       
       17 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heide Oestreich
       
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