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       # taz.de -- Gewoba-Vorstand über Wohnungsbau: „Ein erheblicher Wandel“
       
       > Der Vorstandsvorsitzende von Bremens kommunaler Wohnungsbaugesellschaft
       > Gewoba, Peter Stubbe, über Wohnungsnot, soziale Segregation und
       > Hausbesetzungen.
       
   IMG Bild: Billige Mietwohnungen gibt es in Bremen zum Beispiel in Osterholz-Tenever
       
       taz: Herr Stubbe, es gab ein Revival der Hausbesetzung. In Berlin wurde
       kürzlich ein Gebäude der städtischen Wohnungsbaugesellschaft besetzt.
       Inwiefern halten Sie diese Aktionsformen für einen legitimen Protest gegen
       Wohnungsnot? 
       
       Peter Stubbe: Wie viele Menschen bin ich da zwiegespalten: Als Bürger habe
       nicht immer die selben Auffassungen wie beruflich. Als Vorstand der Gewoba
       kann ich Hausbesetzungen nicht tolerieren, ist doch logisch. Als Bürger
       sehe ich natürlich, dass es unterschiedliche Ausdrucksformen gibt, mit
       gesellschaftlichen Missständen umzugehen. Aber man muss sich auch den
       Einzelfall anschauen: Mein Berliner Kollege hat ja durchaus verhandelt. Im
       Ergebnis waren die Besetzer nicht sonderlich verhandlungsbereit. Das finde
       ich auch als Bürger nicht ganz nachvollziehbar.
       
       Steht eines Ihrer Häuser leer? 
       
       Bei der Gewoba gibt es keine leerstehenden Häuser. Und das Haus in Berlin
       stand ja auch nur leer, weil es saniert werden sollte. Es ist fraglich, ob
       es damit das richtige Ziel für eine Hausbesetzung war. Ich habe da als
       Bürger mehr Verständnis, wenn Häuser willentlich zu Spekulationszwecken
       über lange Zeit leergelassen werden.
       
       Wie würden Sie handeln, wenn jemand ein Gewoba-Haus besetzen würde? 
       
       Wir wären verständnisvoll streng.
       
       Was sind die größten Probleme des Bremer Wohnungsmarktes? 
       
       Bremen hat in den letzten 30 Jahren einen erheblichen Wandel durchgemacht.
       Nach dem Niedergang der Hafenwirtschaft und der Werftenkrise kam es zum
       Strukturwandel. In Folge haben wir einen sehr knappen Wohnungsmarkt. In der
       Achse Universität-Flughafen steigen die Preise und Mieten extrem,
       wohingegen wir in Bereichen entlang der Weser in der alten Hafenwirtschaft
       eine verhaltene Entwicklung haben. Auch segregative Tendenzen sind nicht
       abzustreiten. Aber gleichzeitig gibt es das Bemühen, in den
       Segregationsprozess mit öffentlichem Wohnungsbau einzugreifen.
       
       Wie sind Sie als Soziologe eigentlich Vorstand einer
       Wohnungsbaugesellschaft geworden? 
       
       Wir Soziologen bekommen durchaus gute Jobs und der in der
       Wohnungswirtschaft gehört dazu. Wir haben qua Satzung den Auftrag, breite
       Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu versorgen und wollen für das
       Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft und mit
       unterschiedlichem sozialen Status sorgen.
       
       Der Wohnungsmarkt ist vielerorts angespannt. Warum gibt es zu wenig
       Wohnraum und was kann der Senat dagegen tun? 
       
       In einigen Städten sind die Zustände überhaupt nicht in Ordnung. Es gibt
       aber auch Orte, die von Abwanderung betroffen sind. Das ist ein
       entscheidender Unterschied zur Nachkriegszeit, als in Deutschland nirgendwo
       Wohnungen waren. Aber ich erteile dem Senat keine klugen Ratschläge in der
       Zeitung. Dennoch sprechen wir natürlich hinter verschlossenen Türen.
       
       Sind Sie nicht zufrieden mit dem Senat – mit dessen Wohnbauprogrammen und
       Zahlen? 
       
       Doch! Es ist viel passiert. Bremen hat einen Flächennutzungsplan
       aufgestellt und Grundstücke identifiziert, auf denen Wohnungsbau passieren
       soll, etwa 2015 mit dem Sofortprogramm. Und der Senat hat Impulsgrundstücke
       beschlossen, die immerhin für 7.000 bis 8.000 Wohnungen gut sind. Hinzu
       kommt die Sozialraumquote von 25 Prozent für Gebiete mit Planungsrecht. Das
       sind aus meiner Sicht Erfolge. Die Gewoba hat die letzten Jahre gar nicht
       gebaut, jetzt haben wir damit wieder angefangen. Über 600 Wohnungen haben
       wir jetzt fertig und in diesem Jahr über 700 im Bau. Der soziale
       Wohnungsbau hat Fahrt aufgenommen.
       
       Aber wollte der Senat nicht 350 neue Wohnungen pro Jahr? Nun sind nach fünf
       Jahren jedoch nur knapp 453 fertig. 
       
       Ein Haus bauen, ist anders, als einkaufen gehen. Bevor sie überhaupt einen
       Bauantrag stellen, muss Planungsrecht her. Dann sind Anwohner und Bürger
       oft geneigt, intensiv zu diskutieren. Nehmen Sie das Beispiel Gartenstadt
       Werdersee: Das Beteiligungsverfahren hat Jahre gedauert, um einen
       Bebauungsplan zu entwickeln, der dann auch von den städtischen Gremien
       beschlossen wurde. Der Senat muss sich nicht anlasten lassen, dass er
       versucht hat, von oben herab möglichst schnell einen Bebauungsplan zu
       erlassen. Er hat ihn mit den Menschen gemeinsam entwickelt – das braucht
       aber eben auch Zeit.
       
       Der Senat ist aus Ihrer Sicht also auf dem richtigen Kurs? 
       
       Das denke ich schon. Denken Sie doch nur einmal an die Baudeputation
       vergangenen Dienstag. Dort gab es zwei Baubeschlüsse: einen zum
       Hulsberg-Viertel – dort hat die Bürgerbeteiligung viele Jahre gedauert –
       und zum zweiten den Beschluss über das Kellogg-Gelände und zwar innerhalb
       eines halben Jahres. In Bremen hat es niemand für möglich gehalten, dass
       das so unglaublich schnell geht.
       
       Die Opposition forderte auch bessere Förderkonditionen, die Direktvergabe
       von Flächen und eine aktive Steuerung der Gewoba, um den Bau „kommunaler
       Sozialwohnungen“ voranzutreiben. Wie sehen Sie das? 
       
       Für bessere Förderkonditionen sind wir immer zu haben. Aber das jetzt zu
       fordern, ist auch ein bisschen billig.
       
       Der Ausverkauf städtischer Flächen an private Investoren ist ein weiterer
       Gegenstand von Kritik. Schmerzt Sie das, wenn der Senat Filetstücke der
       Stadt verkauft? 
       
       Nein. Wenn man das Ziel hat, Segregation zu vermeiden, ist es doch
       sinnvoll, zu mischen. Wenn wir Flächen zu 100 Prozent mit sozialem
       Wohnungsbau planen, heißt es: Ihr baut hier ein Ghetto. Wir bauen auf
       verschiedenen Flächen mit den Privaten gemeinsam.
       
       Zunehmend fallen Wohnungen aus der Sozialpreisbindung. Ist das ein Problem? 
       
       Die meisten Wohnungen, die aus der Bindung gefallen sind, sind bei
       kommunalen Wohnungsgesellschaften geblieben. Und unsere Mieten sind immer
       noch zu 75 Prozent günstiger als im öffentlichen Wohnungsbau jetzt. Die
       Gewoba geht verantwortungsvoll damit um, andere nicht unbedingt. Der Staat
       hat in der Vergangenheit Wohnungen auch an Wirtschaftsunternehmen mit
       anderen Mietstrategien verkauft.
       
       Gibt es auch attraktive Ortsteile, etwa das Viertel, in denen sozialer
       Wohnraum unterrepräsentiert ist und in denen Sie gerne bauen würden? 
       
       Also das Viertel hat wenig freie Bauflächen. Ansonsten muss das Umfeld
       passen: Nahverkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten und Schulen sind Dinge,
       auf die wir mehr Wert legen als prestigeträchtige Innenstadtviertel.
       
       Wie haben sich die Bedarfe insgesamt geändert? 
       
       Wir haben nur wenig kleine Wohnungen, die der Singularisierung in Bremen
       gerecht werden. Es fehlen auch richtig große Wohnungen für die
       Patchwork-Familien. Und wir haben oft auch nicht die richtigen
       Wohnungsgrößen für Alleinerziehende, die die Kosten der Unterkunft
       erstattet bekommen. Oder eine barrierefreie Wohnung für die Witwe, die nach
       dem Krieg mit ihrer Familie in ein Haus gezogen ist und jetzt die Treppe
       nicht mehr schafft. Solchen Fragen widmen wir uns vermehrt auch mit
       Baukonzepten wie dem für den Bremer Punkt.
       
       Was ist der Bremer Punkt? 
       
       Wir haben für ein Haus 25 verschiedene Grundrisse entwickelt, die sich in
       60 Kombinationen zusammenfügen lassen, die wir je nach Bedarfslage für
       einen Neubau variieren, sodass wir uns tatsächlich auf das Umfeld
       einstellen können. Gut geklappt hat das auch im Cambrai-Dreieck in
       Huckelriede. Dort haben wir Betreuungsangebote mit Wohnen für Menschen mit
       Behinderung verbunden – das können wir im Bestand bislang nicht anbieten.
       
       In welchem Stadtteil wohnen Sie? 
       
       Ich wohne zur Miete im Grenzbereich Peterswerder-Hastedt in einer
       Neubau-Wohnung. Aber keine Sorge, es ist kein Gewoba-Haus – unter
       Compliance-Gesichtspunkten ist das absolut okay. Mir gefällt die Lage da
       ganz gut.
       
       5 Jun 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gareth Joswig
       
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