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       # taz.de -- LSVD über Personenstandsrecht: „‚Andere‘ suggeriert einen ‚Rest‘“
       
       > Lesben, Schwule und Trans* kritisieren den Gesetzentwurf des
       > Innenministeriums zur „Dritten Option“. Markus Ulrich spricht von
       > Fremdbestimmung.
       
   IMG Bild: Der Gesetzentwurf: Intergeschlechtliche Menschen sollen unter der Bezeichnung „andere“ registriert werden
       
       ## taz am Wochenende: Herr Ulrich, Horst Seehofer will das Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Dritten Option im
       Personenstandsrecht mit einem – in Ihren Augen unzureichenden –
       Minimalgesetz umsetzen. Was bedeutet das für Betroffene?
       
       Markus Ulrich: Bei dem Gesetzentwurf geht es um die rechtliche Anerkennung
       von mehr als zwei Geschlechtern: Intergeschlechtliche Menschen sollen
       demnach nach medizinischer Diagnose unter der Bezeichnung „andere“
       registriert werden. Dieses Verfahren ist jedoch diskriminierend, denn es
       schließt transgeschlechtliche Menschen aus, die sich nicht als Frau
       beziehungsweise Mann identifizieren. Das heißt die eigene Identität wird
       nicht berücksichtigt. Auch die Bezeichnung „andere“ sehen LSVD und
       Bundesvereinigung Trans* sehr kritisch und haben deswegen [1][einen offenen
       Brief (PDF)] an den Bundesinnenminister verfasst.
       
       Was ist problematisch an der Bezeichnung „andere“? 
       
       „Andere“ suggeriert, dass es Männer und Frauen und einen „Rest“ gibt. Es
       findet eine hierarchische Einordnung statt, die wir ablehnen. Die
       gleichwertigen Begriffe „weiteres“ oder „divers“, die auch vom Justiz- und
       Familienministerium empfohlen werden, beinhalten diese Wertung nicht. Wir
       wünschen uns von Seite dieser Ministerien auch mehr Einflussnahme auf das
       traditionell eher konservative Innenministerium.
       
       Welche Problematiken sehen Sie generell durch medizinische Diagnosen in
       diesem und vergleichbaren Fällen? 
       
       Die Medizin bleibt die Instanz, die über das Geschlecht von Menschen
       entscheidet. Deren Beurteilung stellt jedoch eine Fremdbestimmung dar und
       verletzt die Menschenrechte. Die Medizin ist verantwortlich für eine lange
       Geschichte an Menschenrechtsverletzungen, da sie Inter- und
       Transgeschlechtlichkeit als Krankheiten definiert und behandelt hat,
       teilweise bis heute. Allein die eigene geschlechtliche Selbstidentifikation
       sollte eine Rolle spielen und jeder der die Dritte Option nutzen möchte,
       sollte dies tun können.
       
       Welche Länder sind Vorbilder in der EU bezüglich ähnlicher Gesetze? 
       
       Vorreiter sind zum Beispiel Schweden, Dänemark und Malta. Menschen, denen
       bei der Geburt ein Geschlecht zugewiesen wurde, das sie falsch oder
       unzureichend benennt, haben die Möglichkeit in einem einfachen
       Antragsverfahren den Geschlechtseintrag zu ändern und auf Basis von
       Selbstbestimmung ihr eigentliches Geschlecht rechtlich anerkannt zu
       bekommen.
       
       Wie würde denn eine angemessene Umsetzung des Gesetztes nach Meinung des
       LSVD und der Bundesvereinigung Trans* aussehen? 
       
       Die geforderte medizinische Diagnose der Intergeschlechtlichkeit greift zu
       kurz. Der dritte Geschlechtsantrag muss allen, die das wollen, auf Antrag
       offen stehen. Mit einer einfachen Antragslösung wie etwa in Dänemark und
       Schweden besteht die Problematik, der Fremdbestimmung durch Gutachten und
       Gerichte nicht. Auch kann im jetzigen Entwurf die Registrierung erst mit 14
       Jahren geändert werden, dass werden einige als zu spät empfinden. Per
       Antrag bleibt die eigene Einordnung dagegen flexibel und kann auch wieder
       geändert werden. Das Urteil des BVerfG ist historisch und sollte nicht
       durch den jetzigen Gesetzesentwurf verwässert werden.
       
       26 May 2018
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/TSG/2018-05-23_Seehofer.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Johanna Kuegler
       
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