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       # taz.de -- Grüne über Kitakrise in Berlin: „Der Druck erhöht sich“
       
       > Die Kita-Demo am Wochenende hatte Schwung, die Dringlichkeit sei nun auch
       > im Senat angekommen, sagt Nina Stahr, Landeschefin der Grünen.
       
   IMG Bild: Protest gegen die Kitakrise am Wochenende in Berlin
       
       taz: Frau Stahr, 3.000 Eltern und ErzieherInnen haben am Wochenende für
       mehr Kitaplätze demonstriert. Die Berliner Grünen zeigten sich demonstrativ
       solidarisch. Tragen Sie die Kitapolitik Ihres Koalitionspartners SPD nicht
       mehr mit? 
       
       Nina Stahr: In jeder guten Ehe kann man sich sagen, wenn man anderer
       Meinung ist. Die SPD sagt auch, wenn ihnen bei uns was nicht passt. Wir
       sagen es beim Kita-Thema. Das ist kein Konflikt. Aber für uns ist das ein
       enorm wichtiges Thema. Tatsächlich ist Bildung Schwerpunktthema bei den
       Grünen dieses Jahr, und da gehört die Kita dazu – denn die
       Chancengleichheit beginnt genau dort. Es geht nicht, dass wir Kinder
       abhängen, weil wir den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz nicht mehr
       umsetzen können.
       
       War es ein Fehler, 2016 im Koalitionsvertrag einen besseren
       Betreuungsschlüssel zu beschließen, obwohl klar war, dass das angesichts
       der Fachkräftekrise schwierig werden würde? 
       
       Das war kein Fehler. Aber es hätte gleichzeitig mehr dafür getan werden
       müssen, dass auch genügend ErzieherInnen da sind.
       
       Haben wir doch getan, sagt dann Senatorin Sandra Scheeres (SPD): Die Kitas
       dürfen mehr QuereinsteigerInnen einstellen, die Arbeitsagentur fördert
       künftig die komplette Umschulung zur Erzieherin… 
       
       Was das dritte Ausbildungsjahr angeht: Das ist super. Aber das reicht alles
       nicht. Ich lade ja auch nicht zwölf Kinder zum Kindergeburtstag ein, wenn
       ich nur für zehn Kuchen habe. Wir müssen mehr Menschen begeistern, in den
       Erzieherberuf zu gehen: Männer zum Beispiel, da gibt es noch viel
       Potenzial. Genauso bei den Zugewanderten, da sind die bürokratischen Hürden
       immer noch hoch. Natürlich spielt auch die Bezahlung eine Rolle, auch bei
       diesem Thema muss jetzt etwas passieren.
       
       Aber das Thema Qualität – kleinere Gruppen, bessere Betreuung – steht jetzt
       erst einmal hintenan? 
       
       Nein. Wir dürfen auf keinen Fall runter gehen mit der Betreuungsqualität,
       das ist nicht akzeptabel. Deshalb sehen wir auch die jetzt erlaubte
       zeitweilige Überbelegung in den Kita-Gruppen sehr kritisch – vor allem die
       Tatsache, dass das einfach so mir nichts dir nichts von Frau Scheeres
       entschieden wurde. Wir haben das inzwischen auch im Koalitionsausschuss
       angesprochen, das wird jetzt zur Chefsache gemacht.
       
       Thema Bezahlung: Eine Berufsanfängerin in der Kita verdient 2.500 Euro.
       Zugegeben, eine Grundschullehrerin verdient inzwischen das Doppelte, aber
       es gibt auch prekärere Jobs als Erzieherin. Wie wirkmächtig ist die
       Stellschraube höheres Gehalt wirklich? 
       
       Wenn ich mehr Leute in den Beruf bekommen will, dann muss man an das
       Gehalt. Und gerade die Diskrepanz zwischen Erzieherinnen und Lehrerinnen
       ist ein Thema: Viele der Leute, die sich für einen Erzieherberuf
       interessieren, haben Abitur. Sie wollen nach der Schule etwas mit Kindern
       machen – und entscheiden sich angesichts der Verdienstmöglichkeiten fürs
       Lehramt.
       
       2019 steht die nächste Tarifrunde für die ErzieherInnen an. Was wollen die
       Grünen? 
       
       Natürlich die tarifliche Höherstufung der Erzieherinnen. Dass das geht,
       haben wir schließlich schon bei den Grundschullehrern gesehen. Wir hoffen,
       dass der Finanzsenator (Matthias Kollatz-Ahnen, SPD, Anm. d. Red.), mit
       entsprechendem Nachdruck verhandeln wird.
       
       Die Gewerkschaft GEW verhandelt mit der Senatsverwaltung offenbar gerade
       über Zulagen, die man auch unbürokratisch außerhalb von Tarifverhandlungen
       gewähren könnte. 
       
       Zulagen rechnen sich nicht auf die Altersvorsorge an. Gerade in Berufen,
       die hauptsächlich von Frauen ausgeübt werden, ist das ein Thema, Stichwort
       Altersarmut. Und mit einem Gehalt von 2.500 Euro – und die
       Entwicklungsmöglichkeiten sind in dem Beruf begrenzt – rutschen sie in die
       Altersarmut.
       
       Die Grünen haben sich der Forderung von Eltern und Gewerkschaft nach einem
       ErzieherInnen-Gipfel angeschlossen, die der Senat noch vor der Sommerpause
       einberufen solle. Was soll da diskutiert werden? 
       
       Zum einen das Thema bessere Bezahlung. Aber es muss auch um die Frage
       gehen: Wie würde dieser Beruf attraktiver werden? An vielen Punkten haben
       wir unglaublich motivierte Leute, die dann im Job aufgerieben werden.
       Erzieher haben immer mehr Aufgaben dazu bekommen, zum Beispiel
       dokumentarische Arbeit. Das macht man aber nicht mal eben in der
       Mittagspause, wenn die Kinder schlafen.
       
       3.000 Menschen bei der Kitakrise-Demo, das hatte Schwung. Trägt der
       irgendwo hin? 
       
       Der Druck erhöht sich. Ich denke, das ist auch beim Senat angekommen.
       
       28 May 2018
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
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